Lacuna Coil -
Die reale Welt wartet auf dich!

Interview

LACUNA COIL sind zurück! Ihr neuestes Album „Sleepless Empire“ ist ein deutlicher Schritt in Richtung Modern Metal, eine Weiterentwicklung, ohne den eigenen Stil und die eigenen Wurzeln zu missachten. Fronterin Cristina Scabbia spricht mit uns über den Entstehungsprozess, über Gefühle und Inspirationen und die kleinen „Wow-Momente“. Wir klären auch, was hinter dem Album steht – denn „Sleepless Empire“ ist ein Statement, ein Spiegelbild der persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die in der heutigen Zeit relevant sind.

Cristina, wir müssen über den 14.02.2025 reden, den wichtigsten Tag für alle Verliebten, aber auch den wichtigsten Tag für euch. Ihr feiert den Release eures neuen Albums Sleepless Empire“. LACUNA COIL klingen frischer und moderner denn je, wie ein Update, eine 2025er-Version. Wie denkst du persönlich darüber?

Ich stimme dem absolut zu. Wir sind unfassbar stolz auf das Album. Es ist wie ein Abbild unserer eigenen 2025er-Version, das, was wir mögen, wohin wir uns selber persönlich entwickelt haben, wo wir selber gerade stehen. Wir mögen alles an „Sleepless Empire“, die Songs, das Artwork. Wir haben uns wirklich sehr viele Gedanken zu dieser Scheibe gemacht und unser Herzblut da reingesteckt. Und so wie es aussieht, ausgehend von den Reaktionen, die ich bisher erhalten habe, scheint es jedem zu gefallen. Darüber bin ich sehr glücklich.

Lacuna Coil – Rockharz Open Air 2023

Du hast gerade davon gesprochen, dass eine Menge Herz in „Sleepless Empire“ steckt und das hört man sehr deutlich. Die Songs bringen einen sehr starken, emotionalen Vibe mit sich. Welche persönlichen Erfahrungen haben dich zu dieser Atmosphäre inspiriert?

Ich denke, die Emotionen sind so präsent, weil wir Themen auf den Tisch legen, die uns selbst beschäftigen. Das ist bei jedem Release von uns so. Ich könnte keine Songs schreiben, ohne darin einfließen zu lassen, was gerade um uns herum passiert oder was wir selber gerade im Leben durchmachen. Tourleben, mit Fans sprechen, Geschichten hören – all das bleibt bei dir und macht etwas mit dir. Das fließt dann automatisch auch in unsere Musik mit ein. Hinzukommen die alltäglichen Inspirationen, die auf uns einprasseln – wir lesen Bücher, schauen Filme, hören die Musik anderer Künstler, all das bildet Stein für Stein dieses neue Album.

Prägend ist auch die Tatsache, dass wir Zeiten kennen, in denen Floppy-Discs und richtige Kabeltelefone existierten, und jetzt ist alles digitalisiert – alles ist so schnelllebig. Im Bereich der Musik ändert sich alles so unfassbar schnell und wir als Menschen haben uns ebenfalls verändert. Es ist keine Kritik an der Gesellschaft, sondern mehr ein Aufruf zur Reflexion, wie sehr sich alles verändert hat und wie gefährlich die Digitalisierung für einen persönlich sein kann. Wir zwingen uns indirekt, uns in den sozialen Medien zu vergleichen, und alles ist mit einem Filter versehen.

Es hat sich so vieles verändert. Ich habe gerade mit einem anderen Journalisten über die Situation gesprochen. Früher bestand mein Job aus drei Aufgaben: Musik schreiben, auf Tour gehen und Interviews geben. Das war’s. Und heute? Heute musst du Content kreieren, mit den Fans interagieren, was mir natürlich viel Spaß macht, aber da wird dann manchmal auch eine Antwort innerhalb von wenigen Minuten erwartet und ich denke mir: „Ich habe nur zwei Hände. Ich habe auch noch ein normales Leben.“

Lacuna Coil Autogrammstunde – Rockharz Open Air 2023

Wie gehst du, als Person des öffentlichen Lebens, mit diesem ständigen Druck durch Social Media und die fortschreitende Digitalisierung um?

