Infest (SRB)
Botschafter des Friedens

Interview

Über die serbische Metalszene kommt hierzulande nicht allzu viel an. Die Death-/Thrasher von INFEST sind allerdings schon seit etlichen Jahren ein kleiner, aber zuverlässiger Import, der schon lange mit deutschen Labels zusammenarbeitet. Mit „Ambassadors Of Aggression“ veröffentlicht das Trio aktuell seinen siebten Langspieler – erstmals über das Hamburger Label Violent Creek Records. Wir haben unterdessen Bandkopf Vandal zur lokalen Szene, dem kollektiven Mindset und natürlich der neuen Scheibe befragt.

Vandal, Du hast kürzlich mit spürbarer Passion bei unserer Top-10 mitgemacht. Was würdest du geben, um diese zehn Alben noch einmal ganz neu entdecken zu können?

Vandal: Ich habe diese zehn Alben aufgelistet, aber ehrlich gesagt gibt es natürlich unheimlich viele mehr, zu denen ich immer wieder zurückkehre wie zu heiligen Schriften aus verzerrten Gitarren. Diese ersten Gefühle sind nur noch schwer vorstellbar, die Art, wie der Sound unter deine Haut kriecht und etwas Animalisches auslöst. Das Feuer brennt allerdings heute auch noch in mir, wenn ich eine neue Band entdecke, die meine Seele mit dem Hammer trifft.

Wenn ich ein Gefühl konservieren könnte, ohne dass die Zeit eine Rolle spielt, dann den Moment, als Heavy Metal mich infiziert hat. Das war der Beginn einer lebenslangen Besessenheit. Ich bin sehr glücklich darüber, dass das in einem Moment geschehen ist, als ich es am meisten gebraucht habe.

Meine Mission ist nun, diese Flamme am Leben zu erhalten und weiterzutragen, sodass die nächste Generation dieselbe Chance hat, eine Passion für Metal zu entwickeln. Wenn ich nur eine einzige Seele damit gewinnen, dann war es das Ganze wert.

„Ambassadors Of Aggression“ erinnert mich ziemlich an die mittleren Zweitausender mit Bands wie LEGION OF THE DAMNED oder DEW-SCENTED. Kannst Du dich auch noch an diese Bandwelle erinnern?

Absolut, ich habe lebhafte Erinnerungen an diese Zeit! Das war die Zeit, als Geschwindigkeit, Wut und ungefilterte Energie die Schlachtfelder dominierten. LEGION OF THE DAMNED, THE CROWN, DEW-SCENTED… diese Bands haben gespielt, als sei das nächste Riff ihr letzter Atemzug, als würde die Welt brennen und das letzte, was du noch tun kannst, ist zu bangen, bis der Horizont zusammenstürzt.
Damals war ich wie ein Schwamm, der alles aufsaugt, was mit Blastbeats und messerscharfen Riffs zu tun hatte. Es fühlte sich wie ein Kriegsmarsch für eine Generation an, die sich weigerte, zu knien Noch heute erinnern mich diese Klänge daran, was es bedeutet, dass Metal keine Kompromisse eingeht.

„We Are Legion“ ist so etwas wie euer häufig zitierter Slogan. Kann man in Serbien noch davon sprechen, dass die Metalszene so etwas wie eine Einheit bildet?

„We Are Legion“ ist nicht nur ein Slogan, sondern eine Message, ein Ruf zu den Waffen. INFEST standen schon immer für die Einheit durch den Metal. Die Szene in Serbien mag klein sein, doch wenn es darum geht, eine Einheit zu bilden, dann haben die Leute mit ihrer Passion den selben Sinn.

Dennoch ist es nicht immer einfach. Es gibt nur wenig Platz und noch weniger Support durch die Medien. Das ist aber ein Grund, die Reihen noch enger zu schließen und füreinander einzustehen. Keine Masken, sondern Schweiß, Wahrheit und verzerrte Riffs. Die Leute, denen es gelingt, die Grenzen zu überschreiten und den Metal auch jenseits derer zu verbreiten, steht es offen, damit wirklich erfolgreich zu sein.

