Lurid Trace
Lurid Trace

Interview

Aus dem bayrischen Neuburg an der schönen Donau stammen LURID TRACE, die sich nach ihrem "Final Progression"-Output wesentlich verlässlicheren Orakeln als einem ominösen Spiegel an der Wand zugewendet haben, um das aktuelle Demo "We Are The Hollow" einzuspielen. Wer einen derartigen Entwicklungssprung tut und mit durchdachtem Thrash aufzuwarten weiß, dem müssen schon mal ein paar Fragen gestellt werden. In diesem Falle Martin Karmann (Klampfe), Matthias Pletz (Klampfe, Gesang) und Sebastian Wagner (Bass).

Lurid TraceGrüße nach Burgheim!
Eure Demo-Scheibe hat bei mir recht prächtig eingeschlagen und stellt vor allem eine weitgreifende Verbesserung im Vergleich zu “Final Progression“ dar. Ihr habt doch nicht etwa auf mich gehört?

Martin: Eigentlich nicht. Der Songwritingprozess hat sich bei uns einfach grundlegend geändert. Wir spielen eigentlich nur das, was uns Spaß macht. Und wenn das auch anderen als uns gefällt, umso besser.

Sebastian: Es gibt einen Hauptgrund, der meiner Meinung nach zu der anscheinend hörbaren Verbesserung des Songwritings führt und das ist, dass die Songs nun in einem gemeinsamen, wenn auch bisweilen sehr langen Prozess entstehen und nicht wie “früher“ von den Gitarristen in der Bandprobe vorgestellt und so eingespielt werden.

Wie seid ihr denn mit den Reaktionen auf “We Are The Hollow“ im Allgemeinen zufrieden?

Martin: Ich warte immer noch auf eine richtige Eins. Bisher hatten wir ja eher Zweien auf hohem Niveau, mit Ausnahme weniger Verrisse.
Aber die Reaktionen waren wie gesagt bisher eher positiver Natur. Das zeigt zumindest mir, dass unsere jetzige Arbeitsweise funktioniert.

Sebastian: Zu den redaktionellen Kritiken, hat Martin bereits alles gesagt. Ich freue mich vor allem über die sehr guten Reaktionen der Hörer. Da weiß man, weshalb man sich den Stress und die Arbeit macht.

Bei der Qualität der neuen Songs werdet ihr live sicherlich jetzt noch besser ankommen…

Sebastian: Unser größter Vorteil ist sicherlich, dass nun Leute auf unsere Konzerte kommen und, ob aus dem Netz oder der Demo, einige unserer Songs kennen. Oftmals steht uns nur noch der etwas schlechte Bühnensound im Weg.

Martin: Sebastian hat’s schon angedeutet. Teilweise stehen uns die akustischen Gegebenheiten vor Ort im Weg bzw. unsere eigene Lautstärke und die Nerven einiger Mischer, ha ha. Wir sind von Natur aus so laut, dass manchem Mischer halt wirklich Tränen in den Augen stehen. Oft bräuchten wir die P.A. nur noch für den Gesang. Da aber die wenigstens Mischer den Mut haben, das auch wirklich durchzuziehen, geht hin und wieder der Gesang unter, was bei uns ja nicht gerade von Vorteil ist. Lange Rede, kurzer Sinn: die meisten Besucher sind sagen wir mal … beeindruckt. Was auch am Knalltrauma nach unserem Gig liegen könnte…

Nebenbei: Wer sind denn die “Hohlen“?

Matthias P.: Der Text zu „We Are The Hollow“ ist inspiriert von T. S. Elliots Gedicht „The Hollow Men“. Es handelt von der Entfremdung des Menschen von sich selbst und von einem Dasein hinter der Maske, die uns für andere ungreifbar macht. „Die Hohlen“ sind die emotional Leeren und Abgestumpften, die sich in materialistischen Abenteuern verlieren und am Ende vollkommen ausbrennen. Was wir wollen ist oft nicht das, was wir brauchen und was wir lieben, zerstören wir.

