Blind Guardian - Beyond The Red Mirror

Review

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Bereits Studioalbum Nummer Zehn bringen uns BLIND GUARDIAN mit „Beyond The Red Mirror“ zum Jahresauftakt 2015 in die heimischen Musikanlagen – ein mit Spannung erwartetes Werk, denn, wie sollte es anders sein im Hause BLIND GUARDIAN, es wird einmal mehr „Großes“ angekündigt. „Klotzen, nicht kleckern“ ist das ausgegebene Motto, denn neben der Band kommen nicht weniger als drei unterschiedliche Chöre und zwei vollständige Orchester zum Einsatz: Notwendiges Mittel zur Umsetzung der musikalischen Vision oder überzogene Gigantomanie könnte die bereits an dieser Stelle aufzubringende Frage lauten: Nach dem beinahe puristischen „At The Edge Of Time“ hat man sich im Hause BLIND GUARDIAN also wieder ein Mammutprojekt vorgenommen. Mehr Orchester, mehr Chöre, mehr Bombast. Nun liegt das Geheimnis eines hochklassigen Albums jedoch in erster Linie in der wirkungsvollen Kombination aller eingesetzten Elemente, denn allein „mehr“ ist ja nicht unbedingt gleich „besser“. Auf BLIND GUARDIAN gemünzt – selten bescheiden unterwegs – müsste man sogar sagen: „noch mehr“ ist nicht unbedingt gleich „noch viel besser“.

Doch Grau ist ja bekanntlich alle Theorie und aufkommende Bedenken ob möglicher „Verweichlichung“ sind schnell beiseite gewischt, sobald die Scheibe erstmal angespielt ist und der Opener „The Ninth Wave“ erschallt. Sofort fühlt man sich im Universum von „Beyond The Red Mirror“ angekommen, dieser erste Titel ist ein monumentaler Brocken, der alle orchestralen Elemente des Albums vorwegnimmt, episch inszeniert und auf einer breiten Leinwand ausbringt – ein ziemlich beeindruckender Auftakt und unverwechselbar das Werk von BLIND GUARDIAN. Das folgende „Twilight Of The Gods“, bereits als Vorabsingle veröffentlicht, geht dann eher ohne Schnörkel und direkt zur Sache, eine vergleichsweise ursprüngliche Nummer mit eingängigem Refrain und gefälligem Gitarrenspiel, dadurch stilistisch ähnlich dem folgenden „Prophecies“, welches zum eigentlichen Albumhighlight überleitet: „At The Edge Of Time“. Ein dramatisches, verschachtelt aufgebautes Stück, das sich operettenhaft und wuchtig aus der Boxen schält: In opulentem Gewand singt Hansi Kürsch sich die Seele aus dem Leib und zeigt all seine stimmliche Varianz, der Titel wogt beständig Hin und Her – gerade so, als würde man mit einer Nusssschale bei stürmischer See den Ozean überqueren wollen. Das treibende „Ashes Of Eternity“ bietet dann anschließend ein wenig Zeit zum Luftholen, „The Holy Grail“ erinnert durch seine musikalische Direktheit am ehesten an die „Imaginations From The Other Side“. Um seinen Ohrwurmrefrain zu transportieren nimmt „The Throne“ dann erneut einen epischen Orchesterteppich zur Hilfe, das experimentellere „Sacred Mind“ und das balladeske „Miracle Machine“ (kurzzeitig musste ich bei den Vocals an QUEEN denken…) bereiten anschließend auf das große Finale „Grand Parade“ vor: Diese Abschlussnummer, von Gitarrist André Olbrich als einer der besten jemals komponierten BLIND GUARDIAN-Titel bezeichnet, haut abschließend nochmal richtig auf den Putz – ein dichter Track voller Ideen, großartig inszeniert. Hier wird nochmal alles aufgefahren, was Orchester und Chor so hergeben.

