Hypocrisy - Penetralia

Review

Als HYPOCRISY am 05. Oktober 1992 ihr Debütalbum “Penetralia“ auf die todeshungrige Meute losließen, hatten einige der großen schwedischen Death-Metal-Bands schon ihr Zweitwerk am Start: ENTOMBED waren ganz „Clandestine“ unterwegs, GRAVE verkündeten „You’ll Never See“, und UNLEASHED suchten die „Shadows In The Deep“. Zu den Vorreitern gehörte Peter Tägtgren mit seiner Band in Schweden also nicht, und das hatte nicht nur einen Grund.

Inspirationen aus Florida

Peter Tägtgren hatte in seinem jungen Erwachsenenleben Schweden verlassen und sich in Florida angesiedelt – zufälligerweise also gerade im Epizentrum des US-amerikanischen Death Metals. Er traf dort auf den Metalhead Phil Fasciana, der, ein paar Jahre älter als Peter, mit MALEVOLENT CREATION schon ein paar Demos veröffentlicht hatte. Die beiden jammten miteinander, und wie es der Zufall so wollte, reifte in Peter die Idee, zurück in Schweden doch eine eigene Band zu gründen. Das war 1991.

Das erste HYPOCRISY-Demo war schnell allein eingetrümmert, denn Peter Tägtgren war nicht nur flink an der Gitarre, sondern auch am Schlagzeug. Nur mit dem eigenen Gesang war er endgradig unzufrieden. Also spielte er die sechs Stücke alle neu ein und ließ diesmal Magnus „Masse“ Broberg (später bekannt als Emperor Magus Caligula bei DARK FUNERAL) die Texte eingrunzen. Mit Erfolg: Auf das Demo biss ein aufstrebendes Label aus Donzdorf an, und schon bald fanden sich Peter und Masse wieder im Studio ein. Diesmal allerdings als komplette Band, denn als Schlagzeuger wurde Peters alter Kumpel Lars Szöke verpflichtet, zudem kamen Jonas Österberg an der zweiten Gitarre und der erst 16-jährige Mikael „The Body“ Hedlund (Bass) mit an Bord.

Herausgekommen ist mit „Penetralia“ ein Album, das die beiden Welten Florida und Stockholm geschickt verbindet: Eine Mischung aus DEICIDE, MORBID ANGEL und ENTOMBED, ohne allerdings so kompliziert wie erstgenannte Bands zu klingen, wie Peter Tägtgren in einem Interview einmal zu Protokoll gab. Aber auch vereinzelte Thrash-Metal-Einflüsse finden sich noch wieder (wie beispielsweise bei „Nightmare“).

„Penetralia“ ist ziemlich rifflastig und verzichtet auf Finessen

Die zehn Songs auf „Penetralia“ sind ziemlich rifflastig und verzichten weitgehend auf Finessen wie Leadgitarren (einzige Ausnahme: „To Escape Is To Die“). Auch die Soli sind eher chaotisch gehalten – SLAYER haben hier einfach einen sehr nachhaltigen Einfluss auf den extremen Metal gehabt. Nur manchmal zupfen die beiden Gitarristen die Saiten, während atmosphärische Keyboards ertönen, wie in „Nightmare“ oder dem abschließenden Titeltrack.

Ansonsten geben die fünf Musiker ganz die Holzfällertradition ihrer Heimat Dalarna wieder: Mal nachvollziehbar riffend bei bangerfreundlichem Midtempo, wie beim Opener „Impotent God“ oder bei „Burn By The Cross“, mal aggressiv schrammelnd als Uptempo-Attacke. So sind Tracks wie „Jesus Fall“ oder „God Is A …” fast mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Insgesamt ist das Album sehr sauber und nachvollziehbar eingespielt, nur manchmal klingt das Schlagzeug ein wenig holprig – da wollte Peter Tägtgren, der bei sieben der zehn Stücke noch selbst auf dem Drumschemel sitzt, vielleicht ein bisschen zu viel.

Wirklich herausstechend ist allerdings der Gesang von Masse Broberg, der angemessen tief grunzt, dabei aber weitgehend verständlich die ganz offensichtlich satanistischen Texte herauspresst:„In the name of evil / Lucifer rules the world“. Und auch sonst stehen die Kreuze eher auf dem Kopf: Egal ob in den Songtiteln, dem Logo oder beim Anhänger, der um Masse Brobergs Hals baumelt.

HYPOCRISY und die Holzfällertradition ihrer Heimat

Rückblickend ist „Penetralia“ ein wirklich gutes Album, das den Death Metal vielleicht nicht revolutioniert hat, aber das bereits Vorhandene geschickt in Szene setzt. Außerdem finden sich auf der Scheibe etliche Riffs, Hooks und Songs, die im Gedächtnis bleiben: Sei es „Impotent God“, „Left To Rot“, „To Escape Is To Die“ oder „God Is A …“.

Beim Death Metal aus der zweiten Reihe blieb es allerdings nicht, und das zeigte sich schon recht bald: Zunächst stieg Jonas Österberg aus – an ihn wird man sich am ehesten als den Typ erinnern, der im „Left To Rot“-Video zweimal den Stinkefinger zeigt. Bereits im März 1993 veröffentlichten HYPOCRISY als Quartett die EP „Pleasure Of Molestation“, bei der sich eine ganze Portion Black Metal wiederfindet, wie auch beim folgenden Album „Osculum Obscenum“. Ein Jahr später (mittlerweile war auch Masse Broberg abgesprungen und die Band zum Trio geschrumpft) erforschten die Musiker „The Fourth Dimension“ und integrierten verstärkt Melodien und atmosphärische Elemente in ihren Death Metal – eine Verbindung, der Peter Tägtgren und Co. bis heute weitgehend treu geblieben sind.

01.06.2022

- Dreaming in Red -

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