Monolord
"Ich habe dein Eindruck, wir haben den "Point Of No Return" bald erreicht oder sind vielleicht sogar schon drüber..."

Interview

metal.de: Dann war das eine Fehleinschätzung von mir, ich dachte du wärst auch für Produktion zuständig.

Esben:  Nein, nur fürs Mixing und Mastering häufig. Wie schon gesagt, die Produktion ist zwischen uns Dreien. Was deine andere Frage angeht: Da könnten wir eine dreistündige Diskussion raus machen. Ich denke ja, ein Drummer hat eine spezielle Sichtweise auf Produktion und Mastering. Ich meine, jede Person bringt letzten Endes ihre eigene, individuelle Sichtweise mit hinein, egal was für ein Instrument du spielst. Als wir gemeinsam unser erstes Album aufgenommen haben war meine Erfahrung als ausgebildeter Audio-Engineer natürlich eine andere als die von Thomas und Mika, die das nicht sind, aber ich denke, das ist sogar gut. Wir hören nämlich alle von einer musikalischen Perspektive und die ist zwischen uns auch sehr unterschiedlich. Und ich bin eigentlich nur derjenige, der der Band hilft das zu „übersetzen“.

Falls das Sinn macht. Wir arbeiten so viel zusammen, Thomas und Mika sind eigentlich immer sehr eng mit eingebunden in den Sound und natürlich lernt man auch über die Zeit wie gewisse Dinge funktionieren. Ich glaub tatsächlich ist meine Aufgabe als Audio-Engineer, auch für andere Bands, quasi die des „Übersetzers“ zu spielen. Die Idee mit der Backline hatte ich schon sehr früh und die hat uns sehr geholfen. Denn live soll der Bass die Gitarre unterstützen und so weiter, wir komplettieren uns gegenseitig. Also wenn irgendjemand sagt, Mika oder Thomas haben den besten Basssound oder Gitarrensound, macht mich das natürlich froh, aber darum geht es eigentlich nicht. Es geht darum, dass wir zusammen funktionieren. Es gibt keine Einzelgänger bei MONOLORD, es muss alles zusammenkommen. Also ja, ich denke schon es beeinflusst Dinge, aber vielleicht anders, als du denkst. Ich hoffe, dass war einigermaßen verständlich erklärt.

Auf „Empress Rising“ war unser Anspruch, die verdammt nochmal heavieste Musik zu machen, die es gab. Uns war es egal ob das letztlich Doom, Stoner oder Sludge war oder als was das gelabelt wird, wir wollten einfach nur „heavy“ sein. Also haben wir genau das gemacht. Und meine Rolle war das wahr zu machen. Und das beinhaltet natürlich alles: Von Mic-Placement bis hin zum Arbeiten für die Backline und so weiter. Es ist hart in Worte zu fassen, auch weil unsere Rollen glaube ich nicht wirklich definiert sind und so arbeiten wir seit Tag 1. Und ich finde das fantastisch. Was zum Beispiel schlechte Produktionen angeht, ich glaube oft vergisst man den Sinn fürs Große Ganze und konzentriert sich zu sehr auf einzelne Parts. Die mögen sich einzeln alle super anhören, aber es muss eben zusammen passen. Wenn man das nicht beachtet, verliert man etwas und die Musik, die Band fühlt sich nicht nach einer Entität an.

metal.de: Ja, das macht total Sinn. Und spart natürlich auch Arbeit, denn wenn die Backline einmal richtig eingestellt ist und läuft und man sich daran quasi als Band hält, klingt man auf Platte und auch live relativ gleich. Ich finde so viele moderne Bands klingen live komplett anders als im Studio, da auch viel „Studiomagic“ involviert ist. Durch eure Herangehensweise gibt es jedesmal einen verlässlichen Sound und das ist fantastisch. Meine Frage zum Vorgehen: Um euren Sound zu bekommen, der sehr heavy, aber auch abgestimmt ist, wie du schon bemerktest, probiert ihr erst den richtigen Sound zu finden und dann mit dem Songwriting zu beginnen oder probiert ihr den bestmöglichen Sound auf eure Songs im Nachhinein anzupassen?

Esben: Hundertprozentig das letztere. Wir arbeiten mit dem Songmaterial, was wir haben und da wir eigentlich konstant schreiben, müssen wir anschließend nur noch den Sound finalisieren. Meist kommt Thomas mit Ideen und wir probieren dann Dinge aus, manchmal nehmen wir es direkt wie es kommt, manchmal ändern oder verwerfen wir Sachen, aber dann kümmern wir uns eigentlich erst um den Sound. Es hat ein bisschen was von Frankenstein, wir setzen viele Dinge um und nähen sie zusammen, die eigentlich nicht passen und so weiter (lacht). Und wenn wir die Form eines Songs final haben, kümmern wir uns um das Zusammenbringen von Songs.

