Avantasia
"Ist das innovativ? Mir egal, ist geil."

Interview

Die erste Assoziation war zusammen mit „Bring On The Night“, dass es ein lautes MAGNUM-Tribut ist.

Ja, wir kannten uns lang. Als Bob Catley das erste Mal bei AVANTASIA sang, waren MAGNUM noch nicht wieder aktiv, doch als er dann zu „The Scarecrow“ wiederkam, war Tony Clarkin skeptisch, weil er ein Kontrollfreak und Bandleader war. Doch er hat mich ins Herz geschlossen, weil er merkte, dass AVANTASIA Türen für MAGNUM geöffnet haben und sie dort spielten, wo Bob durch AVANTASIA bekannt wurde.

Ich bin ein riesiger MAGNUM-Fan. Rodney rief mich an, um mir die schreckliche Neuigkeit mitzuteilen. Wir sprachen zwei Stunden und innerhalb dieses Gesprächs fragte ich ihn – auch, wenn das vielleicht unpassend war – ob er ein Artwork für uns macht. Das war nicht geplant! Er meinte, eigentlich macht er das nicht mehr, aber es wäre ihm eine Ehre, ein weiteres AVANTASIA-Cover zu entwerfen.

„Bring On The Night“ kam im Sommer vergangenen Jahres aus dem Nichts zu mir. Ich habe beim Fußballgucken Klavier gespielt und der war innerhalb von fünf Minuten da. Mir war sofort klar, dass das ein MAGNUM-Song ist. Das ganze Album ist kein kompletter MAGNUM-Tribut, aber unterbewusst beeinflusst einen immer das, was einen gerade beschäftigt.

Diese Endgültigkeit, dass ich nie wieder aus dem Plattenladen ein neues MAGNUM-Album nach Hause tragen und zum ersten Mal auflegen kann hat Spuren hinterlassen und wehgetan. Das habe ich in „Bring On The Night“ verarbeitet ohne, dass der Text explizit an Tony gerichtet ist.

Die MAGNUM-Alben, die du hören musst sind „On A Storyteller’s Night“, „Vigilante“, „Wings Of Heaven“ und auch „Goodnight L.A.“ ist großartig, auch wenn viele Fans das anders sehen. „Sleepwalking“ hat auch tolle Nummern. Nach der Reunion finde ich „Princess Alice And The Broken Arrow“ am besten.

Dass Bob Catley „Bring On The Night“ singt ist klar, doch wie wählst du ansonsten deine Featuregäste aus?

Ich schaue in den gelben Seiten des Heavy Metals nach (lacht). Vieles passiert intuitiv. „Here Be Dragons“ ist die erste AVANTASIA-Scheibe, auf der die meisten Nummern ohne bestimmte Sänger und Sängerinnen im Hintergrund entstanden sind. Deswegen hat sie die Unschuld und Spritzigkeit von frühen EDGUY-Alben. Ich habe alle Lieder selber eingesungen und entschieden, wenn das gut klingt, kann die auch jemand anderes singen (lacht).

Die anderen Sänger sind Farbtupfer, aber die Stücke tragen alle extrem meine Handschrift. Das Album kommt auf den Punkt. Dass Michael Kiske „The Moorlands At Twilight“ singt war nicht sofort klar. Ja, der Song ist schnell und bekommt durch ihn und seine Gesangsart HELLOWEEN-Schlagseite, aber er hat auch schrullige Elemente, die untypisch für HELLOWEEN sind. Sein Gesang passt sehr gut dazu, aber es ist nicht zu offensichtlich.

So gehe ich an jeden Track ran. Bei „The Witch“ stand die Demo schon lange und letztes Jahr war Tommy Karevik (KAMELOT) mit uns auf Tour. Irgendwann in Spanien am Pool habe ich ihn gefragt, ob er auf einer AVANTASIA-Platte mitsingen möchte.

Ich bin chaotisch. Power Metal gilt oft als „Malen nach Zahlen“, bei mir ist es das Gegenteil. Ich weiß, wie man eine gute Scheibe produziert, aber es ist vieles total unorganisiert. Wenn ich organisiert sein wollte, wäre ich Lohnbuchhalter geworden.

Das Album hört sich an wie „Best Of AVANTASIA“, es ist aus jeder Epoche was dabei.

Ich fühlte mich zuhause beim Schreiben. „Ist das innovativ? Mir egal, ist geil.“. Musik machen ist für mich wie Tagebuch schreiben. Ich verpacke Gefühle in Melodien, Töne und Texte und verarbeite Dinge aus meinem Leben. Die Platte ist das Nebenprodukt, denn das Hauptaugenmerk ist der therapeutische Prozess des Musikmachens.

Wenn du keiner bist, der ständig einen anderen Zipfel der Welt erkundet, dann steht in einem Tagebuch manchmal etwas, was so ähnlich schonmal vorkam. Manche Gefühle hat man auch mehrmals im Leben. Es ist schön, dass „Here Be Dragons“ sich so anhört, als würde man sich bei AVANTASIA zuhause fühlen.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Bonustrack „Return To The Opera“, denn der ist nach dem „Malen nach Zahlen“-Prinzip entstanden, weil Fans wollten, dass ich mal wieder etwas wie „The Metal Opera“ mache. Ich habe Sascha Paeth eine Nachricht geschrieben, dass ich innerhalb von drei Stunden einen Song samt Text schreibe und die Demo fertig mache und wir den morgen aufnehmen.

Nach einer Dreiviertelstunde war „Malen nach Zahlen“ fertig und dann habe ich mir gedacht, ich muss den jetzt vernünftig zu Ende bringen. Ich weiß nicht, ob die Nummer nach „The Metal Opera“ klingt. Ich finde, klingt auch nach EDGUY und alten HELLOWEEN. Wir hätten ihn fast ins Liveset aufgenommen, so geil finde ich ihn.

Dann können Fans gespannt auf das Earbook hinfiebern.

Das können sie. Es ist wie eine Zeitkapsel. Wenn ich in 20 Jahren wissen will, wie meine Karriere 2025 war, dann öffne ich dieses Earbook und lasse mich in diese Zeit zurückversetzen. Ich finde, es ist von allen Earbooks, die ich bisher veröffentlicht habe, das schönste.

Wie wäre es mit einer Neuauflage von „The Metal Opera“ oder „The Scarecrow“ in dem Format?

Zu „The Scarecrow“ ist das in Arbeit, der Re-Release wird richtig fett mit vielen Neuaufnahmen und Bildern aus dem Studio. Bei „The Metal Opera“ bin ich skeptisch, weil es nicht viel Material aus der Zeit gibt und die Plattenfirma geschluckt wurde. Da kommt nicht mehr viel in physischer Hinsicht. Ich verstehe es nicht, aber man kann sich nicht dagegen wehren. Aber auf den Platten danach habe ich die Hand drauf und da kommt was tolles, aber ich möchte noch nicht zu viel verraten.

Danke für das Gespräch, Tobi und viel Erfolg mit „Here Be Dragons“!

Galerie mit 29 Bildern: Avantasia - Here Be Dragons Tour 2025 in Stuttgart

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Quelle: Interview mti Tobias Sammet
02.03.2025

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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