Wer ist denn fortan mit dem Songwriting betraut? Das scheint Euch ja jetzt wesentlich besser von der Hand zu gehen…

Martin: Im Endeffekt ist es seit 2005, also seit wir in dieser Besetzung zusammen spielen, so, dass wirklich alle vier in der Band in den Songwritingprozess eingebunden sind. Dementsprechend muss sich jeder mit jedem Song anfreunden können, damit er gespielt wird. Wir sind mittlerweile – im Gegensatz zu früher –
meilenweit von einem Soloprojekt entfernt und bilden eher so was wie eine kleine Banddemokratie. Allerdings würde ich schon sagen, dass das visionäre Element weiterhin in Matthias (Pletz) Hand liegt.

Sebastian: Mit dem Ausspruch Banddemokratie hat Martin es gut getroffen, wobei natürlich die einzelnen Mitglieder mit unterschiedlicher Härte hinter ihrem “Programm“ stehen.

Beschränkt sich die Demokratie auf Songwriting/Texte oder muss jede Entscheidung mehrheitsfähig sein?

Sebastian: Da wir uns alle schon fast unser halbes Leben kennen, treffen wir eigentlich alle Entscheidungen gemeinsam.

Martin: Richtig. Und das kann schon mal dauern, ha ha. Konsensdemokratie ahoi!

Was mir zudem an der neuen Platte aufgefallen ist, ist der ebenfalls verbesserte Sound, welcher eine Eigenproduktion doch recht ansprechende ausfällt. Erzählt uns kurz über die Aufnahmen.

Martin: Man nehme: Einen Sänger, der ausgebildeter Audio Engineer ist. Dann einen Proberaum, der gut isoliert ist. Mehrere Kästen Bier, zig Schachteln Zigaretten, eine Riesenportion Wahnsinn, und schon kann das Recording-Armageddon beginnen.
Wir haben den ganzen Kram wirklich im Proberaum aufgenommen. Alles! Bei uns geht’s auch nicht anders, weil die Bandkasse es einfach nicht hergibt, dass wir wenigstens das Schlagzeug in einem Studio aufnehmen könnten. Also haben wir uns ein eigenes Mikrofonset zugelegt. Das Schlagzeug wurde komplett live aufgenommen, ohne Klicktrack, wenn das von Interesse sein sollte. Die Gitarrensounds kommen aus einem Line 6 Pod XT. Der Bass wurde genauso direkt in den PC rein aufgenommen.
Die Aufnahmen für Gesang und Schlagzeug waren teilweise echte Glücksspiele. Wir proben nämlich in einem kleinen Proberaumkomplex. Wenn da also irgendeine Band zufällig ihre Probe hatte, waren wir am Arsch und durften erst mal warten, bis die wieder fertig waren. Irgendwie haben wir’s aber trotzdem geschafft, das Schlagzeug und die Gitarren an vier aufeinander folgenden Wochenenden im Oktober und November 2007 einzuspielen. Dann hatten wir ne unfreiwillige Pause von drei Monaten zu verkraften. Dementsprechend wurden Bass und Gesang erst 2008 in Angriff genommen.

Kann sich in fast jeder Hinsicht hören lassen.
Dazu kommt die wesentlich bessere Sangesleistung, die dem Besetzungswechsel von David zu Matthias geschuldet ist. Wie sieht es mit der Doppelbelastung aus? Wird das aktuelle Line-Up dergestalt zukunftsfähig sein?

Matthias P.: Bei der Art von Musik, wie wir sie spielen, kann man der Doppelbelastung als Sänger und Gitarrist nur mit massivem Training begegnen. Ich nehme, wie David früher, Gesangsunterricht, um meine Technik zu verbessern. Das allein würde mich aber nicht zu einem guten Sänger für LURID TRACE machen, vielmehr sind absolute Hingabe und eine Vision für den Sound der Band gefragt. Darüber hinaus sollte man auch bereit sein, dafür seine Stimme zu ruinieren. He, he, he…

Das heißt, ihr sucht irgendwann nach einem Komplettfronter, wenn dir die Stimmbänder im Schritt baumeln? Bei dem Weg: Habt Ihr eigentlich noch Kontakt zu den ehemaligen Mitgliedern?

