
Changeling
Die Grenzen des Machbaren – Das große Interview zum Debüt
Interview
“Abyss” ist zwar kein einfacher Song, aber relativ gut greifbar. Das nachfolgende “Abdication” muss man sich wirklich über mehrere Durchläufe erarbeiten. Das Intro klingt nach Soundtrack, aber auch nach japanischer Folklore. Welche Einflüsse verarbeitest du da?
Ich bin riesiger Fan von Joe Hisaishi, dem Soundtrack-Komponisten der meisten Studio-Ghibli-Filme. Ich verehre und höre ihn schon, seit ich Teenager bin. Da kommen zwei ganz spezielle Einflüsse zusammen. In der Orchestration Hisaishi und seine Soundtracks und gleichzeitig ist es ein Tribut und ein bewusst gewähltes Zitat von KING CRIMSON in den Achtziger Jahren. Die Technik der cleanen Gitarren ist ein klares Zitat von Songs wie “Frame By Frame”. Die Kombination dieser beiden Elemente macht die erste Hälfte des Songs aus.
Der letzte Song “Anathema” stellt das Publikum vor noch größere Herausforderungen [und belohnt es gleichsam, wie wir nachträglich ergänzen müssen – Anm. d. Red.]. Das ist dann wohl der Song, den du schon ein paar Mal als Fortsetzung des OBSCURA-Songs “Weltseele” angekündigt hast.
Genau, das war die grundlegende Idee. Auch hier war die Frage, wie ich das mache, wenn ich die Idee von einem 15-minütigen Death-Metal-Longtrack mit Orchester wieder aufgreife. Einfach nur um’s zu machen die gleiche Formel wiederholen oder will ich versuchen, eine ganz andere Struktur zu finden, die vielleicht auch vor den Kopf stößt und ein paar Durchläufe braucht?
So war es aber damals auch. Ich weiß noch, als “Akróasis” rauskam, haben die Leute grundsätzlich erst mal negativ auf “Weltseele” reagiert. Über Tage, Wochen, Monate hat sich das verändert, als sich die Fans langsam reingehört haben. Vielleicht klingt es arrogant für manche Leute, aber mir ging es schon immer darum, Stücke zu schreiben, die es vorher noch nicht gab. Etwas ‘nachzustellen’ kann mir professionell total Spaß machen, aber wenn mein Name draufsteht, möchte ich, dass du etwas kriegst, was du von anderen Leuten nicht bekommst.
So arrogant ist das gar nicht. Man kann es auch als Voraussetzung verstehen, unter der wertvolle Kunst entstehen kann. Ging es dir nur darum, noch mal ein bombastisches Death-Metal-Epos zu schreiben? Mit der Ankündigung als “Weltseele 2” wird ja fast automatisch eine Verbindung zu deiner OBSCURA-Vergangenheit hergestellt.
Du musst auch dafür die Timeline sehen. Als ich angefangen habe, den Song zu schreiben, war es noch nicht so, dass die Leute sich in gleichem Maße wie heute fragen, wer bei OBSCURA was geschrieben hat. Ich musste sehr lange darum kämpfen, von den Leuten wahrgenommen zu werden als jemand, der überhaupt Musik auf “Akróasis” geschrieben hat. Wenn ich eine Fortsetzung zu “Weltseele” schreibe, kann mir das keiner nehmen, denn es kann kein anderer in diesem Kontext. Kann ja gerne mal jemand versuchen, es mir dieses Mal wieder wegzunehmen. Das wird nicht funktionieren.
Plant ihr Live-Auftritte mit CHANGELING und wenn ja, in welchem Setting?
Zunächst brauchen wir noch eine Booking-Agentur. Ich habe fest vor, es auf die Bühne zu bringen. Als Solo-Künstler habe ich schon zwei Songs von CHANGELING auf meiner Tour in Indien vorletztes Jahr gespielt. Dem steht nichts im Wege.
„Wir hätten gerne eine Booking-Agentur!“
Ich würde mich mega freuen, wenn sich eine Booking-Agentur findet, weil ich komplett ausgelastet bin mit der Musik. In Puncto Booking brauche ich definitiv Hilfe, aber sobald das der Fall ist, kann es los gehen. Ob es eine zweite Gitarre erfordert, werde ich herausfinden müssen.
Lassen sich die Songs denn mit einem Instrument durchspielen oder wechselst du innerhalb des Songs im Studio zwischen Fretless und bundierter Gitarre?
Ja, da habe ich mir selbst eine Falle gestellt. Es ist super geil, beim Komponieren mit verschiedenen Möglichkeiten zu experimentieren, aber man macht es sich damit nicht einfacher. Ich bräuchte theoretisch eine Double-Neck-Gitarre. Aber solange das Storytelling und das Feeling rüberkommt, habe ich kein Problem damit, beispielsweise einen bundierten Song, der ein Fretless-Solo hat, auf der bundierten Gitarre durchzuspielen.
Du hast dich ja auch um den Sound auf “Changeling” selbst gekümmert. Der hört sich nicht nur fantastisch, sondern auch nach vielen schlaflosen Nächten an.
[lacht] Voll! Ich habe fast zwei Monate nur diese Platte gemischt. Das mache ich so nicht noch mal. Ich war im ‘cabin fever’ und bin wirklich die Wände hochgegangen. Wenn ich ein zweites Album mache, plane ich zum Wohle meiner geistigen Gesundheit einiges anders. Zum Glück kann ich durch Erfahrungen beim Songwriting einige Dinge vorplanen, wie sie dann im Mix passieren, sonst wäre ich unter dem Mix zusammengebrochen. “Abdication” hat mit 450 die meisten Spuren! Es ist am Ende sehr räumlich geworden, aber mir ging es darum, eine Geschichte ästhetisch zu präsentieren und nicht aktuellen Szene-Standards gerecht zu werden.
Wird es weitere Musik unter dem Namen CHANGELING geben?
Ja, der Deal mit Season Of Mist sieht vor, dass da noch mehr kommen kann. Ich hatte nach 20 Jahren im Musikbusiness noch die wirklich die Gelegenheit, dass ich ein Follow-Up schreiben muss, weil selbst meine Solo-Alben ganz unterschiedliche Konzepte haben. Darauf habe ich jetzt aber total Bock. Da ist noch einiges an Potential, was ich gern nutzen würde.
Tom, vielen Dank für das Interview. Alles Gute mit CHANGELING wünschen wir dir!
Ich hoffe, dass das Album eine Kehrtwende einleitet, nachdem kaum in der Metal-Presse besprochen wurde, was ich die letzten Jahre gemacht habe und CHANGELING von allen Leuten wahrgenommen wird, die sich für diesen Stil interessieren und die “Akróasis” mochten. Mich würde es froh machen, wenn ich den Leuten die für mich bestmögliche Klangerfahrung liefern kann. Ich bin sehr stolz und weiß auch, dass alle anderen Musiker auf dem Album sehr stolz darauf sind.
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| Band | |
|---|---|
| Stile | Progressive Death Metal, Progressive Metal, Technical Death Metal |
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Johannes Werner



















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