Sincarnate
Interview mit Giani Stanescu zu "As I Go Under"

Interview

Die aus Bukarest, Rumänien, stammende Doom/Death-Metal-Formation SINCARNATE hat mit „As I Go Under“ ein hochinteressantes aber auch schwerverdauliches Albumdebüt veröffentlicht, mit dem man sich beschäftigen muss, bevor man die Schönheit der Songs erkennt und den tieferen Sinn dahinter beginnt zu begreifen. In unserem Interview erzählt Giani Stanescu (Gitarre) über Weihnachten, Philosophie und Buddhismus, und natürlich auch über das Geheimnis von „As I Go Under“.

Sincarnate

Salut Giani! Vor einigen Wochen war es Weihnachten. Warst du auch im Stress wie so viele andere Leute kurz vor den Feiertagen, oder ist diese Zeit für dich genau wie alle anderen Tage des Jahres auch eine ganz normale Zeit?

Vielleicht wird dich meine Antwort etwas überraschen, aber für mich hat Weihnachten ehrlich gesagt sogar eine ziemlich wichtige Bedeutung, denn an einem dieser Tage wurde jemand geboren, der die Welt für immer geandert hat. Es spielt gar keine Rolle, ob dieser Mensch wirklich existiert hat, ob und wie er geboren und vielleicht getötet wurde, denn das Wichtigste ist, dass wir, wenigstens im Westen, immer noch mit diesem Gedanken im Hinterkopf leben und entsprechend gewisser Werte handeln. Für mich ist es wichtig zu wissen, was vor dieser Geburt geschehen ist, und wie sich die Welt danach verändert hat und wie sich die Welt immer noch ändern kann.

SINCARNATE ist eine Band, die im deutschsprachigen Raum noch keinen Bekanntheitsgrad erlangt hat, obwohl ihr in diesem Jahr sogar auf einem kleinen Festival, dem Gahlen Mosht Open Air gespielt habt. Stell die Band doch deshalb einmal kurz vor: Wer gehört zur Band? Wie würdest du jemandem SINCARNATE beschreiben, der euch zuvor noch nie gehört hat?

Mmmm… Deine Behauptung, dass wir in Deutschland noch überhaupt nicht bekannt sind, stimmt einfach nicht. Wir haben uns in Deutschland noch nicht richtig in Szene setzen können, das ist richtig, aber wir haben dort jetzt schon mehrmals gespielt, vor allem in Dresden und in der Umgebung. Nach unserem ersten Auftritt in Dresden, waren die Leute dort so begeistert, dass wir immer wieder nach Deutschland eingeladen worden sind.

SINCARNATE wurde von mir, unserem ersten Gitarristen Catalin, der jetzt nach Italien umgezogen ist, und unserem Sänger Marius, mit dem ich auch zusammen zur Schule gegangen bin, vor rund sechs Jahren gegründet. Im Laufe der Zeit haben wir unser Line-Up mit Razvan (Bass), Cristi (Keyboards), Gigi (Schlagzeug) und Nicu (Gitarre) ergänzt. Wir haben von Anfang an so eine Art Doom-Death-Metal gespielt und sind dem Genre auch treu geblieben. Dass bedeutet aber nicht, dass wir mit SINCARNATE alte Sachen noch einmal aufwärmen wollen, sondern wir wollen auf Basis des Genres etwas Neues schaffen und spielen dabei mit ganz unterschiedlichen Einflüssen, die vielleicht nicht immer genretypisch sind.

In meinem Review zu „As I Go Under“, eurem Debütalbum, habe ich als Referenzen Bands wie PARADISE LOST, TIAMAT, MY DYING BRIDE und MELECHESH erwähnt. Bist du mit solchen Vergleichen einverstanden, oder habt ihr ganz andere Einflüsse?

Ich kann nicht leugnen, dass die von dir erwahnten Bands auch einen gewissen Einfluss auf unsere Musik genommen haben, letztendlich liegen uns diese Bands ganz besonders am Herzen. Aber es gibt noch eine Menge anderer Einflüsse oder Bands, die wir alle mögen und sicherlich auch unbewusst mit in unseren Sound einflechten, wie zum Beispiel SUFFOCATION, HYPOCRISY, DISSECTION, DEAD CAN DANCE, DEPECHE MODE, LOREENA MCKENNITT, VIOGRESSION, LEONARD COHEN und PORTISHEAD.

„As I Go Under“ habt ihr in Eigenregie produziert und ihr verkauft das Album auch selbst, obwohl ihr, soweit ich informiert bin, einige Angebote von Plattenfirmen vorliegen hattet. Warum habt ihr das Album nun doch selbst veröffentlicht?

