Holy Moses
Alles über das neue Album und gleichzeitige Aus der Band

Interview

Alleine durch die Art und Weise, wie Du in den 1980ern schon gesungen hast, waren HOLY MOSES frühe Pioniere in der Szene. Denkst Du, ohne Sabina Classen könnte es Bands wie ARCH ENEMY oder JINJER heute geben? 

Das ist eine wirklich schwierige Frage. Ich habe ja irgendwann einfach angefangen, das so zu machen. Wenn mein Einfluss wirklich so groß ist, dass sich daraus eine Szene entwickelt hat, wäre das aber natürlich der Hammer. Die Frage ist wirklich spannend, aber ich kann sie nicht beantworten. Allerdings sind alle anderen auch viel später gestartet. Insofern war es auch nicht allzu schwer, 1981 die Erste zu sein, weil es halt niemand anderes gab (lacht). Der Gedanke ist aber echt abgefahren, was passiert wäre, wenn ich damals in Amerika geblieben wäre und versucht hätte meinen Traum vom Fußballprofi zu verwirklichen. Ich war gerade mit Andy Classen zusammen und in Amerika bei Pele auf der Fußballschule gewesen. Und ich hatte das Angebot dort zu bleiben. Mit fünfzehn ins Fußball-Internat zu gehen, war mir dann aber doch ein Schritt zu weit und so bin ich zurück nach Deutschland gekommen. Kurze Zeit danach ist zuerst Andy und dann ich zu HOLY MOSES, unserer damaligen Schulband, gestoßen. Das ich angefangen habe, auf diese Art zu singen, war aber eigentlich ein Unfall. HOLY MOSES hatten ihren damaligen Sänger aus der Band geworfen, weil er eines Tages mit weißen Clocks und Hippie-Klamotten bei der Probe erschienen war. So bin ich ans Mikro gegangen und habe diesen Schrei gemacht um Andy zu zeigen, dass ich nicht singen kann. Er sagte aber stattdessen: „Mach das nochmal“. Ich dachte erstmal, er würde mich verarschen. Ich habe halt einfach reingegrölt und es war auch nicht als Gesang gedacht. Von diesem Tag an war ich die Sängerin von HOLY MOSES. Es ist eigentlich kaum zu fassen, wie das alles entstanden ist. Ich hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, Sängerin in einer Heavy-Metal-Band zu werden.

Was müsste passieren, damit Ihr es Euch noch einmal anders überlegt und doch weitermacht?

Das Thema ist wirklich abgeschlossen. Wir würden uns ja selbst verarschen. Es ist eine bewusste Entscheidung. Auch wenn ich natürlich gehofft hatte gut aufzuhören, ist es schon krass wie das Album gerade knallt. Gerade hat der Fanclub in Südamerika berichtet, dass das neue Video zu „Cult Of The Machine“ innerhalb von vier Tagen über 28.000 mal aufgerufen wurde. Wir werden noch einmal ein tolles Jahr haben und ich werde auf mein Leben zurückblicken können und wissen, dass das die richtige Entscheidung war. Außerdem bleibe ich ja von ganzem Herzen selbst ein Metalhead. Und ich werde nicht unsichtbar sein und mich bei meinen Pferden auf der Ranch verstecken. Ich werde weiterhin zu Konzerten und Festivals fahren. Zumindest solange ich mich vom Aussehen her noch unter Menschen trauen kann (lacht). Der Unterschied wird aber sein, dass ich dann die Freiheit habe, einfach da zu sein und zu genießen und Fan zu sein. Weißt Du, ich bin ja Metal-Fan der ersten Stunde. Damals haben wir noch Hardrock dazu gesagt. Jedenfalls habe ich bei allem, was ich in den letzten 43 Jahren gemacht habe, nicht die Perspektive als Fan einnehmen können. Die Vorstellung, diese Zeit jetzt nachzuholen, finde ich richtig toll.

Sind für die anstehenden Abschiedskonzerte irgendwelche Specials geplant?

Wir lassen das erstmal auf uns zu kommen. Beim ein oder anderen Gig werden vielleicht die ein oder anderen alten Bandglieder mal einen Song mitspielen. Wir sind auch noch einmal auf vielen Festivals, auf denen auch OVERKILL, MESHUGGAH oder TANKARD auftreten. Vielleicht ergibt es sich dann auch, dass man einen Gastsänger auf die Bühne holt. Das wäre natürlich wunderbar.

