Ruin & Solistenensemble Kaleidoskop - Half Skull

Review

Ein seltsamer Geruch, nicht künstlich oder chemisch wie Druckerschwärze und Polymere, mehr organisch aber für die ungeübte Nase dennoch undefinierbar – so präsentiert sich die Box von RUINs „½ Skull“, auf der ein großes Quadrat schwarzer Kruste prangt. Die Buchstaben, der weiße Rahmen, alles gerät aus dem Fokus, nur das Undefinierbare, Schwarze dominiert.

RUIN (ursprünglich mal RICHARD RUIN ET LES DEMONIAQUES), das ist die Band vom zeitgenössischen Künstler Martin Eder, von dem ich bisher nicht mehr wusste, als das er Ölbilder malt. Seine Profession ist denn auch das Erste, was einem bei „½ Skull“ begegnet: Eine handgearbeitete Box mit 12 Karten, auf denen sich wahrlich ungewöhnliche „Farben“ befinden: Altöl, Wodka, Fett, Blut, Seife, Aspirin, Tabak, Metall, Knochen, Asche, Ruß und Salz. Symbolisch stehen sie für die zwölf Stücke der CD, die er nicht nur mit seinen Wegstreitern Jonathan Heine, Frank Grunert, Moritz Stumm, Roderick Miller und Mike Strauss eingespielt hat, sondern für die Eder auch das Solistenensemble Kaleidoskop herangezogen hat.

So ungewöhnlich wie die Farben gestaltet sich dann auch die Musik. „½ Skull“ mutet bisweilen wie ein experimentelles Kammerspiel an, mit Soundschleifen, behutsam eingesetzten Effekten, Perkussion – manchmal hat es schon einen dekonstruktiven Charakter, improvisatorisch, aber dennoch perfekt abgestimmt. Was man hier nicht erfährt: Die Aufnahme ist ein Mitschnitt aus den Berliner Sophiensälen. So frei und spielerisch manches auch klingt, wurde alles detailliert arrangiert und nichts dem Zufall überlassen.

„The Circle“ beginnt mit Reminiszenzen an Doom und Drones, die Gitarren wechseln dann in „Osoizarg Orgella“ mit Streichern des Ensembles. Sie sind der Kern, minimalistisch und dabei doch mit größerer Wirkung, ohne auch nur irgendwie ins Opulente zu driften. Kein ELEND aber ungefähr wie FRAGMENTS DE LA NUIT. Zwischendurch Akzente wie das Glockenspiel in „Satan Comes, Satan Leaves“, ansonsten ein herrlich düsterer und morbider Streifzug. In „Gekämmtes Haar, Appolonia“ begegnet uns erstmals (Sprech-)Gesang, man kehrt zum Bandsound zurück, schnellere Rhythmen, und ein bisschen erinnert das hier an die Stimmung, die BOHREN verbreiten.

„Landscape With Gallows“ wirkt mit seinen langsamen Orgelklängen geradezu sakral, während das folgende „Geister 4240342“ wieder stark ins Experimentelle überschlägt. Erinnerung an die Aktionen von Herrmann Nitsch oder auch die NEUBAUTEN werden wach, wenn die Streicher bis an die Grenzen ihrer Instrumente gehen. Danach ein kurzes Kammerintermezzo mit Synthesizer-Störern („Alucinac“) und schlußendlich „The Burning“: Eingeleitet mit dem Piano bildet sich hier ein Noise-Strudel, alles fällt zu einer schwarzen Masse wie auf dem Cover zusammen, verschmilzt zu einer Einheit um sich dann am Ende langsam zu harmonisieren.

Was für ein Klotz, brachial und zugleich fragil, minimalistisch und experimentell, aber nie abweisend. Es ist keine Improvisationskunst, keine Aktion, kein außergewöhnlicher Jam. Vielleicht ist es genau diese Detailarbeit, die minutiöse Organisation, die hier unscheinbar im Hintergrund steht und „½ Skull“ so faszinierend wirken lässt. Eine Stunde, in der die Zeit ihre Relevanz verliert.

23.04.2011

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