Blind Guardian
A Traveler's Guide To Space And Time

Special

Blind Guardian

Sagenhafte 25 Jahre sind die Fantasy-Metaller von BLIND GUARDIAN jetzt schon erfolgreich in der Metal-Szene aktiv. Erstmals unter dem Namen LUCIFER’S HERITAGE in Erscheinung getreten, veröffentlichten die Mannen um die beiden Kreativköpfe Hansi Kürsch und André Olbrich 1988 ihr erstes Album “Battalions Of Fear”, das ebenso wie die folgenden Scheiben mittlerweile Kultstatus besitzt. Dass sich die Jungs aus Krefeld zu diesem Jubiläum für ihre Fans etwas Besonderes einfallen lassen würden, lag da nahe. Also ist es nur logisch, dass sich die langjährige Plattenfirma Virgin (EMI) mit der Band zusammen gesetzt hat und explizit für diesen Anlass ein hochwertiges Boxset in streng limitierter Form Anfang Februar  auf den Markt bringt.

Da BLIND GUARDIAN sich bislang nie haben lumpen lassen, wenn es darum ging den Fans besondere Gimmicks zu präsentieren, hat es natürlich auch das “A Traveler’s Guide To Space And Time” betitelte Boxset in sich. Neben den offiziellen Alben der Virgin-Ära, die alle in irgendeiner Form hörbar remastert und teilweise sogar komplett neu gemischt wurden, befinden sich noch vier weitere CDs in der Box, die in dieser Form vermutlich nie wieder das Licht der Welt erblicken werden. Zudem gibt es einen nummerierten Kunstdruck (30cm x 32cm), ein BG-Plektrum und ein 30cm x 30cm großes Booklet mit raren Fotos und Kommentaren der Band zur Geschichte von BLIND GUARDIAN. So viel zu den Fakten. Man kann schon jetzt konstatieren, dass einem hier viel Gegenwert für sein Geld geboten wird. Die sympathischen Mittelerde-Metaller vom Niederrhein haben in ihrer Karriere sehr viele Highlights abgeliefert und sind praktisch skandalfrei geblieben, weshalb die Geschichte der Band hier anhand der Diskografie noch einmal nachgezeichnet werden soll.

 

 

Nachdem sich die aus Schulfreunden bestehende Band 1987 nach drei Jahren unter dem Namen LUCIFER’S HERITAGE in BLIND GUARDIAN umbenannte, war der Weg zu einer international erfolgreichen Musikerkarriere zwar frei, aber zu Beginn noch recht steinig. 1988 erschien das Debüt “Battalions Of Fear”, das schon erste Trademarks des typischen BLIND GUARDIAN-Sounds beinhaltete. Neben drei damals neuen Stücken (“Guardian Of The Blind”, “The Martyr” und “By The Gates Of Moria”) befanden sich ausschließlich Songs auf dem Album, die auch schon auf den beiden, unter dem alten Bandnamen veröffentlichten, Demos der Band standen. Die Songs zeigen teilweise noch deutliche Parallelen zu IRON MAIDEN oder HELLOWEEN auf, können aber bereits ein gewisses Maß an Eigenständigkeit aufweisen, was beispielsweise die Melodieführung in den Refrains angeht. Dass die Songs – die ausnahmslos aus der Feder von Gitarrist André Olbrich stammten – aber noch nicht über die Qualität anderer BLIND GUARDIAN-Releases verfügten, lässt sich auch daran ablesen, dass lediglich “Majesty” immer noch im Liveset der Band auftaucht. Natürlich sind die restlichen Songs nicht schlecht und so manche Band würde sich freuen, wenn sie Hymnen wie “Guardian Of The Blind” in ihrem Repertoire hätten. Aber gemessen an dem Anspruch, den die Krefelder schon immer an sich selbst gestellt haben, kann das Material von “Battalions Of Fear” nicht mit späteren Veröffentlichungen der Band mithalten. Ein gelungenes Debüt bleibt “Battalions Of Fear” aber dennoch.

