Revel In Flesh
Der Rächer und die Welt

Interview

Da sitzt man eines Tages so am Rechner und chattet ein bisschen mit Ralf Hauber von REVEL IN FLESH fröhlich vor sich hin, als plötzlich die Idee kommt: Hoppla, warum machen wir da nicht gleich ein Interview draus? Gesagt, getan. Also wurde der Chat umgehend beendet und das ganze Gespräch in eine angemessene Form gegossen. Ralf hatte beim Chatten die eine oder andere interessante These in den Raum geworfen, die es nun im Interview zu überprüfen gilt.

Servus Ralf! Es war glaube ich schon sinnvoller, dass wir unseren Chat kurzerhand in ein Interview umgewandelt haben, so hat schließlich jeder was davon, hahaha… Als erste These hattest du geäußert, ein Todesblei-Problem derzeit sei die generelle Masse an Veröffentlichungen, die Death-Metal-Szene sei übersättigt. Und jeder, der sich auch nur ein bisschen in diesem Genre umschaut, wird dir in puncto Quantität sicher zustimmen. Kannst du bitte trotzdem erläutern, was genau für dich dabei problematisch ist?

Schau Dir einfach mal die aktuellen Metal-Magazine aus den Monaten Oktober oder November 2019 an. Die Labels bekriegen sich da doch regelrecht mit einer Schwemme von Veröffentlichungen. Und man muss sich halt darüber im Klaren sein, dass es mittlerweile nur noch wenige Fans gibt, die speziell auf ein Genre fixiert sind, also z.B. nur Death Metal oder was auch immer hören. Am Ende des Durchblätterns von so manchem Magazin fragt man sich dann: „Hmmh, gut und was soll ich mir jetzt tatsächlich anhören oder sogar kaufen?“

Musik verdient es ja in gewissem Maße auch, dass man sich mit ihr wirklich auseinandersetzt. Dazu gehört für mich absolut das Beschäftigen mit dem Gesamtkunstwerk, also Texte, Artwork usw. Aufgrund der Masse an neuen CDs ist dieser Wert für viele leider nicht mehr das, was er eigentlich sein sollte. Die Zeiten sind schnelllebig. Ein Album bekommt nur dann wirklich Aufmerksamkeit, wenn Werbung und Durchschlagskraft an allen Fronten massiv sind. Leider haben diese Möglichkeiten nur größere Firmen, so dass viele kleinere Releases zwangsläufig in der Masse untergehen, weil denen eben der mediale Push fehlt. Nicht zu unterschätzen sind heute auch Faktoren wie soziale Medien, Anzahl der YouTube-Abonenten, Plätze in Spotify-Playlists etc. Das sind alles Dinge, welche dem Old-Schooler oft fremd, aber heute super essenziell sind.

Keine Widerrede, aber so platt das auch klingen mag, so sind die Zeiten heutzutage nun mal. Das wir (zumindest im Geiste!) alten Säcke diese Entwicklung nicht gerade toll finden, liegt natürlich auf der Hand. Eine andere kritische Anmerkung von dir lautete, dass die Tendenz weg vom klassischen Stil führt. Da muss ich aber doch mal nachhaken, was genau du darunter verstehst, was ist für dich klassischer Death-Metal-Stil? Nur alles vor 1990, alles zwischen 1990 und 1995? Schwedische, amerikanische oder europäische Prägung? Dazu gibt es ja sicherlich tausend verschiedene Meinungen.

Klassischer Death Metal ist für mich ganz einfach die Art von Musik, welche den Geist der 90er Jahre unter den diversen Facetten weiter trägt, neu formt, neu vermengt , aber niemals die Wurzeln abschneidet. In der aktuellen Szene gibt es jedoch einen Hang dazu, dass immer mehr Bands auf besondere Resonanz stoßen, die eine eher spirituelle Schiene fahren oder sagen es wir es mal so, die mit einer Art Black-Metal-Attitüde hausieren gehen. So etwas ist gerade mächtig hip. Ich für meinen Teil denke, dass der klassische Death Metal auch maßgeblich durch eine Punk-Hardcore-DIY-Einstellung geprägt war. Das Paradebeispiel hierfür sind sicherlich BOLT THROWER. Diese Bands wurden vor allem auch für ihre Einstellung und Fan-Freundlichkeit geschätzt. Mittlerweile formiert sich jedoch eine Szene, in der sich Musiker zum Teil erhabener fühlen als ihre Fans, was ich für komplett bescheuert halte. Und wenn ich dann noch auf das Alter dieser Bands schaue, dann kann ich teilweise echt nur noch lachen.

Auch da muss ich dir beipflichten, dieses elitäre Gehabe mag in anderen Szenen durchaus passen, in unserer jedoch definitiv nicht. Du kritisierst ja generell einen enormen Trend und Hype um gewisse Dinge im Todesblei, was genau geht dir da so richtig gegen den Strich? Gewisse Modeerscheinungen gab es ja schon immer, die kommen und gehen halt, das sehe ich jetzt eher weniger kritisch.

Die Frage habe ich ja zum Teil schon zuvor beantwortet. Aber gerade in Bezug auf Trends und Hypes ist die Szene mittlerweile noch schnelllebiger als je zuvor. Es gibt gewisse Labels, die haben den Ruf als Kaderschmieden und können so auch manche Band vermarkten, die wie man so schön sagt noch „Luft nach oben“ hätte. Uns geht es jedoch ausschließlich um REVEL IN FLESH und da in erster Linie um unsere Musik, unsere Texte, das gesamte Package und das ganze Drumherum. Das alles soll ganz einfach dem Level entsprechen, das wir uns bis dato aufgebaut haben. Wir haben uns die eigene Anhängerschaft über mittlerweile bald acht Jahre erspielt und mühsam die kleinen Stufen erklommen. Ich denke, die treuen Supporter wissen so etwas zu schätzen.