In Deutschland schweben wir derzeit häufig und kollektiv in einem Nach-Pandemie-Mindset, indem es nur noch schwarz und weiß zu geben scheint. Diskussionen finden nicht mehr statt, Mittelwege sind verbaut. Ist das bei euch auch zu spüren?

Absolut. Das ist hier auf jeden Fall auch so, denn Leute verfallen immer mehr in extreme Sichtweisen ohne Nuancen oder Blicke nach links oder rechts zuzulassen. Alles fühlt sich an, wie ein großer Krieg “dagegen” oder “dafür”, kein Verständnis und kein Mittelweg. Die Gesellschaft ist ausgebrannt. Jeder ist darauf aus, seinen Gegenüber irgendwie zu beschuldigen, aber fürs Zuhören ist keine Zeit. Das ist nun alle sein sehr gefährlicher Platz, denn wenn die Gespräche verklingen, dann gibt es nur noch Rauschen.

In einer solchen Welt könnte Metal noch das letzte Heiligtum für die Wahrheit sein. Ein Platz, wo du deine Wut rauslassen und vom Herzen sprechen kannst, während du immer noch mit Anderen in Kontakt trittst. Bei INFEST glauben wir daran, dass die freie Meinungsäußerung unbedingt bestehen bleiben und ohne Kompromisse verteidigt werden muss.
Ich glaube wirklich, dass die Musik die Kraft besitzt, etwas ändern zu können, doch wenn du dein Umfeld ändern möchtest, dann musst du bei dir anfangen. Zu viele Menschen spiegeln einfach die Negativität, die ihnen entgegenschlägt, weil sie in ihrem Leben nie ein anderes Beispiel gesehen haben.

Ich versuche allem gegenüber positiv zu bleiben. Wenn ich nur eine Person damit anstecken kann, dann ist das ein Erfolg. Energie verbreitet sich schnell weiter, insbesondere die Positive. Viel-leicht kann meine eigene Veränderung zu einer Weiteren inspirieren. So startet eine Welle.

Euer neues Album scheint mehr persönliche/gesellschaftspolitische Aspekte zu enthalten als eure früheren Werke. Ist das auf die vielfältigen Herausforderungen zurückzuführen, denen wir derzeit zwischen Pandemie, Kriegen und kulturellen Unterschieden gegenüberstehen?

Ja, das ist es auf jeden Fall. Dieses neue Album ist persönlicher, aber auch direkter und ungefilterter. In den letzten Jahren hat sich so viel angestaut: Pandemien, Kriege, endlose Spaltungen. Man kann sich dem nicht einfach entziehen. Selbst wenn man versucht zu fliehen, hinter-lässt es Narben. Gleichgültigkeit ist keine Option mehr.
Wir schreiben keine Songs, um cool zu wirken, wir schreiben sie, um die Wahrheit zu sagen, egal wie hässlich oder unbequem sie auch sein mag. In diesem Chaos ist Metal unsere Art, die Realität zu verarbeiten und mit einer Botschaft zurückzuschlagen. Das neue Material ist ein Spiegelbild des inneren Krieges, aber auch eine Rebellion gegen ein System, das Menschen verschlingt und wieder ausspuckt.

Es gibt keinen Platz mehr für Schweigen.

Und seien wir ehrlich, der Balkan war schon immer ein Pulverfass. In den 90er Jahren gab es Kriege, in denen Tausende Menschen starben, Menschen, die von ihren Regierungen verraten wurden, auseinandergerissen für den Profit anderer, für die Gier anderer. Die Geschichte hat uns nichts gelehrt. Schaltet man heute den Fernseher ein, sieht man denselben Wahnsinn, einen weiteren Krieg, eine weitere Lüge.

Es ist, als wäre die Welt einer Lobotomie unterzogen worden, als würde man im 21. Jahrhundert immer noch über Hass und Krieg reden, während wir von Schönheit und unendlichen Möglichkeiten für eine bessere Welt umgeben sind. Aber Frieden zahlt sich nicht aus.
Anscheinend verkauft sich Blut immer noch besser als Hoffnung.

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Quelle: Interview mit Vandal
26.09.2025

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