Der Weg Einer Freiheit
"Die Vocals sind auf 'Innern' experimentierfreudiger denn je."

Interview

Das Album ist wahnsinnig präzise und auf den Punkt. Auch im Arrangement wirkt es so, als würde man immer tiefer ins Innere vordringen, je weiter man hört. Um diese Präzision zu erreichen: Wie viel Material musstest du wegwerfen oder parken?

Auf musikalischer Ebene ehrlich gesagt kaum etwas. Der Anspruch war, jeden Song möglichst in einem kleinen zeitlichen Rahmen fertigzuschreiben. Meistens hatte ich die grundlegende Struktur eines Songs innerhalb eines, maximal zweier Tage fertig und konnte sie direkt den anderen schicken.

Das darf man sich nicht sonderlich ausgefeilt vorstellen. Oft waren es Copy-Paste-Riffs oder Platzhalter, die teilweise auch einfach im Song geblieben sind, weil sie dann Sinn gemacht haben. Das war eine verblüffende Erkenntnis. Der Teufel liegt dann im Detail. Fills, Melodien, Sounds, Effekte – das hat dagegen extrem viel Zeit gebraucht, weil es oft den Charakter eines Songs ausmacht.

Aber diesmal gab es kein Patchwork aus angesammelten Riffs oder verworfenen Teilen. Ich glaube, das trägt stark zur Kontinuität des Albums bei. Wie du sagst: Es wirkt wie eine Reise, dass sich das Album in seiner Gänze erst dann erschließt, wenn man es sich am Stück anhört. Das war uns auch wichtig und ich hoffe, dass die Leute das so tun und dass man dann das große Ganze auch erkennt.

Lyrisch war es etwas anders. Da schreibe ich oft einfach drauflos – manchmal füllt sich eine ganze Seite mit Wörtern, was für einen Songtext natürlich viel zu viel ist. Dann versuche ich, Struktur reinzubringen. Da fliegen natürlich einige Wörter wieder raus, bis ich in dem Fluss des Textes einen Sinn erkenne. Aber auch das war ein Prozess, den ich diesmal, wenn möglich, auf einen Tag beschränkt habe.

Ich kann nicht zwischen Tür und Angel schreiben, das konnte ich noch nie. Ich setze mich fokussiert hin und versuche, mich in einen Flow zu bringen. Dieser Flow-Gedanke ist ganz, ganz wichtig geworden, auch auf dem Album. Ich bin der Überzeugung, dass man das auch hört.

Ich hatte früher immer total Schiss, meine Texte zu veröffentlichen und habe mich damit nie wohlgefühlt. Vielleicht aus der Sorge heraus, dass Leute zu sehr interpretieren, das hinterfragen oder zu sehr in mich hineinsehen. Das hat sich mit dem neuen Album geändert. Wir haben bei den zwei Singles, die wir veröffentlicht haben, sehr viel Wert auf die Texte gelegt.

Die haben wir direkt in die Videobeschreibung mit reingenommen oder als Untertitel zum Ein- und Ausschalten. Wir haben sie sogar auf Englisch übersetzt, bevor Leute, die kein Deutsch können, ihre eigenen Übersetzungen anfertigen. Das finden wir immer cool, das haben die auch oft gemacht, aber damit man sicherstellen kann, dass der Sinn nicht verloren geht, haben wir englische Übersetzungen direkt mitgeliefert.

Der Weg Einer Freiheit Innern Cover

Ihr habt auch einen englischen Song auf dem Album, „Forlorn“. Auf „Noctvrn“ hattet ihr damit schon angefangen. Gibt es Stimmungen oder Emotionen, bei denen Englisch besser passt, oder entscheidest du das spontan?

Ich glaube nicht, dass ich auf Deutsch emotionaler singen kann als auf Englisch. „Noctvrn“ war da ein Experiment, aber ich habe herausgefunden, dass es wunderbar funktioniert. Auch die Fans sind da nicht unbedingt abgeneigt. Man hätte vielleicht meinen können, dass es hartgesottene Fans gibt, die uns vorwerfen: „Jetzt singt ihr auf Englisch, Kommerz!“ So etwas ist nicht passiert. Das hat uns gezeigt: Wenn es sich richtig anfühlt, kann man das einfach machen.

Mir war es auf dem Album eigentlich gar nicht danach, aber „Forlorn“ wurde nicht von mir geschrieben, sondern von unserem Gitarristen Nicolas. Der Song ist eine Kollaboration zwischen uns beiden. Nach den ersten vier, fünf Songs – wenn man das Interlude „Finisterre III“ mit dazunimmt – hatte ich das Gefühl, ich habe alles gesagt, was ich zu sagen habe. Nach „Fragment“ bin ich zugegebenermaßen in ein kleines Loch gefallen.

