Lacuna Coil
Interview mit Andrea Ferro zu "Dark Adrenaline"

Interview

Lacuna Coil

Sie sind Italiens Exportschlager in Sachen Metal. Obwohl sie viele als „mainstream“ Metal abtun, spricht der Erfolg von LACUNA COIL für sich. Gleichzeitig genießen sie den Respekt von unzähligen Musikern, wie ihr buntes Durcheinander an Bands, mit denen sie gemeinsam touren, deutlich zeigt. Dies wird sich mit ihrem neuen Album „Dark Adrenaline“ nicht ändern. Und zu allem Überschuss stellt sich ihr Sänger Andrea als ein überaus freundlicher und begeisterter Gesprächspartner heraus. Lest selbst:

 

 

 

Andrea, wie geht es dir?

Sehr gut. Ein langer Tag mit sehr vielen Interviews. So ist es mit neuen Alben nun mal. Man macht viel Promo.

Wie lange seid ihr denn schon am werben?

Wir haben erst gestern angefangen, denn vorgestern sind wir erst von der Tour zurück. Ich kam von Holland nach Deutschland, morgen und übermorgen sind wir in Paris, dann für eine Nacht nach Milan und danach spielen wir einen Gig in Griechenland. Nächste Woche geht dann die Promo in Italien los.

Werdet ihr bei diesem Gig neue Stücke spielen?

Ja, zwei. Die Single ‚Trip The Darkness’ und einen weiteren Song vom neuen Album, den wir zum ersten mal spielen werden.

Na gut. Erzähl uns mal genauer davon was „Dark Adrenaline“ eigentlich bedeutet.

Im Prinzip kommt der Titel von der Tatsache, dass die meisten Bandmitglieder in den letzten Paar Jahren durch relativ schwere Zeiten gegangen sind. Nichts verrücktes oder so. Einfach Dinge, die im Leben nun mal passieren. Man verliert seine Freundin, muss sein Haus aufgeben oder ein Verwandter stirbt. Normale Dinge, die jedem passieren können. Trotzdem spürten wir irgendwie, dass da viel Negatives um uns herum war. Wir versuchten also dieses Negative irgendwie zu benutzen, um etwas Kraftvolles daraus zu erschaffen. An dem Tag, als das Songwrighting begann, war klar, dass es düsterer und heavyer als der Vorgänger sein würde. So fühlten wir uns nun mal zu dem Zeitpunkt und daher stammte auch unsere Inspiration. Es war gut diese Energie zu kanalisieren und in etwas anderes umzuwandeln.

Eine Art Selbsttherapie also?

Ja, etwas in der Art. Ich denke, dass das Dunkle an sich eine sehr gute Inspirationsquelle ist. Wenn du ein Künstler bist, bekommst du die meisten guten Einfälle, wenn es dir nicht so gut geht. Man reflektiert die Vergangenheit und daraus ergibt sich ein Output. Viele großartige Werke wurden von übel gelaunten Künstlern erschaffen.

Sind die Songs denn irgendwie verbunden, außer durch die negative Energie?

Es ist kein Konzeptalbum mit einer einheitlichen Story. Alle Lieder beruhen auf Lebenserfahrungen, aber sie haben kein einheitliches Thema. ‚Against You’ wurde beispielsweise durch die Ereignisse in Nordafrika inspiriert. Diese Revolution, die erst im Internet angefangen und dann auf die Strassen herausgetragen wurde. Wir Mitteleuropäer begehren nur selten gegen Autoritäten auf, denn hier gibt es das bequeme Leben des Mittelstandes. Diese Leute zeigten jedoch, dass man mit viel Mut sehr dicke Ketten sprengen kann. Der Song ist genau so wenig politisch, wie die Band an sich. Wir gehen nicht zu sehr in die Tiefe. Doch die Tatsache, dass Menschen ihr eigenes Leben riskieren, um etwas zu bewegen war sehr beeindruckend. Dann gibt es den letzten Song des Albums ‚My Spirit’, den wir Pete Steele von TYPE O NEGATIVE gewidmet haben. Er war nicht nur eine große Inspiration, sondern auch ein guter Freund. Wir sind eine lange Zeit mit der Band getourt und wurden Freunde. Jedes Mal, wenn wir eine Show in New York gespielt haben, kam er vorbei. In der Nacht, in der wir von seinem Tod erfahren haben, schrieb unser Bassist Marco den ganzen Song am Stück.

