
Wie wohl das Liebeskind von WARDRUNA und den „Isa“-Ära-ENSLAVED klingen mag? Nun, wer sich mal zufälligerweise diese spezifische Frage gestellt haben mag, findet die Antwort auf diese Fragestellung in Form von „Skuggsjá“, einem 2016er Werk, das Einar Selvik und Ivar Bjørnson gemeinsam aus der Taufe hoben, ehe sie sich mit „Hugsjá“ in ruhigere Gewässer wagten. Die geneigte Hörerschaft findet die Antwort heuer allerdings auch ebenso zufälligerweise in Passagen der hier vorliegenden Platte „Andvake“, mit welcher der norwegische Folk-Musiker Olav Luksengård Mjelva, der in seiner Heimat vor allem für sein Spiel auf der Hardangerfiedel bekannt ist, unter dem Banner AFARGANG mit einer Handvoll von Gast- und Session-Musikern debütiert.
Folk, Black Metal und ein Kuriosum dazwischen
Es gibt einen Sound auf die Ohren, der sich im Spannungsfeld zwischen unfassbar stimmungsvollen, geradezu cineastischen Folk-Wogen, oft eben angeleitet von Mjelvas Fiedel, und recht „speckigem“ Metal mit leichtem Wikinger-Einschlag bewegt. Mjelva ist oft mit klarer Stimme unterwegs, mit der er sich ziemlich nah an Selviks Evokationen platziert, während die eingestreuten Gutturals tatsächlich auf einen Grutle Kjellson hinauslaufen. Das ganze ist sehr dynamisch in Szene gesetzt, fließt erfrischend geschmeidig dahin und nimmt unterwegs auch mal im Klangkontext betrachtet Kurioses mit. Will sagen: „Kvile“ zum Beispiel hat aufgrund seines oszillierenden Leitmotivs gewisse Alternative-Vibes inne, die so klingen als hätten sich die späteren TOOL in die norwegischen Wälder verirrt.
Angesichts der Qualität der hier ansässigen Musik und ihrer Beschaffenheit kommt man schnell auf den Trichter, dass Mjelva schon mal irgendwie mit den oben genannten Bands zu tun gehabt haben muss. Und tatsächlich stand er mal kurzweilig im Live-Lineup von WARDRUNA und wirkte an „Skuggsjá“ mit, sodass die klangliche Nähe vielleicht nicht von ganz ungefähr kommt. Schaut man sich zudem sein Personal an, sind auch seine Mitstreiter keine allzu unbekannten Größen. Da tummeln sich Namen wie Stian Kårstad (u. a. TRELLDOM) oder Jon Even Schärer (GÅTE), sodass man bei aller Euphorie für „Andvake“ eingestehen muss, dass bei AFARGANG schon routiniertes Personal am Werk ist.
AFARGANG legen einen überzeugenden Einstand hin
Aber das Ergebnis kann was. Songs wie das eröffnende „Mot Verda“ oder „Leva Og Døy“ beispielsweise könnten Musterbeispiele der Mitt-2000er-ENSLAVED darstellen, speziell die Phase kurz bevor sie mit „Vertebrae“ ihre Progressivität auf die kreative Spitze treiben sollten. An anderer Stelle, namentlich „Leika“, darf sich die Hörerschaft einfach nur in einer malerischen Klanglandschaft verlieren, über welche die mehrfach gelayerten Gesangsarrangements die Sonne buchstäblich aufgehen lassen. Der Instrumental-Part in der Mitte dieses mit sieben Minuten am längsten geratenen Stücks lässt diese Landschaft förmlich aufblühen, möglicherweise mit leichter Alternative-Schlagseite, die zwischen den Fugen hervor diffundiert.
In der Tat: Dieses Alternative-Kuriosum taucht immer mal wieder auf, ist in der Praxis tatsächlich gar nicht mal so unwillkommen und äußert sich in „I Di Eining“ beispielsweise auch in einem Wink in Richtung William DuVall-ALICE IN CHAINS. Das Material, das AFARGANG auf „Andvake“ präsentieren ist also schon wirklich extrem stimmungsvoll und dort, wo die extreme Seite des Sounds ausgeblendet wird wie in „Leika“ oder dem Rausschmeißer „Kom Ned“, überzeugen Mjelva und Co. mit besonders großer Intensität. Der Folk-Anteil stemmt hier natürlich den Löwenanteil, während die Black- und die übrigen Elemente Beihilfe schaffen, wann immer benötigt. Der Einstand ist für Mjelva auf jeden Fall gelungen und verspricht, auch live groß zu werden.
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