Imha Tarikat
"Wie hart ist es eigentlich, ein korrekter Kerl zu sein?"

Interview

Lass uns mal über die Highlights des Albums sprechen. Fangen wir mit “Memoria Dei” an. Der Song stellt fast eine Art Ruhepol im Kontext des Albums dar und reißt emotional sofort mit.

Boah, ich kann mich auch noch gut daran erinnern, wie es war, die Pre-Recordings der Vocals für den Song zu machen. Genau so emotional wie später im Studio. Die letzten Schreie waren schon herzzerrissen, das kam aus der tiefsten Tiefe. Der ganze Song ist eine Zerrissenheit zwischen Hingabe und Intensität; das, was IMHA TARIKAT ausmacht. Die ‘Sekte der Vernichtung’ steht auch für Leidenschaft, die so intensiv ist, dass sie Zerstörung verbreitet.

Die Zeilen “And a revelation does follow a sacrifice called / So into the fires my body I throw / Engulfing the world in hate-bearing smoke / Some call it madness – Mine call it love” bedeuten, sich dafür zu entscheiden, einen Weg zu gehen und der Überzeugung zu sein, rechtschaffen zu handeln, während man Dinge tut, die das Gegenteil von aufrichtigem Verhalten sind. Quasi alles aufzugeben, um einen Weg zu gehen, bis man zurückschaut und sieht, dass man alles niedergebrannt hat. Der vorletzte Teil ist eine Proklamation, mit seiner Überzeugung alles niederzuschlagen. Am Ende bleibt nur noch, dass das man teuflische Taten begeht in der Überzeugung, göttlich zu handeln – nicht im theistischen Sinne, sondern als Konzepte für gut und schlecht. Auch musikalisch ist das vom triumphalen Stampfen am Anfang zur Explosion am Ende auch festgehalten.

In dem Zusammenhang kam die Frage auf, wie wichtig dir der blasphemische Aspekt im Black Metal ist?

Das war irgendwo mal die Inspiration, kritische Diskurse zu gesellschaftlichen Themen, oder solchen, die mich selbst betreffen, anzuregen. Ich bin selbst auch religiös groß geworden und bis heute ist es sehr komplex für mich, darüber zu reden. Aber durch die Musik habe ich viel davon verarbeitet bzw. bin noch dabei. Am Ende der Reise bin ich noch nicht.

Ein weiteres Highlight des Albums ist der letzte Song “The Day I Died”. Warum musst du einen eigentlich immer in so einem großen emotionalen Loch zurücklassen? [Gelächter]

Eigentlich ist dieser Song so etwas wie eine Akzeptanz. Ich behandele Depression und Suizidgedanken. Der Song ist in zwei Teile geteilt, der erste ist eine Aufarbeitung. Ich erzähle, wie ich mich gefühlt habe. Ich benutze sehr wenige Worte, weil ich zu der Zeit, von der ich schreibe auch kaum Worte oder Gedanken finden konnte. Im zweiten Teil nach “Follow me to find new hope …” beschreibe ich eine Stimme, der ich eigentlich gar nicht bereit war zu folgen.

Ich lag so oft nachts im Bett und dachte ‘Morgen musst du was ändern.’ Ich habe irgendwann meinen Schulabschluss nachgeholt und eine Ausbildung gemacht, ein Studium begonnen, Musik gemacht und privat ist es auch wieder stabiler geworden. Aber diese Energie zu sammeln, da raus zukommen, war eine enorme Herausforderung. Das zu packen ist der zweite Teil des Songs. Ich bin dankbar, weil nicht jeder Mensch das schafft und nicht jeder Mensch diese Energie finden kann. Der letzte Part soll einen an die Hand nehmen und in die Luft reißen – “Reborn Into Flames”.

Wie ein Phönix?