Wir waren bei ca. 35 Minuten Spielzeit. Das wäre ausreichend gewesen, aber das Label hat natürlich lieber ein bisschen mehr und dann hat Nicolas gesagt: „Ich hatte schon lange die Idee, auch mal was beizusteuern.“ Er hat nach einer Idee oder einem Starting Point gefragt und dann hab ich ihm ein Vier-Noten-Pattern auf der Gitarre geschickt. Das hat er mehr oder weniger in den Song verwurstet und auch den Text geschrieben. Nicolas fühlt sich mit Englisch wohler, und durch unsere Erfahrungen mit „Noctvrn“ war es für mich kein Problem, „Forlorn“ auch auf Englisch zu singen.

Ich musste lachen über die Platzierung des Songs: 35 Minuten lang reißt mir das Album den Boden unter den Füßen weg – und am Ende klingt es wie: „Wenn jetzt jemand verletzt ist, will ich es eigentlich gar nicht wissen.“

Darum geht der Song. Ich kann es nur aus Nicolas‘ Sicht beschreiben, aber er hat eine extrem harte Phase durchgemacht, kurz bevor er den Song geschrieben hat. Auf der einen Seite habe ich mir nach den fünf Songs, die ich geschrieben habe, erst mal ein bisschen Hoffnung gewünscht und dann kam „Forlorn“. Aber auch wenn der Song düster wirkt, steckt in ihm, wie im ganzen Album, ein großes Maß an Hoffnung und Erkenntnis: dass es Wege gibt, aus dieser Negativität herauszufinden.

Gibt es einen Song, der für dich die bedeutendste Hintergrund- oder Entstehungsgeschichte hat?

Ja, „Fragment“. Ich habe anfangs gesagt, dass ich ein Stück weit akzeptiert habe, eher der introspektive und introvertierte Typ zu sein. Das ist nichts Schlimmes, aber das zu akzeptieren hat mir viel Kraft gegeben. Vielleicht habe ich mich auch deshalb nach dem Schreiben von „Fragment“ so leer gefühlt – der Song ist my life in a nutshell. Lies dir den Text durch, dann weißt du, was ich meine.

Für mich ist es der emotionalste und persönlichste Song auf dem Album. Der macht mich nicht traurig oder emotional. Es war heftig als ich ihn geschrieben habe, aber es war auch extrem wichtig, dass er jetzt veröffentlicht wird. Deshalb würde ich sagen: „Fragment“ ist der Song für mich.

Galerie mit 11 Bildern: Der Weg Einer Freiheit - Walpurgisnacht 2025 Vol. 4 in Berlin

Seiten in diesem Artikel

1234
Quelle: Der Weg Einer Freiheit
12.09.2025

"Es ist gut, aber es gefällt mir nicht." - Johann Wolfgang von Goethe

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 38101 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

Der Weg Einer Freiheit auf Tour

02.04. - 05.04.26Inferno Festival 2026 (Festival)Mayhem, Deicide, Enslaved, Cult Of Luna, Old Man's Child, The Kovenant, Kanonenfieber, Samael, Incantation, Auðn, Whoredom Rife, Darvaza, Perchta, Morax, Myr, Forsmán, Primordial, Funeral, Múr, Nite, Hierophant, Sovereign, Blodknoke, Cavern Deep, Automaton, HEVN III, Voidspire, Tormentor, Firespawn, Mork, Carnivore A.D., Nihilvm, Abhorration, HomSelvareg, Ruun, Hermit Dreams, Møl, Arachno, Gaddavír, Ferversea, Senti, Groza, Der Weg Einer Freiheit, Svarttjern, 1914, Sadistic Intent, Hulder, Zatokrev, Bizarrekult, Swartzheim, Gloombound, Angell und RaumerRockefeller, Oslo
12.08. - 15.08.26metal.de präsentiertSummer Breeze Open Air 2026 (Festival)In Flames, Arch Enemy, Helloween, Lamb Of God, Airbourne, Alestorm, Versengold, The Ghost Inside, Testament, Amorphis, Imminence, Paleface Swiss, Alcest, The Butcher Sisters, Orbit Culture, Deicide, Brothers Of Metal, Northlane, dArtagnan, Terror, Deafheaven, Betontod, Future Palace, Soen, Der Weg Einer Freiheit, Miracle Of Sound, Mushroomhead, Municipal Waste, Trollfest, Saor, Nanowar Of Steel, From Fall to Spring, Unprocessed, Misery Index, Cryptopsy, Brainstorm, Parasite Inc., ten56., Groza, 200 Stab Wounds, Manntra, Blood Command, Cabal, Haggefugg, Excrementory Grindfuckers, Illdisposed und Our PromiseSummer Breeze Open Air, Dinkelsbühl, Dinkelsbühl

Kommentare