 

Auch wenn die Band mit dem Album nicht zufrieden war, kann man “Follow The Blind” attestieren BLIND GUARDIAN einige Türen geöffnet zu haben. Angespornt durch die Verkaufszahlen des zweiten Albums und dem Erfolg der Tour, stand für 1990 das sogenannte ‘make-it-or-break-it’-Album, die dritte Scheibe der Band, an. Mit mehr Studiozeit ausgestattet und wesentlich selbstbewusster als noch auf den beiden Vorgängern, zeigte “Tales From The Twilight World” eine gereifte Band, die kompositorisch einen Quantensprung gemacht hatte. Neben der gelungenen Produktion von Kalle Trapp (der auch die beiden Vorgänger betreute) und einer erneut fruchtbaren Zusammenarbeit mit Kai Hansen, waren es vor allem Songs wie “Traveler In Time”, “Welcome To Dying”, “Lost In The Twilight Hall” oder “The Last Candle”, die sich alle in regelmäßigen Abständen heute noch in der Setlist der Band wieder finden. Als bei den Fans äußerst beliebt erwies sich weiterhin das akustische “Lord Of The Rings”, das erstmals auch eine andere Seite von BLIND GUARDIAN zeigte und bewies, dass die Band nicht nur hoch melodische Speed-Metal-Hymnen (die Thrash-Einflüsse rückten wieder in den Hintergrund) zu schreiben in der Lage war. Es befand sich kein Ausfall auf dem Album und man konnte auf “Tales From The Twilight World” zum ersten Mal dezente Tendenzen in Richtung progressiveres Songwriting ausmachen. Abgerundet wurde das Paket durch ein stimmiges Coverartwork aus der Feder von Andreas Marschall. BLIND GUARDIAN hatten den ersten Schritt in die Profiliga geschafft. Da die Scheibe durchaus erfolgreich war, konnten BLIND GUARDIAN erstmals auf Tour gehen. Als Support für diese Tour fungierten die amerikanischen Power-Metaller von ICED EARTH. Die Tour war für die Krefelder ein Erfolg, zumal sich zwischen den Bands eine bis heute andauernde Freundschaft entwickelte, die ihren ersten Höhepunkt im Jahr 2000 mit dem Debütalbum des Projekts DEMONS & WIZARDS fand und von Hansi wie folgt kommentiert wird: „Kein Schlaf, viel Chaos und viel Alkohol. Nur so können echte Männerfreundschaften entstehen.“

 

Unbeeindruckt von dieser Kritik und dem Zerwürfnis mit Trapp, enterte die Band das Tonstudio von Flemming Rasmussen (u.a. METALLICA) in Dänemark, um den Nachfolger zu “Somewhere Far Beyond” einzuspielen. “Imaginations From The Other Side” sollte nicht nur eine weitere Steigerung im Songwriting darstellen, sondern war gleichzeitig eine schwere Geburt. Gitarrist André verletzte sich an der Hand und es war lange Zeit unklar, ob die Band die Aufnahmen überhaupt würde abschließen können. Dass die Platte dennoch wie aus einem Guss klingt, ist der Arbeit von Flemming Rasmussen zu zuschreiben. Er hat die kreative Energie, die die Band mit nach Dänemark brachte, in die richtigen Bahnen gelenkt. Neun Volltreffer stehen auf dem Album, das zudem schön hart produziert wurde, so dass sowohl Fans der progressiveren Strukturen, als auch Headbanger gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Die Wichtigkeit des Albums lässt sich nicht leugnen, ist es doch die erste Platte, die alle Trademarks der Band vereint und erstmals den heute bekannten Sound der Band beinhaltet. Stücke wie der Titeltrack, “The Script For My Requiem”, “Born In A Mourning Hall” oder “Mordred’s Song” strotzen vor Energie und Kreativität. Hier sitzt jedes Break perfekt, jedes Arrangement ist ausgefeilt und die Riffs knallen hart aus den Boxen. Für viele Fans ist “Imaginations From The Other Side” DAS Album der Krefelder Fantasy-Metaller und im Bandkontext noch wichtiger als das nächste reguläre Studioalbum “Nightfall In Middle-Earth”. Zumindest was die Entwicklung der Band angeht, stimmt André zu: „Musikalisch war “Imaginations…” der größte Schritt, unser erstes wirklich eigenes Album. Der unverwechselbare BLIND GUARDIAN-Stil entstand, die Achtziger-Einflüsse waren nicht mehr herauszuhören.“ Letzteres finde ich persönlich ein wenig schade, ändert aber nichts daran, dass “Imaginations…” nach wie vor ein bärenstarkes Album ist.

 

 

Das kann man von dem 1996er Album “The Forgotten Tales” nun beileibe nicht sagen. Die Compilation-Scheibe war der Versuch einige Songs in einem neuen, sprich orchestraler arrangiertem, Gewand zu präsentieren (u.a. “Lord Of The Rings”, “Mordred’s Song”). Dazu gab es noch ein paar Coverversionen von MIKE OLDFIELD, den BEACH BOYS und URIAH HEEP, sowie die bereits bekannten “Spread Your Wings” (QUEEN) und “Barbara Ann” (ebenfalls BEACH BOYS). Sicherlich haben BLIND GUARDIAN mit diesem Album große Ambitionen gehabt. Die Umsetzung allerdings war dagegen sehr bescheiden und “The Forgotten Tales” geht definitiv als einziges richtig schwaches Album des Quartetts über die Zielgerade.