Wenn sich das dann nach einem Album anhört und einen gewissen Vibe spüren, probieren wir das über die Arbeit am Sound dann noch in gewissen Teilen zu artikulieren oder verbessern. Dafür verlassen wir uns auch zu einem großen  Teil auf Erfahrung. Weil wir eben so viel zusammen gespielt haben und auf Tour gelernt haben wissen wir, wie wir klingen müssen, was wir können und nicht können. Ich glaube, dass das auch wichtig für den kreativen Prozess ist und sogar befreiend sein kann:

Wenn du weißt wo deine Grenzen liegen, kannst du innerhalb derer arbeiten. Natürlich sollte man probieren über seine Grenzen zu kommen und über den Tellerrand zu schauen, aber ich glaube sie zu kennen und auch irgendwann zu akzeptieren ist viel wichtiger. Das ist das Wunderbare an der Musik: Man kann wenig Ahnung haben, nichts von Musiktheroie verstehen, sie darf simpel sein, kann aber trotzdem groß und berührend im Ergebnis sein. Denn jeder Mensch hat etwas, was er ausdrücken kann. Das trifft auf uns glaube ich auch zu: Wir wissen was wir im Feld von MONOLORD tun können und was nicht, wo man den Sound expandieren kann und was vielleicht eher nicht funktioniert. Wir haben in dem Sinne glaube ich keinen richtigen Prozess um Resultate zu bekommen. Wenn du uns mitten im Prozess des Album-Schreibens begleiten würdest oder dazu kommst, hättest du wahrscheinlich die Hände über den Kopf zusammen geschlagen und wärst raus gegangen (lacht).

Was zur Hölle machen diese Typen da? Aber ich glaube als Musiker wird man mindestes einmal in seinem Leben an dem Punkt sein wo man denkt: „Das hört sich furchtbar an, ich verbrenne mein Instrument und spiele nie mehr.“ Da muss man durchgehen, das Gefühl kommt auch immer mal wieder. Es ist schrecklich, aber igendwann geht’s auch wieder besser und am Ende ist man dann trotzdem stolz auf das Werk. Und innerhalb dieses Prozesses fühlen wir uns einfach wohler und wohler mit steigendem Alter. Es ist chaotisch, wird aber schon was werden, das ist so die Einstellung bei uns (lacht).

metal.de: Die Lyrics sind ja diesmal durchaus anklagend und teilweise hoffnungslos. Hat Corona da die Spuren hinterlassen oder seid ihr schon seit jeher eher auf der Pessimisten-Seite?

Esben: Ja, ich glaube wir sind alle Pessimisten mit einem Lächeln (lacht). Ich glaube in unseren alltäglichen Diskussionen sind wir alle in der Band schon ziemlich zynisch. Und in gewisser Weise ist auch die Musik die wir machen ein Outlet dafür. Und das fühlt sich toll an. Ich persönlich bin happy, ich hab ein tolles Leben und kann Musik machen. Aber das hängt auch damit zusammen, dass ich eben durch die Musik auch ein Outlet für alle negativen Emotionen habe. Thomas schreibt die Lyrics, aber wir stehen alle in der Band trotzdem zu hundert Prozent hinter diesen Texten. Es ist tatsächlich sehr desolat da drin. Wir denken der Planet ist ziemlich am Arsch. Hm… vielleicht nicht der Planet selbst, aber wir als Menschen da drauf. Ich bin ein Vater und habe Angst, dass meine Kinder eine schlechte Zukunft haben können.

Ich hab den Eindruck, wir haben bald den Point of no Return erreicht oder sind vielleicht sogar schon vorbei und es bringt nichts, das noch abzustreiten. Dieses blinde Vertrauen auf Technik oder Wissenschaft – „Irgendwie werden die es schon richten“ – finde ich falsch, ich mein, es ist bis jetzt noch nichts großartig passiert, wieso sollte es noch passieren? Wir entwickeln uns als Menschen nicht weiter, wir stagnieren oder gehen sogar eher zurück. Eigentlich sollten wir in diesem Zeitalter auf einem Höhepunkt der Entwicklung sein, intellektuell gesehen, und stattdessen diskutieren wir mit Leuten, die selbst so gut wie keine Ahnung haben, was Fakten sind und was nicht, verstehst du was ich meine?

Alles was einem nicht in den Kram passt sind „Fake News“. Es ist deprimierend in einer Zeit zu leben, in der wir rein technisch zu den tollsten Leistungen fähig wären und uns allen ein wesentlich besseres Leben bescheren könnten, aber scheinbar wollen wir es nicht wirklich. Unsere Musik ist also das Mittel, um diese ganze Frustration raus zu lassen. Es ist kein Party-Album. Obwohl… vielleicht ist es gerade deswegen ein Party-Album, denn es kann extrem befreiend sein, das alles raus zu lassen. Party zum Weltende oder so (lacht).

Galerie mit 20 Bildern: Monolord - Desertfest Berlin 2023

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Quelle: Esben Wilems (MONOLORD) / Petting Zoo Promotions
30.10.2021

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