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Absolut, da kannst du dir sicher sein. Deiner Ansicht nach ist ja die Marktsituation heute für „The Hour Of The Avenger“ schlechter als bei „Emissary Of All Plagues“ vor drei Jahren. Wie können wir das verstehen? Ums Geld verdienen im eigentlichen Sinn kann es ja kaum gehen. Ist es generell schwierig, aus der Masse irgendwie hervor zu stechen, unabhängig von der Qualität des Materials? Für die meisten Bands gilt ja glaube ich, dass man Geld im Prinzip nur noch mit Merchandise und Gigs verdient.

Klar, aber wie oft warst Du schon auf einem Konzert, wo Du vor einer regelrechten Mauer an Merchandise gestanden hast? Es ist eben so, dass mittlerweile nahezu jede Band mit denselben Produkten aufwartet, am Ende sollte jedoch eigentlich die Musik das Elementare sein, oder? Ganz klar, wir reden hier ja immer noch über eine Untergrund-Szene, in der „Geld verdienen“ ein sehr gewagter Begriff ist. Fakt ist jedoch, dass vor allem der digitale Markt immer wichtiger wird. Das wissen vor allem die älteren Fans gar nicht so richtig. Der physische Tonträger ist zwar nach wie vor der heilige Gral, aber es gibt eine ganze Menge an jungen Fans, welche Musik ausschließlich streamen oder auf der Festplatte zu Hause haben. Diese Tendenz nimmt zu und damit eben auch das Hören und Wahrnehmen von Musik. Das findet heutzutage ganz anders statt als damals, als ich dieses Genre für mich entdeckt habe.

Logisch, den „Fortschritt“ hält halt niemand auf, egal ob der in eine positive oder negative Richtung geht. Ich hatte früher gefühlt das ganze Kinderzimmer voller Kassetten, aber die vermisse ich jetzt ehrlich gesagt nicht wirklich. Aber ich weiß natürlich schon, worauf du hinaus willst, man hat sich früher ganz einfach aus verschiedenen Gründen intensiver mit der Musik befasst. Harter Bruch, ganz anderes Thema. Eigentlich wäre es ja echt mal an der Zeit für eine zünftige REVEL-Tour, bisher seid ihr ja eher die Wochenend-Krachmacher. Plant ihr denn eine längere Rundreise bzw. lässt sich das überhaupt mit eurem Alltag irgendwie vereinbaren?

Wenn die Band wachsen soll, dann geht das nur mit Mut zum Risiko. Und dazu wäre eine größere Tour mit einem namhaften Headliner oder einer passenden Konstellation der nächste logische Schritt. Ob wir diesen wagen, wird sich zeigen. Fakt ist jedoch, dass das Interesse an der Band da ist und wir gerade deswegen nicht an jeder Steckdose spielen müssen und schon gar nicht wollen.

Ich würde es euch auf jeden Fall gönnen, keine Frage! Da die „The Hour Of The Avenger“ ja absolut für Qualität steht und wir gerne mal ein bisschen Werbung machen: Warum sollen bzw. müssen die Massen diese Scheibe kaufen, wie würde der Verkäufer Haubersson sein Produkt anpreisen?

Das brauche ich nicht, denn das Album spricht für sich. Oder das Lesen deines Reviews wäre die beste Antwort. Die Entwicklung von REVEL IN FLESH ist für mich stilistisch logisch. Als Death Metal Band mit klarer Agenda haben wir einfach unsere Prinzipien. Gewisse Stellschrauben kann man durchaus drehen, aber die Wurzeln dürfen nie aus den Augen verloren werden!

Revel-In-Flesh-The-Hour-Of-The-Avenger

Danke für die Blumen! Das bestätigt mich mal wieder in meiner Meinung, metal.de lesen bildet ganz einfach. Ich habe mich im Review ja gefragt, was genau das Geheimnis des Rächers ist, warum ist der so mächtig und stark geworden. Kannst du da etwas Licht ins Dunkel bringen?

Jede Entwicklung braucht einfach Zeit und Reife. Wir hatten in den acht Jahren Bandgeschichte nur einen Besetzungswechsel, und der war rückblickend für die Entwicklung der Band absolut dienlich, was das neue Album auch beweist. Ansonsten sieht es auch so aus, dass Konflikte, Rückschläge, schlechte Geschäftsentscheidungen genauso wichtig für die Entwicklung einer Band sind wie gute Konzerte, gute Reviews und eben die Sonnenseiten dieser doch recht extravaganten Reise. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten bringen ihre Dynamik mit ein und gerade das macht die Resultate seit fünf Alben mächtig spannend.

Das hört man und das kann von mir aus gerne immer so weitergehen. Du hast dich ja besonders darüber gefreut, dass wir euch im Review bescheinigt haben, euren ganz eigenen Stil gefunden zu haben. Ist dir dieser Punkt besonders wichtig? Und gab es folglich auch andere Zeiten mit möglicherweise nervigen Vergleichen?

Wenn Du für etwas kämpfst und nicht aufgibst, dann willst du irgendwann auch als das wahrgenommen werden, was du tatsächlich darstellen möchtest. In unserem Fall also einfach als Band, die ihren Death Metal mit Hingabe zelebriert. Am Ende sind wir jedoch auch Fans der Musik, deswegen ist es für uns auch kein Schlag vor den Kopf, wenn man uns mit anderen Bands vergleicht. Jeder, der die Entwicklung der Band mit Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird erkennen, dass unsere eigene Handschrift über die Jahre hinweg immer mehr an Gewicht gewonnen hat. Aber hört euch das neue Album an und entscheidet einfach selber.

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14.12.2019

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