Nach all den Jahren hast Du wahrscheinlich unendlich viele Geschichten zu erzählen. Aber pick doch mal DIE eine Story heraus, die Dir als erstes in den Sinn kommt…

Das sind wirklich so krass viele Dinge… Ob man in Japan gespielt hat, in Südkorea. Dort waren wir Co-Headliner zusammen mit NIGHTWISH, damals noch mit Tarja. Das war schon eine abgefahrene Mischung. Wir spielten dort auf dem Busan Metal Fest, auf irgendeiner Insel. Vor uns ist der PETER MAFFAY Südkoreas aufgetreten. Ich war völlig perplex und die Aufteilung im Zuschauerraum tat ihr übriges. In der Mitte standen die Metalheads. Seitlich gab es Stuhlreihen für Familien mit Kindern (lacht). Als wir nachmittags zusammen mit NIGHTWISH zum Soundcheck gebracht wurden, bauten die dort gerade zwei Aufzüge zur Bühne auf und Tarja und ich sollten jeweils in einem, die Band im anderen zu unseren Gigs auf die Bühne gebracht werden. Die hatten Unmengen an Pyro am Start und ich weiß noch, wie mein Bassist geschrien hat: „Vorsicht Sabina! FEUER!“ Das sind so Highlights, die man ncht vergisst, weil es einfach so speziell war… Leider gab es damals noch keine Smartphones und wir haben es nicht aufgenommen.

Gab es auch SPINAL-TAP-Momente, wo etwas richtig in die Hose gegangen ist?

Klar. Zu unserem ersten Festival, dem Dynamo in Eindhoven ´89, kamen wir vom Vortag aus Schweden. Wir hatten damals aber keinen Nightliner, sondern nur ein Wohnmobil. Ein Freund aus Aachen war der Fahrer. Als er irgendwann Monster auf der Straße gesehen hatte, wussten wir, dass er völlig übermüdet war. In der Band hatte niemand einen Führerschein und so ist ein anderer Roadie gefahren. Etwa 200 Kilometer vor Eindhoven weckte er uns dann indem er sich lautstark darüber beklagte, dass wir kein Benzin mehr hatten. Es war ein Sonntagmorgen. Also sind wir zu Fuß und mit Kanistern bewaffnet zu einer geöffneten Tankstelle gelaufen. Als wir an der Grenze ankamen, durften wir aber nicht nach Holland einreisen, weil unser Fahrer in Schweden am geschlossenen Zollamt vorbeigefahren war und wir offiziell nicht ausgereist waren. Also sind wir zurück nach Aachen gefahren, haben dort alles geregelt und sind letztlich zehn Minuten vor unserem Set auf dem Dynamo angekommen. Damals waren dort 50 bis 60.000 Menschen und es war das erste große Ding für uns. Und wir kommen zehn Minuten vorher an.

Und es ist alles gut ausgegangen? 

Wir haben noch gespielt, ja (lacht).

Vielleicht kannst Du heute schon voraussagen, was Deine letzten Worte, nach dem letzten HOLY-MOSES-Konzert auf der Bühne sein werden?

Ich weiß noch gar nicht, ob ich dann überhaupt reden kann. Das letzte Konzert wird am 27.12. in der Hamburger Markthalle stattfinden. Gleichzeitig ist das mein 60. Geburtstag. Und ich hoffe, dass die Markthalle proppenvoll sein wird. Wahrscheinlich werde ich einfach nur Danke sagen. Weil all die Leute, die dort sein werden, dafür gesorgt haben, dass ich das überhaupt machen durfte. Das sind alle Fans, Booker und auch andere Bands, die uns mitgenommen haben und mit uns zusammengespielt haben. Man muss einfach dankbar sein, sowas erlebt zu haben. Ohne HOLY MOSES und die Metal-Szene wäre ich definitiv nicht der Mensch, der ich heute bin.

Galerie mit 15 Bildern: Holy Moses - The Final Reign Tour 2023 in Übach-Palenberg

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04.04.2023

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2 Kommentare zu Holy Moses - Alles über das neue Album und gleichzeitige Aus der Band

  1. ClutchNixon sagt:

    Ehm… Habt ihr die beiden vorab veröffentlichten Songs gehört? Dieses Album dürfte doch überhaupt nicht erscheinen, weil Verarsche am Fan und so. Sabinas Leistung ist, Legendenstatus hin, oder her, einfach mal die komplette Katastrophe. Und der halbgare Versuch diese beschissenen Songs mit noch beschisseneren Vocals von anderen Sängerinnnen und Sängern retten zu lassen ist zwar ne nette Idee, aber ein Tribute – Cover Album wäre m.E. die fairere Alternative.

  2. doktor von pain sagt:

    Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen einzigen Song von Holy Moses gehört. Bei einem Metalquiz hätte ich immerhin sagen können, dass deren Sängerin Sabina Classen heißt und dass die Thrash spielen. Darüber hinaus hört mein Wissen über die Band aber auch schon auf.