
Fluoryne
Ein Gespräch über "Transneptunian" und die Zukunft der Menschheit
Interview
Ich kenne dich sowohl als erfahrenen Naturwissenschaftler, aber auch als gesellschaftspolitisch äußerst wachen Geist. Wie stehst du generell zur Weltraumforschung? Eine zwingende Notwendigkeit für den Fortschritt und das Weiterbestehen der Menschheit oder eine Verschwendung von Ressourcen, die man dringender zur Lösung der aktuellen Krisen auf unserem Planeten verwenden sollte?
Puh – die Frage ist eine echte Herausforderung; und ich fürchte, dass ich ein wenig ausholen muss, um eine verständliche Antwort zu geben…
Ich hatte ja eben schon das Fermi-Paradoxon angesprochen: Where is everyone? Etwas ausführlicher formuliert: Bei der riesigen Anzahl an Sternen im Universum und der wahrscheinlich noch einmal größeren Anzahl an Planeten wäre es doch irrwitzig und in gewisser Weise ziemlich arrogant anzunehmen, dass die Erde der einzige Planet im ganzen Universum ist, auf dem intelligentes Leben entstanden ist.
Ein Cartoon von The Oatmeal fasst dieses Thema ziemlich treffend zusammen:

Wie schon erwähnt gibt es verschiedene Hypothesen dazu, warum wir (bisher) noch kein außerirdisches intelligentes Leben gefunden haben – eine davon ist die Dunkler-Wald-Hypothese, die ich eben schon erwähnt hatte; eine andere ist die des großen Filters: Hier ist die Annahme, dass jede Zivilisation sich selbst vernichtet oder ausstirbt, bevor sie in der Lage zu interstellaren Reisen ist.
Ich finde diese Erklärung sehr plausibel (und zumindest ein bisschen optimistischer als die Dunkler-Wald-Hypothese): Fortschritt (sei es evolutionärer oder technologischer) braucht unheimlich große Ressourcen – üblicherweise ist Fortschritt ein kumulativer Prozess über sehr lange Zeiträume, weil die benötigten Ressourcen nicht unbegrenzt und nicht jederzeit zur Verfügung stehen. Entwickelt sich eine Zivilisation in der durch die natürlichen Ressourcen (im Wesentlichen Sonnenenergie) vorgegebenen Geschwindigkeit, steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass es durch einen Meteoriten-Einschlag, Vulkan-Ausbrüche oder sonstige Naturkatastrophen zu Eiszeiten und Massensterben kommt, so rapide, dass es sehr unwahrscheinlich ist, auf diesem linearen Weg einen Entwicklungsstand zu erreichen, der interstellares Reisen erlaubt.
Die exponentielle Alternative – an der wir Menschen uns seit etwa 200 Jahren sehr intensiv versuchen – ist, die Verfügbarkeit von Ressourcen massiv zu steigern, zum Beispiel durch fossile Energieträger: Industrialisierung. Das Problem, was hierbei aber unweigerlich entsteht, beginnen wir seit etwa 20 Jahren zu spüren: Durch die Nutzung von nicht nachhaltigen Energieträgern beeinflussen wir das Gleichgewicht unseres Heimatplaneten in einer Weise, die es uns früher oder später sehr schwer oder gar unmöglich machen wird, auf diesem als Spezies zu überleben. Sofern wir nicht bald – als gesamte Menschheit – verstehen, was auf dem Spiel steht, und entsprechend handeln, werden wir nach Wegen suchen müssen, die Erde hinter uns zu lassen. Ich weiß nicht, ob uns dazu noch genug Zeit bleibt – aber ich weiß, dass falls nicht, es eine Variante des großen Filters wäre. Ich halte es für durchaus möglich, dass dieses Schicksal ganz typisch für andere mögliche Zivilisationen ist – denn exponentieller (technologischer) Fortschritt ist beinahe unmöglich, ohne die eigene Umwelt massiv zu beeinflussen.
Die andere Variante dieses großen Filters, die mir durch den Kopf geht, ist die, dass es in hochentwickelten Zivilisationen immer die Tendenz zu Konflikten / Kriegen geben wird – ein unerwünschter Effekt der Evolution / natürlichen Selektion, dem die Intelligenz offenbar gnadenlos unterlegen ist, wie sich auch heute immer wieder zeigt. Insbesondere, wenn es um Ressourcen geht, die für technologischen Fortschritt genutzt werden können, ist die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen riesig.
Der entscheidende Punkt ist hier, dass interstellare Reisen unfassbar viel Energie benötigen (sofern wir nicht einen Weg finden, die Raumzeit selbst zu modifizieren) – sobald aber solche Energiemengen verfügbar sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine militärische Nutzung dieser Energiequellen zu einer vollständigen Vernichtung der gesamten Zivilisation führt, massiv an. Je näher eine Zivilisation also an die Verwirklichung interstellarer Reisen kommt, desto näher kommt sie auch ihrer eigenen Vernichtung. Wie schon Onkel Ben sagte: Mit großer Macht kommt große Verantwortung.
Um also endlich deine Frage zu beantworten: Ich persönlich halte Weltraumforschung und die Suche nach Möglichkeiten zu interstellaren Reisen für sehr wichtig – denke aber auch, dass all das in rein zivilen Händen liegen sollte, und zwar nicht in Händen von größenwahnsinnigen alten weißen Männern wie Elon Musk. Natürlich heißt das nicht, dass wir die Probleme hier auf der Erde sich selbst überlassen sollten – aber muss es denn ein „entweder oder“ sein? Ich bin ein großer Freund des „und“ – fürchte aber, dass der weltweit zu beobachtende Trend gerade eher ein „weder noch“ ist.