Ich bin natürlich auch Teil dieses schlaflosen Imperiums („Sleepless Empire“). Es ist eine Welt, die dir das Gefühl gibt, ständig produktiv sein zu müssen, ständig neue Sachen hochzuladen. Aber gleichzeitig wissen wir auch: Würden wir uns nicht öffentlich zeigen, dann gäbe es uns nicht mehr. Die Menschen würden sich nicht mehr für uns interessieren. Niemand würde nach uns suchen, wenn wir nicht präsent wären.

Ich kann von Glück sagen, dass ich in einer komplett anderen Umgebung aufgewachsen bin. So bin ich in der Lage, die zwei Seiten der Medaille zu sehen und besser zu realisieren, dass das reale Leben da draußen viel wichtiger ist. Diese ganze digitale Welt ist so fragil. Das Ganze kann von einer Sekunde auf die andere zusammenbrechen, aber das reale Leben wird immer da draußen sein. Freunde treffen, Konzerte besuchen, gemeinsam essen gehen – das wird immer Teil meines Lebens sein.

Aber es macht mir auch Spaß, Content zu kreieren, und ich genieße es, mit den Fans in Kontakt zu sein. Ich mag Twitch oder Instagram. Aber genauso weiß ich, dass da immer Platz für das reale Leben sein wird. Manchmal frage ich mich allerdings, wie es der Generation, die quasi mit dem Smartphone in der Hand geboren ist, geht. Sie hat den Vergleich zu früher nicht. Alles ist für sie da und direkt greifbar, erreichbar, unmittelbar. Alles ist machbar mit einem Phone oder einem Computer. Das ist schon sehr merkwürdig.

Lacuna Coil – Rockharz Open Air 2023

Den Vergleich zur Vergangenheit zu haben, ist Gold wert. Auf deine musikalischen Erfahrungen blickend: Ist es etwas, das dich über die Jahre entspannter gemacht hat, wenn es um die Arbeit an neuen Songs geht, oder bricht immer das kreative Chaos aus, wenn du mit der LACUNA COIL im Studio bist?

Nein, nein, wir sind mittlerweile viel entspannter bei den Studioaufnahmen. Das Einzige, was Druck erzeugt, sind die Deadlines, die uns natürlich vorschreiben, wann alles fertig sein muss. Für mich als Sängerin ist das der stressigste Teil. Wenn es heißt, ich muss in einer Woche alle Vocals perfekt im Kasten haben, ist das schon anstrengend. Ich gebe zu, dass der Aufnahmeprozess nicht der beste Teil des Jobs ist. Bezogen auf das Arbeiten an neuen Songs sind wir dahingehend entspannter, weil wir uns selber zugestehen, dass es auch Phasen gibt, in denen wir keinen kreativen Output haben. Aber irgendwann macht es dann einfach wieder „Klick“ und wir legen wieder los. Wir stressen uns nicht mehr damit, wir wissen, dass die Inspiration wieder von ganz alleine um die Ecke kommt.

Was war dein persönlicher „Wow-Moment“, in dem du bemerkt hast, dass dieses Album genau in die Richtung geht, wie ihr es euch vorgestellt habt?

Immer wenn Maki, unser Bassist und Produzent, und ich im Studio sind und an den Songs arbeiten, gibt es Momente, in denen wir einfach anfangen zu kichern wie kleine Kinder. Dann freuen wir uns über uns selbst, wie gut eine Aufnahme klingt. Wenn wir uns so verhalten, dann ist das das perfekte Zeichen dafür, dass gerade etwas Cooles vor sich geht.

Wie in der Schule bei einer Gruppenarbeit.

Genau so. Das muss doch alles Spaß machen. Kunst muss Spaß machen. Du musst es genießen können, dann ist es die beste Arbeit. Es ist uns wichtig, Gefühle mit unseren Songs hervorzurufen, in uns und in anderen. Das ist das ultimative Ziel.

Welche Nachricht möchtet ihr mit „Sleepless Empire“ an eure Fans richten?