Martin: Puh, der Kontakt zu den Mitgliedern der “Final Progression“-Phase ist abgerissen. Nur zur Urbesetzung besteht noch ein regelmäßiger Kontakt.

Sebastian: In den nunmehr zehn Jahren, die diese Band besteht und die seit dieser Zeit einer der wichtigsten Faktoren meines Lebens geworden ist, habe ich viele Gesichter kommen und gehen sehen. Es sind Freundschaften entstanden und Freundschaften kaputt gegangen. Im Großen und Ganzen haben ich bzw. wir keinen Kontakt mehr zu den Ex-Mitgliedern.

Ein musikalisches Vorbild, das man bei euch ausmachen kann, habe ich bereits im Review genannt; wer sind Eure anderen Einflüsse?

Martin: In meinem Fall glaube ich, dass METALLICA, EXODUS und NEVERMORE die größten Auswirkungen auf meine Gitarrenriffs haben. Im Allgemeinen sind es die bekannteren Bay-Area-Thrash Bands bzw. der dazugehörige Stil, die mein Gitarrenspiel am meisten beeinflussen.

Matthias P.: Musikalische Inspiration finde ich bei Indie Bands wie KLAXONS genauso wie bei Thrash-Kapellen wie EXHORDER. Genrefremde Einflüsse: JOY DIVISION, KILLING JOKE, THE DOORS und QUEENS OF THE STONE AGE, aber den Kern bilden MEGADETH, VOIVOD, KREATOR und SEPULTURA.

Sebastian: Das Standard-Programm eines Metallers, der Ende der 80ger in der bayerischen Provinz eingeschult wurde: MAIDEN, HELLOWEEN, BLIND GUARDIAN, MANOWAR, MOTÖRHEAD usw. gepaart mit einigen pubertär bedingten persönlichen Problemen, die noch nicht überwunden sind…

Wo wir da gerade bei Bands wie EXODUS sind; wie haben sich eurer Meinung nach die Altmeister des Genres Thrash in den letzten Jahren und mit den letzten Veröffentlichungen geschlagen? Welche der Bands sind auch heute noch essentiell?

Sebastian: Es werden immer noch gute Alben von den alten Größen veröffentlicht.

Martin: Hm, das was man zu hören kriegt, ist teilweise doch eher durchwachsen; find ich zumindest. Fangen wir mal mit EXODUS an: Auch wenn mir die harte Old-School-Fraktion gleich ins Gesicht scheißt, “Tempo Of The Damned“, „Shovel Headed Kill Machine“ und “The Atrocity Exhibition … Exhibit A“ dürften zu den besten Alben der Band zählen. “Bonded By Blood“ durch eine Neuaufnahmen zu versauen find ich zwar verzichtbar, aber trotzdem sind EXODUS ein positives Beispiel für die “alten Säcke“.
Bei TESTAMENT hätte ich eigentlich ein extremeres und etwas höherwertiges Album erwartet nach so einem Monolithen wie “The Gathering“. Letzteres Album und “Low“ haben in der “fernen Vergangenheit“ ja bewiesen, dass da Einiges geht.
Ah, natürlich muss ich jetzt auch noch die Band runtermachen, die mich überhaupt erst dazu gebracht hat, eine Klampfe in die Hand zu nehmen: METALLICA. “Death Magnetic“ wäre ein sehr gutes Album, wenn Rick Rubin METALLICA gezwungen hätte, “The Day That Never Comes“, “The Unforgiven III“ und irgendwie auch “Suicide & Redemption“ nicht aufs Album zu packen. Und naja, Hetfield hat auch schon mal besser im Studio gesungen…
Wen haben wir den noch? Ach so, SLAAAAAAAAAAYEEEEEEEEEEEEER! Gut, “Christ Illusion“ war nicht ganz “Reign In Blood“, aber trotzdem ein Klasse-Album.
ANTHRAX sind ja seit einer Weile schon nicht mehr unter Thrash Metal einzustufen, aber irgendwie hab ich trotzdem Angst vor einem neuen Album.
Zu MEGADETH: Wann wird “Peace Sells …Teil II“ veröffentlicht?!
Zur deutschen Szene um KREATOR, SODOM und DESTRUCTION kann ich leider nix sagen. Ich hab’s nicht so mit Teutonenstahl.
Aber ich hab Angst vor der Zukunft: FORBIDDEN! Muss da wirklich ein neues Album sein??? Und EXHORDER!!! Verdammt, wieso sollte man nach “Slaughter In The Vatican“ und “The Law“ noch Bock haben, neue Songs zu schreiben??? Es wurde doch schon alles gesagt verdammt.
Also, essentiell bleiben trotzdem alle genannten Bands! Thrash-Metal-Grundwissen ist von den guten Alben der genannten Bands zu beziehen!!
Die Musikerpolizei hat gesprochen,ha ha.