Bereits nach dem allersten Hördurchgang fällt auf: „Beyond The Red Mirror“ enthält, abseits einer instrumentalen „Materialschlacht“, die Elemente, die BLIND GUARDIAN seit jeher ausgemacht haben und bietet diese in einer musikalischen Melange dar. Man wagt sich zwar konzeptionell zurück in die Zeiten der 1995er Großtat „Imaginations From The Other Side“, aber dies nur oberflächlich – denn es besteht lediglich ein Bezug, der sich eher auf die Texte und die in dem zwanzig Jahre alten Werk erschaffenene Fantasiewelt, denn auf die Musik, ziehen lässt. Musikalisch sind BLIND GUARDIAN Anno 2015 deutlich weiter entwickelt als damals: Die vom Plattenlabel Nuclear Blast gewählte Bezeichnung Heavy-True-Power-Speed Metal beschreibt zutreffend die Problematik bei der Suche nach einer vorgefertigten Kategorie für dieses Album – die Herren sind mittlerweile stilistisch und künstlerisch in einem eigenen Kosmos unterwegs. Aber dennoch: BLIND GUARDIANs neuestes Werk führt die beiden markanten Konstanten der Band beharrlich weiter – die absolute Unverwechselbarkeit einer Band, die ihren eigentlichen musikalischen Kern stets beibehalten und gepflegt hat, sowie das absolute Streben nach Perfektion.

Und die Kombination dieser beiden Elemente – die Verbindung des schwer-metallischen Kerns mit perfektionistischem Streben, ist es, die „Beyond The Red Mirror“ zu einem Erlebnis machen: Das Album klingt eben nicht wie eine Metalband, die ein Orchester im Hintergrund einsetzt um Wucht vorzutäuschen oder andersherum, wie ein paar klassische Instrumente, die von einer Gitarre begleitet werden um ein bisschen „Härte“ zu erzeugen. „Beyond The Red Mirror“ klingt, als gehörten diese Elemente ganz natürlich und selbstverständlich zusammen: Jeder bekommt hier seinen Raum – tritt ein Teil hervor, nehmen sich die anderen zurück: Gesang, Chor, Orchester, Gitarre. Eine gelungene Teamleistung hochklassiger Einzelkönner, die stets das Gesamtergebnis in den Vordergrund stellt und dadurch, perfekt arrangiert, etwas Mitreißendes erschaffen. Fügen wir damit also dem bereits vorgebrachten Kategoriereigen auch noch ein „Progressive“ hinzu – ganz im Sinne der Definition:  Progressive Metal ist weniger ein stringenter Stil denn eine Haltung, welche sich auszeichnet durch den Willen zur Neudefinition der stilistischen und konzeptuellen Grenzen der Rockmusik. Denn Bombast und Epik ist bei „Beyond The Red Mirror“ eben kein Selbstzweck oder ein billiges Stilmittel, sondern integraler, ja lebenswichtiger, Bestandteil der Songs. An dieser Stelle werden die blinden Wächter auch zukünftig sicherlich nicht nachlassen, denn wie sagt Gitarrist Olbrich selbst so schön: „Im Heavy Metal ist noch längst nicht alles gesagt“. Amen.

Die Gefahr in Andrew Lloyd Webber-artigen Musicalpathos abzudriften umschifft das Quartett dann auch einmalig geschickt, denn im Herzen ist „Beyond The Red Mirror“ trotzdem (oder gerade deswegen) ein astreines Heavy Metal Album: Kein Kitsch, keine Plastikklänge, keine billige Effekthascherei, sondern hörbar ehrlich, mit mächtig Druck und Spaß direkt heraus – Hansi Kürschs epischer Gesang, die virtuose Gitarrenarbeit von André Olbrich und Marcus Siepen, sowie die präzise Schlagzeugarbeit von Frederik Ehmke beeindrucken über die gesamte Distanz. Was das Erzählen von Geschichten angeht ist BLIND GUARDIAN ohnehin seit jeher eine ganz eigene Klasse: Die Krefelder liefern auch hier wie gewohnt eine dichte Atmosphäre und eine beinahe märchenhafte Stimmung. Lediglich der gänzlich das Album umschließende Rahmen fehlt insgesamt ein wenig, jenes Element, das die „Nightfall In Middle-Earth“ vielleicht doch noch einen Tick stärker dastehen lässt.

Aber das Wichtigste, was „Beyond The Red Mirror“ im Endeffekt mitbringt: Einmal angespielt kann man sich der Magie von „Beyond The Red Mirror“ nur schwerlich entziehen. Das neueste Werk von BLIND GUARDIAN ist ein hochklassiges, ausgewogenes und leidenschaftliches Heavy Metal-Album, welches den Hörer auf eine fantastische Reise mitnimmt und nicht so schnell aus seinem Bann entlässt.

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14.01.2015

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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16 Kommentare zu Blind Guardian - Beyond The Red Mirror

  1. Mario sagt:

    Tja, und warum dann nur 9/10…?

  2. Heiko Eschenbach sagt:

    Das ist ganz sicher das Wichtigste an jeder Rezension, dass die richtige Punktzahl drunter steht.

