Tesseract - War Of Being

Review

Galerie mit 28 Bildern: Tesseract - War of Being Tour 2024 in Stuttgart

Manche Bands gehen bei der Promotion ihres Materials einfach aufs Ganze. Manchmal ist es eben nicht genug, das Material für sich selbst sprechen zu lassen, zugegeben verständlich angesichts einer dank Spotify und Co. mit Reizen überfluteten und daher vollkommen abgestumpften Hörerschaft. Und so feuern TESSERACT anno 2023 aus allen Rohren und veröffentlichen begleitend zum neuen Album „War Of Being“ ein gleichnamiges Videospiel, welches das Konzept des Albums der zwei zentralen Charaktere Ex und El und ihrer Auseinandersetzung mit dem Antagonisten Fear expandieren soll. Außerdem ist zum Zeiptpunkt des Verfassens noch ein Roman zu der Geschichte in Arbeit. Keine Frage: Die Briten um Goldkehlchen Daniel Tompkins haben keine Kosten und Mühen gescheut, um „War Of Being“ voranzubringen.

Die Briten zeigen anno 2023 deutlich mehr Selbstbewusstsein als zuletzt

Konzentrieren wir uns aber auf den musikalischen Aspekt, denn die Frage nach der Qualität hierhinter ist nach dem enttäuschenden Vorgänger „Sonder“ wirklich interessant. Dieser war im wesentlichen das musikalische Äquivalent zu Instagram, hübsch aber flach und letztlich ziemlich lau. Einer meiner großen Kritikpunkte seinerzeit war das Fehlen der echt verschachtelten Riffkunst, welche die Briten vor allem mit ihrem grandiosen „Polaris“ mit so unfassbarer Eleganz in eingängige Songs eingebaut haben. Wir bekamen stattdessen nur ästhetische Annäherungen dorthin serviert. Zu diesem technischeren Modus kehrt „War Of Being“ nicht zurück, aber es klingt schon mehr wie das Bindeglied zwischen den progressiven Ambitionen der Band und einem Weg hin zu zugänglicheren Tracks, das „Sonder“ hätte sein sollen.

TESSERACT wirken auf „War Of Being“ direkt von der ersten Sekunde an deutlich selbstbewusster und man hört richtig, dass sich die Herren im Sound, mit dem sie sich anno 2023 kleiden, deutlich wohler fühlen. „Natural Disaster“ platzt direkt ins Geschehen mit polyrhythmischen Riffs und den daraus resultierenden, ultrafetten Grooves, für die man die Herren einfach lieben muss. Darüber schreit Tompkins mit heiserer Stimme, bevor der Song abrupt in den Hook-Modus wechselt für eine theatralische Geste im Downtempo. Diese beiden Modi werden im weiteren Verlauf des Songs immer wieder aufgegriffen, teilweise sogar ineinander verwoben. Damit setzen die Briten natürlich ein deutliches, programmatisches Ausrufezeichen zu Beginn der Platte, dessen sechs Minuten Spielzeit fast wie im Flug vergehen.

TESSERACT halten aber an ihrer Weiterentwicklung fest

Und damit ist eigentlich auch beschrieben, wie es auf dem Album weitergeht. „War Of Being“ weist in seiner Gesamtheit zwar einen höheren Anteil an atmosphärischeren Songs auf, wirft aber immer wieder komplexere Passagen dazwischen. Das geschieht zum Beispiel auch auf dem überlangen Titeltrack, dessen Djent-Riffs teilweise stärker an MESHUGGAH denn die Briten selbst denken lassen, wann immer sie einsetzen. Meist findet man aber eher Cuts, die in Richtung Modern Art Rock gehen, die durch luftig hallende Gitarren, feinsinnig geflochtene Klangteppiche und nicht zuletzt Tompkins‘ überragende Gesangsleistung brillieren. Da kann ein „Sirens“ schon mal im 7/8-Takt daherkommen, ohne dass es dem Hörer zu sehr auffällt, auch angesichts der abschließenden, mit weiblichem Gesang verstärkten Hook, die einfach nur zum Niederknien ist.

Krumme Takte sind auf „War Of Being“ nicht zwangsläufig die Regel. Sie treten aber immer wieder in Erscheinung, wobei TESSERACT weise genug sind, das nicht zu erzwingen. Das im normalen 4/4-Takt gehaltene „Burden“ konzentriert sich beispielsweise eher auf eine stimmungsvolle Klimax, die geradlinigen Takte leisten teilweise aber gute Arbeit darin, die funkigen Sensibilitäten des Tracks zu unterstreichen. Auch „Echoes“ fühlt sich in seinem 4/4-Rhythmus pudelwohl, der Song mutiert aber gerade dadurch zum Modern-Metal-Kracher, inklusive großer Hook und mit reichlich Soul versehener Gesangsdarbietung von Seiten Tompkins‘. Generell versieht er seine cleanen Vocals mit viel Soul, was er vor allem relativ zu Beginn von „Legion“ eindrucksvoll demonstriert.

Die Briten kommen somit wieder auf Kurs

Wer „Polaris“ nachtrauert, dem ist mit „War Of Being“ nicht geholfen. Das muss dem Hörer klar sein. TESSERACT beschreiten den mit „Sonder“ eingeschlagenen Weg schon weiter, aber „War Of Being“ ist in der Durchführung deutlich konsequenter, was in einem mehr als befriedigendem Ergebnis resultiert. Die Briten landen die eingängigen Kracher der Platte souverän, vor allem wenn die Hooks so sahnig und emotional inszeniert werden wie im Rausschmeißer „Sacrifice“. Der Djent als solcher tritt immer noch regelmäßig in Erscheinung, bestimmt aber längst nicht mehr alleinig das Klangbild. Das macht „War Of Being“ in seiner Gesamtheit aber auch erfreulich abwechselnd, was angesichts einer Gesamtspielzeit von knapp 61 Minuten auch absolut notwendig ist. Mission erfüllt, TESSERACT sind wieder auf Kurs!

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22.09.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu Tesseract - War Of Being

  1. Lysolium 68 sagt:

    Das Album hat in dem Monat sowas von angedockt und das Cover find ich irre schön.

    9/10
  2. Thyrfer sagt:

    Also ich persönlich trauere Polaris nicht hinterher, ist das doch das Tesseract-Album, mit dem ich nie so richtig warm geworden bin. Sonder war für mich keine Enttäuschung, aber auch kein Geniestreich; fühlte sich für mich irgendwie unfertig an…

    Mit War of Being ist die Band aber in der Tat wieder auf Kurs. Der Titeltrack ist der Hammer, da hätte ich mir mehr von gewünscht. So bleibt das Gefühl, dass die Band eigentlich mehr kann, aber trotzdem sehr gutes Album, die 8/10 gehe ich mit.

    Freue mich auf’s Konzert heute Abend 🙂

    8/10