Viele von den Orten, die du auf „Transneptunian“ bereist, befinden sich gleichzeitig unvorstellbar weit weg von unserer Erde und doch angesichts der Größe des Universums in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Selbst die Voyager-Sonden haben seit ihrem Start Ende der 1970er Jahre erst weniger als ein Zehntel der Entfernung zur Oortschen Wolke zurückgelegt, dem Ziel der auf „Transneptunian“ beschriebenen Reise. Wie lange wird es deiner Meinung nach dauern, bis die ersten Menschen diese Regionen des Weltalls selbst bereisen werden? Oder wird dies auf immer ein unerfüllbarer Traum bleiben?
Schön, dass dir die Kombination aus „unvorstellbar weit weg“ und „unmittelbarer Nachbarschaft“ aufgefallen ist – das war tatsächlich die Idee der transneptunischen Region als Konzept. Douglas Adams hat in „Per Anhalter durch die Galaxis“ treffend gesagt, dass ein sehr sehr sehr großer Raum einen besseren Eindruck von Unendlichkeit vermittelt als Unendlichkeit selbst:
It wasn’t infinity in fact. Infinity itself looks flat and uninteresting. Looking up into the night sky is looking into infinity – distance is incomprehensible and therefore meaningless. The chamber […] was anything but infinite, it was just very very very big, so big that it gave the impression of infinity far better than infinity itself.
Diese Idee spiegelt sich in „Transneptunian“ wieder – der äußere Bereich unseres Sonnensystems ist, obwohl immer noch sehr sehr sehr weit weg, „besser“ vorstellbar als die Entfernung der Sterne, die wir am Nachthimmel sehen…
Wenn man die Erde auf die Größe einer Murmel von etwa einem Zentimeter Durchmesser schrumpfen könnte, wäre die Sonne maßstabsgetreu eine Kugel von knapp eineinhalb Meter Durchmesser – in 150 Metern Entfernung. Neptun wäre in diesem Modell als fünf Zentimeter messende Kugel in viereinhalb Kilometern Entfernung zu finden. Sedna (das am weitesten entfernte transneptunische Objekt, das auf „Transneptunian“ vertreten ist) würde sich zwischen zwölf und 150 Kilometern Entfernung von der Sonne bewegen. Zum Vergleich: Um den der Sonne am nächsten gelegenen Stern (Proxima Centauri) zu erreichen, müsste man nach diesem Maßstab einmal komplett um die (echte) Erde – vierzigtausend Kilometer…
Ich glaube nicht, dass Menschen noch zu meinen Lebzeiten auch nur bis zum Jupiter vordringen werden – so wichtig ich Weltraumforschung auch finde, es zeigt sich momentan leider (insbesondere in den USA) ein massiver Niedergang naturwissenschaftlicher Bildung, die für eine sichere Reise in den Weltraum schlicht unerlässlich ist; und so lange es keine wirtschaftlichen Anreize in Form von einfach abzubauenden Bodenschätzen oder günstigen Wasserstoffquellen in den Gasriesen Jupiter und Saturn gibt, wird es auch niemanden geben, der oder die das finanziert. Der Traum wird dadurch sicher nicht grundsätzlich unerfüllbar – aber ich sehe ehrlich gesagt mittelfristig eher die Tendenz zu noch stärker wissenschaftsfeindlicher Politik, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Es ist schon auffällig, dass Rechtspopulismus immer mit Feindseligkeit gegenüber der (Natur-)Wissenschaft einhergeht…
Lass uns zum Abschluss wieder zurück zu deinen musikalischen Aktivitäten und zu FLUORYNE kommen. Wie wird es mit dem Projekt weitergehen? Weißt du schon, in welche Richtung du dich zukünftig entwickeln möchtest? Und welche Pläne hast du hinsichtlich anderweitiger musikalischer Engagements?
Fest steht bisher nur, dass es von FLUORNYE auch zukünftig Musik geben wird – wann es diese gibt oder wie genau die klingen wird, lässt sich momentan weniger sagen. Ich spiele gerade mit einigen ersten Ideen, es ist aber noch viel zu früh, um genauere Aussagen zu treffen. Was ich relativ sicher sagen kann, ist, dass die elektronische Komponente auch weiterhin eine große Rolle spielen wird.
Andere musikalische Engagements sind – mit einer Ausnahme, auf die ich dann gleich noch eingehe – aktuell zumindest nicht konkret in Aussicht. Es kann sein, dass es im Rahmen des Endzeit-Kollektivs irgendwann mal Pläne für Kooperationen geben wird, und es ist auch gut möglich, dass ich einen Beitrag zur nächsten VYRE-Veröffentlichung leiste, auch wenn ich kein festes Bandmitglied mehr bin.
Was momentan ganz konkret ansteht, ist die „Reunion“-Show von GEIST auf dem Ragnarök-Festival Ende April: Anlässlich des zwanzigsten Bandjubiläums hat Alboin die „Galeere“-Besetzung von 2009 reaktivieren können und wir werden ein Set mit Songs von den ersten drei Alben („Patina„, „Kainsmal“ und „Galeere„) spielen. Wir haben alle ziemlich Bock darauf und proben gerade fleißig…
Danke Falk für das spannende Gespräch und wir wünschen Dir für die Zukunft alles erdenklich gute!
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| Band | |
|---|---|
| Stile | Post-Black Metal |
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Florian Schörg































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