Wir sind keine Band, die den Fans sagen möchte, was sie tun oder lassen sollen. Aber ich würde tatsächlich den Hinweis geben, sich wirklich die 45–60 Minuten Zeit zu nehmen, um das neue Album Song für Song zu hören und zu genießen. Es ist heutzutage einfach, mal hier und da einen Song zu veröffentlichen, aber ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, in denen ich super aufgeregt war und es kaum erwarten konnte, bis meine Lieblingsbands ihr neues Material veröffentlichten. Ich vermisse dieses Gefühl des Wartens, diese Anspannung und Vorfreude. Dann das Hören der ersten neuen Songs, ob sie mir noch gefallen oder ob vielleicht etwas dabei ist, was ich gar nicht mag. Die Momente, in denen ich ein neues Album immer und immer wieder gehört und mich richtig damit auseinandergesetzt habe. Das vermisse ich, denn heute rast alles so schnell an einem vorbei. Du schaffst es nicht einmal, einem unbekannten, neuen Künstler genug Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist eher ein kurzes Hereinhören und Weiterskippen. Das macht mich auch etwas traurig.

Vielleicht ist Sleepless Empire“ eine Einladung/Aufforderung, die Balance im Leben zu halten. Alles im Leben kann dich leicht aus der Bahn werfen. Deshalb versuche, bei dir zu bleiben, in Balance. Nutze die Medien bewusst, hab Spaß mit deinem Content, aber vergiss niemals, dass da draußen auch eine reale Welt auf dich wartet und dich braucht.

Hast du selbst einen persönlichen Favoriten auf „Sleepless Empire“?

Ich liebe Gravity“ auf jeden Fall sehr. Ich mag das Gefühl, das mir dieser Song gibt. Ergibt es Sinn, zu sagen, dass er mich auf eine gute Weise schwermütig macht? Da sind ein paar Stellen im Song, wo ich denke „Uff, ich weine gleich …“. Der Song erzählt außerdem thematisch von etwas, das wir alle schon mal erlebt haben. Wir haben alle schon mal unsere eigene Balance verloren. Das Gefühl, in der eigenen Blase gefangen und verloren zu sein und nicht zu wissen, wie es weitergeht.

Dann gibt es Songs auf dem Album, die aus unterschiedlichen Gründen klasse sind. „Sleep Paralysis“ ist extrem mächtig und intensiv oder auch „I Wish You Were Dead“ – der Vibe ist catchy, aber die Worte sind heftig. Diese Mischung aus dem happy, groovenden Sound und den düsteren Lyrics ist interessant. Ach, irgendwie mag ich alle Songs auf dem Album!

Wir müssen noch eine kleine, „nerdige“ Frage klären. Wäre „Sleepless Empire“ ein Reich, das zum Beispiel von Marvel oder DC erschaffen wurde, wo wären wir dann?

(Lacht) Ok, wenn es um ein Universum von Marvel oder DC geht, denke ich wegen der düsteren Atmosphäre spontan an BATMAN und Gotham City. Gotham City wäre ein geeigneter Schauplatz, denn in dieser Stadt passiert so viel, am Tag und in der Nacht. Das würde zum Thema „Sleepless“ passen. Eine andere, mehr auf Videogames bezogene Umgebung wäre Cyberpunk. In Cyberpunk gibt es ein sehr aktives Stadtleben und da passieren nachts auch die wildesten Dinge. Du versuchst einfach nur zu überleben und im Gleichgewicht zu bleiben. Wir wären wahrscheinlich alle eine Mischung aus Mensch und Roboter.

Lacuna Coil – Rockharz Open Air 2023

Wir sind fast am Ende unseres kleinen Gespräches. Die letzten Worte an die Leser von metal.de sind dir überlassen.

Ich möchte mich für das Gespräch bedanken und hoffe, dass jeder unserem neuen Album eine Chance gibt und sich unsere Videos anschaut, denn ich denke, wir haben uns wirklich weiterentwickelt und große Schritte nach vorne gemacht. Wir haben uns mehr getraut, haben mehr experimentiert. Aus meiner Sicht ist „Sleepless Empire“ ein wunderschönes Album geworden. Und natürlich hoffe ich, alle auf Tour zu sehen. Wir sind erst in Süd- und Nordamerika unterwegs. Dann spielen wir einige Festivals in Europa. Und wir planen gerade eine Europa-Tour für den Herbst 2025. Wir haben das Glück, touren zu können und mit unserer zweiten Familie unterwegs zu sein. Es hört sich stressig an, aber es ist ein großer Spaß. Wir lieben, was wir machen!

Quelle: Cristina Scabbia; Lacuna Coil
14.02.2025

It`s all about the he said, she said bullshit.

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