Wann wird uns ein denn ein komplettes Album von euch ins Haus stehen?

Martin: Dazu muss erst mal ein Deal her. Wir haben bei den Aufnahmen zu “We Are The Hollow“ nämlich gemerkt, dass es verdammt aufreibend ist, sich aus Kostengründen um alles selber kümmern zu müssen. Wenn wir da also ein Album mit etwa zehn Songs in Eigenregie aufnehmen und produzieren würden, würde das die Band mehr oder weniger monatelang lahm legen.

Sebastian: Plattenvertrag!

Wohin soll die Reise gehen? Wie könnte sich das neue Material anhören?

Sebastian: Mal sehen. Das wissen wir glaube ich selbst noch nicht. Ich denke, es wird Metal sein.

Martin: Ich kann da schon mit mehr dienen. Von meiner Seite wird’s ein paar Verbeugungen vor der alten Schule geben. Aber die eher singbaren Teile werden auch nicht außen vor bleiben. Im Grunde hab ich vor, den Stil des Demos weiterzuführen und zu verfeinern.

Wie sehen die langfristigen Pläne von LURID TRACE aus, gerade im Hinblick auf Touren?

Martin: Bisher fehlen uns leider die Connections zu Veranstaltern. Wir haben viel zu wenige Gigs, wollen aber welche spielen. Wer sich jetzt angesprochen fühlt und uns aus unserer Lage befreien will, der soll mal Kontakt mit uns via Homepage aufnehmen.

Sebastian: Siehe meine vorherige Antwort.

Dann noch mal ein Nachschlag zur vorherigen Frage: Habt ihr schon was in Aussicht? Welches wäre das Label eurer Wahl, solltet ihr euch eines aussuchen können?

Sebastian: Da wir uns noch nie wirklich mit einer Demo beworben haben, was natürlich auch an den verschiedensten Besetzungswechseln lag, haben wir noch nichts in Aussicht. Label der Wahl? Da stellt sich die Frage, ob wir erst mal klein anfangen oder uns gleich etwas Großes wie Nuclear Blast oder Century Media raussuchen, he he. Aber, da ich nicht damit rechne, dass wir uns ein Label aussuchen können, mal schauen, wer uns zurückschreibt. Aber aus den oben genannten Labels kannst du sehen, was mir gefallen würde.

Fein, hoffen wir mal, dass eure Fertigkeiten von Label-Seite genügend Achtung erfahren und in Bälde ein Vertrag ins Haus steht. Zum Abschluss vielleicht noch die Frage: Wie wird der Metal in 2009 im Allgemeinen aussehen?

Martin: Metal Thrashing Mad!!!

Sebastian: Genauso wie 2008.

Und wie sieht er 2030 aus?

Martin: Puh 2030… Ich glaube nicht, dass sich Metal fundamental ändern wird. Vielleicht wird er sich aus technischen Gründen anders anhören, aber er wird sich immer noch gleich anfühlen, aber natürlich mit einer Prise des Lebensgefühls der jeweiligen Dekade.

Sebastian: Die Leute werden anfangen, bei alten Klassikern wie “We Are The Hollow“ zu klauen.

Zum Schluss wie immer an dieser Stelle die mehr als exklusiv zu bezeichnende Möglichkeit, sich direkt und ungefiltert an die hehre Leserschaft von metal.de zu wenden:…

Martin: LURID TRACE anhören, unsere Homepage besuchen, sich den Kram runterladen, süchtig werden, zu unseren Konzerten kommen und uns zu euch holen. Das will ich von und für euch Leute!

21.01.2009

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