Die Kritiken überschlugen sich trotzdem vor Lob und auch die folgende Tour war die bislang größte der Band. Mit diesem ambitionierten Album im Rücken, gab es ebenso bei den Konzerten eine Neuerung. Hansi übergab den Bass an einen Session-Bassisten und konzentrierte sich fortan auf den Gesang. Nach der erfolgreich absolvierten Tour verschanzten sich die Fantasy-Metaller erneut im Studio und werkelten an ihrem siebten Studioalbum. Als “A Night At The Opera” im Jahr 2002 das Licht der Welt erblickte, sahen sich die Fans mit einem Album konfrontiert, das die Grenzen des Machbaren (sowohl musikalisch, als auch in den Ohren der Fans) bis ins hinterste Eckchen ausreizte. Zwar befinden sich viele gute Riffs und gelungene Songs auf dem Album, insgesamt jedoch, konnte “A Night At The Opera” nicht überzeugen. Die Platte war einfach zu kopflastig und zu zerfahren. Dass ausgerechnet das über vierzehn Minuten lange “And Then There Was Silence” Platz eins der spanischen Singlecharts erreichte, ist da eine sehr amüsante, aber auch leicht ironische Randnotiz. Die Presse war sich ebenso wenig einig, wie die Fans, was “A Night At The Opera” betrifft. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Versuch, dem kompositorisch extrem anspruchsvollen “Nightfall…” noch einen drauf zu setzen, nicht ganz geglückt ist. Dafür haben sich die Jungs im Songwritingbereich einfach zu sehr verzettelt (“And Then…” hat beispielsweise 200 (!) Tonspuren). Mehr ist eben doch nicht immer gleich besser.

 

 

 

 

Der enormen Popularität der Band schadeten aber auch die gemischten Reaktionen nicht. Die folgende Tour (u.a. waren BLIND GUARDIAN erstmals in Nord- und Südamerika, sowie in Russland unterwegs) war natürlich abermals sehr gut besucht und so ist es auch hier kein Wunder, dass die Plattenfirma anregte, ein weiteres Livealbum mitzuschneiden. Das Ergebnis hört auf den simplen Namen “Live” und bietet dem Hörer einen guten Querschnitt der bislang veröffentlichten Alben. Leider ist “Live” auch die letzte Platte, auf der man Drummer Thomen Stauch hören kann. Die Wege des Schlagwerkers und der restlichen Band trennten sich kurz nach der Veröffentlichung von “Live”. Auch die Wege von Virgin/EMI und den Hobbit-Freunden endete, womit wir nun auch mit dem Bericht auf die Zielgeraden einbiegen.

Imaginations Through The Looking Glass“, aufgenommen beim ganz persönlichen Festival der Band 2003 im oberfränkischen Coburg, ist bis heute das ultimative Live-Dokument der Band, das auch unter denjenigen, die mit den Studioaufnahmen der Band nicht allzu viel anfangen können eine besondere Magie ausstrahlt. Es gibt wenige Konzertmitschnitte, die auf Anhieb so viel Lust auf eine Live-Show versprühen, und es gibt noch viel weniger, die trotz allen Aufwands und der enormen musikalischen Tiefe die richtige Balance aus Spontanität, authentischem Live-Feeling und viel Hingabe und Liebe zum Detail ausstrahlen. Die Setlist, die natürlich alle bis dahin veröffentlichten Alben bis zum 2002er Epos „A Night At The Opera“ berücksichtigt, ist zugleich eine ultimative Best Of-Setlist der Band, und wenn es eine empfehlenswerte Veröffentlichung gibt, um nicht Eingeweihte von der Besonderheit der Band zu überzeugen, dann ist es dieses hier. Die Superhelden-Box hält euch dieses Zeitdokument glücklicherweise ebenso bereit wie die Studioalben.“ Dem ist eigentlich nichts mehr hinzu zu fügen.

Unter dem Strich ist “A Traveler’s Guide Through Space And Time” eine wunderbare Sache für Fans der Band. Klar, billig ist das Ganze nicht, dafür wird einem auf der anderen Seite aber auch eine Menge geboten für sein Geld. Man kann hören, dass die Alben remastert und teilweise neu gemischt wurden (was ganz viele andere Scheiben nicht von sich behaupten können), was den Kaufpreis (der bei den verschiedenen Plattformen variiert) eigentlich alleine schon rechtfertigt. Diese Box wurde aber mit viel Liebe zum Detail erstellt und ist ihr Geld auf jeden Fall wert.

 

 

 

05.02.2013
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