Amon Amarth - Deceiver Of The Gods

Review

Je größer die Band, desto größer auch der Kreativdruck. AMON AMARTH waren zwischenzeitlich eine der größten und erfolgreichsten Attraktionen im extremeren Metalzirkus. Alle zwei Jahre ein Album aufzunehmen, ohne sich dabei in die Nesseln zu setzen, während man gleichzeitig fast ununterbrochen tourt, ist deshalb eine nicht zu unterschätzende Bürde, egal, wieviel Spaß man an seiner Musik hat. Das hat man den Schweden auf den letzten zwei, drei Alben durchaus angemerkt – nicht zu Unrecht, denn die waren vergleichsweise lahm. Da wurden natürlich Stimmen laut, die Band habe ihren Zenit lange überschritten und würde fortan nach unten durchgereicht. Danach sah es auch aus. Offenbar beweisen AMON AMARTH aber gerade jetzt Wikingerqualitäten und haben sich für das neue und neunte Album „Deceiver Of The Gods“ eine Frischzellenkur verordnet – stilistisch offener wollten sie werden, aggressiver, weniger poliert, und mit Andy Sneap durfte diesmal ein Produzent an die Regler, der für eine eher liveorientierte Produktion steht.

Und, schau an: AMON AMARTH sind mit ihrem neuen Album tatsächlich nicht gewillt, die Segel zu streichen und der jungen Generation MeloDeath-Bands das Schlachtfeld zu überlassen. Das einleitende Titelstück ist sicherlich einer der gelungensten Tracks, die die Schweden in den letzten zehn Jahren komponiert haben. Hier kommen frische, brachiale Thrash-Aggression, tolle Gitarrenmelodien und wohlbekannte Trademarks zu einem programmatischen Vierminüter zusammen. Wer so klingt, hat wirklich noch Dampf im Hammer.

Das Niveau des Openers hält die Platte über die restliche Dreiviertelstunde leider nicht durchgehend. „As Loke Falls“ oder „Father Of The Wolf“ sind noch sehr spannend, weil sie mit mehrstimmigen Gitarrenharmonien klassischen Heavy Metal aus der MAIDEN-Schule zitieren, aber gleichzeitig die Urgewalt des Death Metals nicht vernachlässigen. Danach folgt bis auf den hübschen Schlussteil von „Under Siege“ eine kleine Durststrecke, bis mit „Blood Eagle“ ein knackiger Dreiminüter alle die weckt, die es von den Vorgängern noch gewohnt waren, nach zwanzig Minuten abschalten zu können. Wer jetzt wieder wach ist, kann HYPOCRISY-Reminiszenzen in „We Shall Destroy“ und anschließend Messiah Marcolins Gastauftritt in „Hel“ bewundern. Letzterer bleibt meiner Meinung nach zwar deutlich unter den Möglichkeiten, die man mit einem so renommierten Sänger hat, fügt dem klassischen AMON AMARTH-Sound aber eine interessante, doomig-epische Facette hinzu. Das viel zu ausladende „Warriors Of The North“ müsste nicht zwingend sein, und auch der Schlusssatz „Coming Of The Tide“ zeigt, dass das richtig zündende Pulver wohl doch schon nach vierzig Minuten verschossen war.

Das Vorhaben, auf „Deceiver Of The Gods“ frischen Wind in die alten Segel zu pusten, ist AMON AMARTH trotzdem überraschend gut gelungen. Gerade die Produktion, die zwar immer noch 100% nach AMON AMARTH, aber wesentlich beißender und natürlicher klingt, trägt dazu einen guten Teil bei. Man könnte bösartig sein und den Schweden vorhalten, dass sie gerade mit den thrashigen, doomigen und Heavy-Einflüssen aktuellen Trends hinterherjagen, um im schnelllebigen Business nicht abgehängt zu werden. So klingt „Deceiver Of The Gods“ aber nicht, sondern eher nach einer Band, die wieder Spaß an ihrem Job gefunden hat und gewillt ist, dafür auch eine Extraschicht zu schieben. Da war es eine kluge Entscheidung, sich in Maßen neuen Einflüssen zu öffnen, ohne den Sound zu verraten, der einen groß gemacht hat. So reagieren Profis, wenn sie dem Druck standhalten können.

17.06.2013
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