In einem früheren Interview hast du mal gesagt, dass du „Comalies“ als ein sehr düsteres Album beschreiben würdest, „Karmacode“ als ein metalisches und „Shallow Life“ als ziemlich rockig. In welche Richtung geht „Dark Adrenaline“?

Ich denke, es ist ein sehr erwachsenes Album. Man findet dort sehr heavy rockende Stücke, welche mit viel Epik und den großen Refrains und auch Balladen. Es gibt eine große atmosphärische Vielfalt mit Höhen und Tiefen. Auch die Lyrics und die Arrangements sind eine Mischung aus unserer alten Vorgehensweise und neuen Impulsen. Ich denke der Mix ist gut gelungen.

Wie hat sich die Musik für das Album entwickelt?

Marco, unser Hauptsongwrighter, hat letztes Jahr mit dem Schreiben angefangen. Während einer Tour hat er sich die Schulter verletzt. Er musste in Therapie und es dauerte sechs oder sieben Monate, bis er wieder ganz geheilt war. In dieser Zeitspanne hatte er die Möglichkeit viele Ideen zu sammeln. Als wir im Dezember dieses Jahres angefangen haben uns ernsthaft mit dem Schreiben zu beschäftigen, hatte er bereits zwischen vier und fünf Songs, die recht weit fortgeschritten waren. Ich und Christina konnten sofort mit der Arbeit an den Gesangsparts beginnen. Für den Rest gingen wir jeden Tag in Marcos Keller, wo er sich ein winziges Studio eingerichtet hat. Dort haben wir zusammen an den Ideen getüftelt, bis das Album Gestalt angenommen hat.

Ihr wisst ziemlich genau, wie LACUNA COIL zu klingen hat. Wie schwer ist es dabei frisch und innovativ zu bleiben?

Es kommt wirklich immer auf die Inspiration an. Man kann gar nicht so viel kontrollieren. Marco schreibt beispielsweise nur nachts. Dabei lässt er oft den Fernseher ohne Ton laufen und schaut sich Kriegsdokumentationen oder Horrorfilme an. Dies kreiert Bilder in seinem Kopf. Das inspiriert ihn. Es gibt unterschiedliche Weisen das Ganze spannend zu halten. Und als Band haben wir uns immer bemüht so frisch wie möglich zu klingen. Jedes Album gab es neue Elemente. Wir wollen nicht immer wieder das Gleiche Album schreiben. Ab und zu kommen uns auch schlechte Ideen, die nicht funktionieren. Natürlich wäre eine Wiederholung des Bekannten einfacher, aber so sind wir einfach nicht.

Trotzdem habt ihr euren altbekannten Produzenten Don Gilmore beibehalten. Doch ein wenig von „Never change a winning team?“

Yeah. Ich meine – auf „Shallow Life“ haben wir einige Dinge ausprobiert, die sehr gut funktionierten. Damit waren wir sehr zufrieden. Außerdem haben wir ein gutes Verhältnis zu Don und da wir uns jetzt schon kannten, war es leichter noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Gemixt hat er das Album aber nicht. Wir wollten, dass es jemand macht, der mehr aus der Rock Ecke kommt. Das war Marco Maruozzo ein guter Freund von uns, der schon an „Karmacode“ beteiligt gewesen ist.

Das neue Material scheint perfekt für die Bühne geeignet zu sein. Catchy Riffs, singalong Refrains – habt ihr die Live Performance im Hinterkopf, wenn ihr komponiert?

Ja, definitiv. Auf einer Live Show spielen wir am liebsten das härtere Zeug. Wir stehen auf das Adrenalin und wenn das Publikum durchdreht und hüpft. Wir waren nie eine klassische Gothic Band, sondern kommen aus der Metal Ecke. Dementsprechend mögen wir auch unsere Konzerte energiegeladen. Und da wir wissen, dass wir unsere Lieder einige Jahre lang spielen werden, wollten wir auch dass sie auf der Bühne Spaß machen.

Wo wir schon über Live Shows reden – es ist sehr beeindruckend, dass ihr scheinbar zu fast jeder Band als Support passt. Ihr habt mit ROB ZOMBIE und LAMB OF GOD, MEGADETH und KILLSWITCH ENGAGE getourt und es war immer erfolgreich. Was ist deiner Meinung nach der Grund?