Da habe ich gar nicht drüber nachgedacht, aber das würde durchaus passen. Ich brenne, aber ich bin nicht mehr getrieben von Schmerzen, sondern motiviert. Ich würde nicht sagen, dass ich vollkommen glücklich bin, aber das muss ich vielleicht gar nicht. Ich möchte nicht das Gefühl haben, irgendwann anzukommen, sondern immer lernen und entdecken. Das ist das, was mir am Leben Spaß macht. Ich habe keine Angst mehr davor, was morgen kommt. Okay, auf der ganzen Welt passiert immer noch absoluter Wahnsinn und … Frieden kann man viel wünschen, aber solange Menschen sich als andersartig betrachten, wird es so weitergehen. Egal, ich bin kein Geo-Politiker, ich bin einfach nur ein… Rocker. [Gelächter]

Wir wären ja schon viel weiter, wenn diese Einstellung mehr Leute teilen würden …

… oder jeder Mensch könnte sich einfach eingestehen, dass jeder Mensch okay ist, wie er ist und man auf einander Rücksicht nimmt. Wobei ich mich jetzt nicht als Heiligen darstellen möchte, aber ich habe immerhin die Absicht, Gutes für die Gemeinschaft zu schaffen.

Im Black Metal herrscht viel Elitarismus und das blanke Bedürfnis, Menschen herabzuwürdigen und auszuschließen, ist anscheinend Norm geworden. Eckst du mit deiner Einstellung manchmal an?

Gute Frage. Ich glaube, wir machen genau das, worauf wir Bock haben. Ich sehe mich gerade mit meinen Mitmusikern vor Augen und wie wir uns verhalten, wenn wir irgendwo sind. Wir fühlen uns so, als würde uns die Welt gehören und jeder sitzt mit uns an der Spitze. Wenn da irgendein Heini in der Ecke sitzt und böse guckt, sag’ ich trotzdem guten Tag und biete ihm ein Getränk an. Intensität ist nicht exklusiv.

„Die Szene sagt mir nicht, wie ich mich zu verhalten habe.“

Wir wollen nicht Revier markieren, sondern lieber in Erinnerung bleiben als die Leute, mit denen man ’ne gute Zeit hatte. Auch wenn wir auf die Bühne gehen und komplett ausrasten, kann mir keiner irgendwas davon nehmen oder sagen, wie ich etwas zu tun habe. Ich versuche die Szene nicht zu verändern, aber die Szene hat mir nicht zu sagen, wie ich mich zu verhalten habe. Und Teil einer gleichförmigen Masse zu sein, ist genau NICHT der Grund, warum ich Black Metal praktiziere. Für mich ist es eine Antikultur geworden, im Black Metal ’ne gute Zeit zu haben. Diese ganzen harten, unnahbaren Typen… Alter, wie hart ist es denn eigentlich, ein korrekter Kerl zu sein?

Lass uns noch mal über den Titelsong sprechen. Die Spannung lässt sich streckenweise kaum aushalten. Außerdem fängt er in der Mitte des Albums die Essenz gut ein.

Mir war wichtig, dass er die gesamte Reise von IMHA TARIKAT zusammenfasst, was wiederum ein Ergebnis aus meinem persönlich Leben darstellt. Auch im Text geht es um die Suche nach Antworten im Leben – auch in spiritueller Hinsicht. “I am the devil and the son of the lord / The splendor of god back to the roots of all”. Ich bin gleichzeitig die Suche nach dem Guten und der, der das Schlechte praktiziert.

Abschließend noch: Du hast in den letzten Jahren eine beachtliche Menge von Musik geschrieben und aufgenommen. Hattest du jemals so etwas wie eine Blockade?

Das kommt phasenweise. Bei einem Inspirationsschub kann ich durchballern und schreibe einen Song direkt über mehrere Tage hinweg. Es kommt darauf an, ob ich dabei etwas fühle oder es etwas in mir bewirkt – ansonsten überarbeite ich es einfach, bis sich das entsprechende Gefühl einstellt.

Lieber Kerem, danke für das schöne Gespräch. Wir sehen uns spätestens bei der Walpurgisnacht.

Galerie mit 35 Bildern: Imha Tarikat - De Mortem Et Diabolum 2024

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Quelle: Kerem Yilmaz
11.07.2025

Redakteur

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