  3. Dominik sagt:

    @Mario „Lediglich der gänzlich das Album umschließende Rahmen fehlt insgesamt ein wenig, jenes Element, das die „Nightfall In Middle-Earth“ vielleicht doch noch einen Tick stärker dastehen lässt.“

    Steht doch da…

    Ich freue mich auf das Album!

  4. Sven Lattemann sagt:

    … und ist aus meiner Sicht auch tatsächlich der entscheidene Grund hier „nur“ die 9/10 zu ziehen.

  5. Andreas sagt:

    Wie immer Top Songs. Die Produktion ist allerdings gemessen am restlichen Perfektionismus der Band wieder einmal katastrophal. Undifferenzierter Soundbrei ohne Eier und Dynamik, schade um den ganzen Aufwand mit Orchester, Chor und Co. Bitte, bitte liebe Krelefelder, schickt Charlie Bauerfeind doch einfach mal dorthin wo der Pfeffer wächst, der Mann bringt es einfach nicht, wieviele Alben sollen noch verhunzt werden! Nehmt euch für die sicherlich vorhandene Kohle mal einen Chor weniger und dafür einen anständigen Produzenten, das hat damals bei der Imaginations Scheibe schon geklappt. Wirklich schlimmer kanns kaum werden.

  6. Max sagt:

    Ich finde, das Review passt gut 🙂
    Mir gefällt das Album jedenfalls extrem gut, sehr komplex und beim ersten Hören steht man erst mal ner Wand gegenüber, aber mit der Zeit wird es übersichtlicher.
    Meine Lieblingstracks: Twilight of the gods, Prophecies und Miracle Machine.
    Ich finde jedoch, dass man das gesamte Album als gesamtes Kunstwerk betrachten sollte,da jeder Song zum Album und seine Atmosphäre beiträgt.

    9/10
  7. Mario sagt:

    Schade,aber ich kann nicht in diese ganzen Lobeshymnen einstimmen.Für mich ist das Album deutlich schlechter als der Vorgänger.
    Das fängt beim Sound an und hört bei den Kompositionen auf,bei denen bei mir,bis auf wenige Ausnahmen,nie das gewisse „Blind Guardian-feeling“ aufkommt.
    Übrigens liebe ich ihre orchestralen Sachen wie „and then there was silence“,“Sacred world“ oder „Wheel of time“,aber hier klingt mir alles zu zusammengestückelt und einfach nicht zusammen passend.Ausnahme „Grand parade“

  8. Oskar sagt:

    Der einzige Grund, diesem Album keine 10 zu geben ist der Song „At the Edge of Time“, welcher mich nicht überzeugen konnte. Der Rest des Albums ist großartig.
    Insbesondere „The Throne“, „The Ninth Wave“, „Pophecies“ und das interessane „Miracle Machine“.

    9/10
  9. metalfreak sagt:

    ich persoenlich finde schon mal den sound dieser scheibe total fuerchterlich, das die jungs ihr handwerk verstehen weiss man auch wenn ich imaginations from the other side immer noch am besten finde, aufgeschlossene metaller die super powermetal hoeren wollen sollen in innersieg,deadiron,damnations day,deadiron,psycrence,lords of the trident reinhoeren,millennial reign oder diviner gibts auch und neue communic kaufe ich sowieso blind…..

    7/10
    1. doktor von pain sagt:

      Das waren noch Zeiten, als Metalfreak hier seine drittklassigen Underground-Combos und bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit Communic angepriesen hat…

      1. BlindeGardine sagt:

        Das Geile ist ja, dass es aktuell echt viele starke Underground-Combos gibt, nur wurde keine davon je von metalfreak genannt^^

      2. Nether sagt:

        Er besteht aber immer noch ungefähr auf die gleichen Bands. Nur tummelt er sich jetzt in den Kommentaren auf der Facebook-Seite vom Deaf Forever. 😂

      3. nili68 sagt:

        Über User lästern, bzw. einen Beitrag desselben von 2017… ihr seid schon so Helden..

      4. BlindeGardine sagt:

        Ach sei doch ruhig du Küken und lass alte Männer in nostalgischer Erinnerung am Zeiten schwelgen, in denen der Kommentarspaltentroll noch lustig war.

  10. doktor von pain sagt:

    Das waren noch Zeiten, als Nili der Kommentarspaltentroll war… Heute ist der ja seriös geworden, der Spießer.

  11. nili68 sagt:

    Ich hab‘ meinen kurzweiligen Spaß gehabt (und einige von euch auch), aber so als Lebensaufgabe wird das dann doch etwas limitiert.. 😀