Ich denke wir sind einfach kein Klischee. Natürlich wurden auch wir zu den Anfängen von Bands wie TYPE O NEGATIVE oder PARADISE LOST beeinflusst. Mit der Zeit mischten wir unseren Sound jedoch mit so vielen Elementen. Das passt einfach in keine Schublade. Natürlich sind wir eine ziemlich düstere Band. Aber gleichzeitig können wir auch sehr metalisch oder alternativ klingen. Deswegen konnten wir mit so unterschiedlichen Musikern auskommen. Im Januar gehen wir mit MEGADETH, MOTÖRHEAD und VOLBEAT auf Tour in Nordamerika. Danach kommen wir nach Südamerika mit LAMB OF GOD und HATEBREED. Es funktioniert wirklich gut für uns.

Und ihr wurdet niemals ausgebuht?

Nein, um ehrlich zu sein ist es nie passiert. Es gibt ab und an Leute, die nicht allzu begeistert sind, aber es wollte uns niemals jemand von der Bühne haben.

Haben denn einige der Bands, mit denen ihr unterwegs wart Spuren in euer Musik hinterlassen?

Ich denke schon. Wenn man live mit so vielen Profis spielt, lernt man immer dazu und schaut sich das Eine oder Andere bei ihnen ab. Ich denke es ist normal.

Erzähl uns etwas über deinen eigenen musikalischen Hintergrund.

Ich bin wie viele Metal Kids aufgewachsen. METALLICA, SLAYER, ANTHRAX oder MEGADETH. All die klassischen Thrasher. Außerdem hörte ich viel Hardcore und Punkrock, denn ich war ein Skater und an den alternativen Seiten des Rocks interessiert. Mittlerweile kann ich wirklich sagen, dass ich alles höre. Wenn du in meinen I-Pod schauen würdest, fändest du da echt abgefahrenes Zeug. Beispielsweise LADY GAGA für irgendwelche lustigen Momente. Aber auch extremere Musik oder mehr qualitative wie PINK FLOYD und andere 70er Bands. Aber im allgemeinen ist das Meiste Rock und Metal.

Gibt es jemanden in der Band, der gar keinen Metal hört?

Wir haben alle einen relativ ähnlichen Geschmack. Für jede Tageszeit gibt es irgendwie die richtige Musik. Jeder von uns kann auf einer Party die CHEMICAL BROTHERS hören oder CANNIBAL CORPSE, um etwas richtig wuchtiges zu haben. Wir sind alle sehr offene Menschen.

Mal etwas anderes – 2007 wart ihr Headliner bei einer Tour mit dem Namen „The Hottest Chicks In Metal“. Viele Bandfotos von LACUNA COIL rücken Cristina sehr in den Vordergrund. Wie wichtig ist für euch diese weibliche Sexualität?

Wir waren eine der ersten Metalbands mit einer Frontfrau. Damals gab es das noch nicht so oft. Natürlich war es etwas besonderes für unsere Fans und vor allem für die Presse. Ein besonderes Image, das neugierig gemacht hat. Es hat uns mit Sicherheit geholfen. Nichtsdestotrotz hat Cristina immer wieder bewiesen, dass sie eine tolle Sängerin und wir eine gute Band sind. Wir haben in vielen Ecken der Welt gespielt und waren bei ganz vielen unterschiedlichen Menschen willkommen. Das Image kann noch so toll sein – man muss es mit einer guten musikalischen Qualität absichern. Wenn es nur das Image gibt, fangen die Probleme an. Menschen sind nicht dumm – es würde nicht funktionieren.

Nächstes Jahr geht ihr auf Welttournee. Werdet ihr für euch unbekannte Orte besuchen?

Hoffentlich. Südafrika, China und der Osten. Letztes Jahr waren wir in Indien und Transsilvanien. Wir werden immer internationaler. Der Plan ist mindestens ein Jahr lang zu touren.

Wo habt ihr denn eure größte Fanbase?

Wahrscheinlich in Europa. Italien, UK, aber auch Nordamerika und den USA. Wir haben an vielen Orten Fans, aber dort verkaufen wir die meisten Alben und spielen die größeren Hallen.

Die letzten Worte gehören dir.

Gebt dem neuen Album eine Chance und kommt vorbei, wenn wir wieder in Deutschland sind!

19.01.2012
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