Eigentlich ist „As I Go Under“ von Hatework produziert worden, eine rumänische Konzert-Agentur und ein kleines Label. Wir hatten die Platte übrigens bereits im März 2010 fix und fertig und wollten unsere letzte negative Erfahrung mit Veröffentlichungen nicht wiederholen, denn damals mussten wir fast ein Jahr darauf warten, bis unsere EP endlich zu kaufen war. Die Angebote, die wir aus dem Ausland bekommen haben, waren alle für 2011 angesetzt, und dass war für uns als Release viel zu spat. Hatework hat eine sehr gute Arbeit gemacht und konnte die Platte im Oktober fertigstellen. Wir sind also ganz zufrieden damit, wie diesmal alles gelaufen ist.

Die Texte eures Albums sind zum Teil sehr philosophisch und stimmen nachdenklich. Man muss sich mit den Themen auseinandersetzen, um die Songs letztendlich auch zu verstehen. Etwas Schade finde ich es, das habe ich auch in meinem Review geschrieben, dass die Texte leider nur in Fragmenten im Booklet abgebildet sind. Warum habt ihr die Texte nicht vollständig abdrucken lassen?

Uns sind die Texte sogar sehr wichtig, und man würde wenig von unserer Musik haben, wenn man die Texte überhaupt nicht beachtet. Insofern hast du natürlich recht. Aber wir wollen auch, dass sich die Leute mit den Songs auseinandersetzen. Dass das nicht so einfach ist, muss ich eingestehen. Die Texte im Booklet sind allerdings vollständig, aber die Refrains und Zeilen, die sich wiederholen, haben wir weggelassen. Schwierig wird es an dem Punkt, die Handschrift der Texte zu entziffern. Uns erschien es aber wichtig, das Booklet in Briefform darzustellen, auch deswegen haben wir die Texte in Handschrift abdrucken lassen. Die Anordnung der Songs, die ersten Buchstaben, die Nummern und jeder Songtitel ist nicht zufällig so gewählt. Man kann natürlich jeden Song für sich selbst betrachten, aber auf einer tiefsinnigeren Ebene sind alle Songs und auch das visuelle Konzept miteinander verbunden und ergeben ein Ganzes.

Jetzt fragst du dich sicherlich, warum wir so ein Geheimnis aus diesem Konzept machen? Das ist einfach zu beantworten: Nicht alle Menschen können mit bestimmten Themen umgehen und ich möchte nicht, dass diese Leute beginnen Fragen zu stellen und sich damit selbst ein Leid antun. Ich bin der Meinung, dass bestimmte Sachen vor nicht eingeweihten Personen verschlossen bleiben sollten. Deswegen benutze ich für unsere Texte oft bekannte Mythen, zum Beispiel Ödipus in „Getting Over Jocasta“, die ewige Wiederkehr in „Song Of Eternal Return“, Sisyphos in „I Defy Absurdity“ oder Orpheus und Eurydike in „Doomed As We Are“ auf der einen Seite für diejenigen, die nicht tiefer gehen wollen, so dass die Songs schon bedeutungsvoll bleiben, und auf der anderen Seite für diejenigen, die schon mit den Themen vertraut sind, Hinweise anzubieten, die helfen können, mehr zu entdecken.

Warum beschäftigt ihr euch gerade mit solchen Themen, die im Album zur Sprache kommen? Was hat euch an diesen Themen fasziniert?

Persönlich war ich schon immer von der menschlichen Seite der Welt fasziniert, und damit beschäftigen sich auch unsere Songs. Ich habe Philosophie studiert und bin auch ansonsten sehr an Religion, Psychologie, Anthropologie, Kultur und Kunstgeschichte interessiert. Und diese Interessen versuche ich in Texte zu verfassen. Meiner Meinung nach ist und bleibt der Mensch das größte Geheimnis des Universums, und obwohl Fragen wie „Warum sind wir hier?“, „Wo kommen wir her?“ und „Wo gehen wir hin?“ unmöglich sind zu beantworten, denke ich ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen.

Das Highlight des Albums ist meiner Meinung nach das von orientalischen Melodien getragene „Nurturing The Gods Of Doubt“. Wovon handelt dieser Song und wie wichtig ist er dir persönlich?

Der siebte Song auf dem Album, das siebte Schritt in Richtung Nichtigkeit. Wir wollten ein orientalisches Thema fur den siebten Song haben, weil er uber das extrem-orientalische Denken uber Leben und Tod handelt. Die Sieben ist auch sehr wichtig im Buddhismus – jeder von uns, einmal geboren, muss sich mindestens siebenmal verkörpern, bevor er die Gelegenheit bekommt, sich wieder ins Nirvana (Nichtigkeit) zuruckzukehren. Wenn du dich nach sieben Verkörperungen nicht an alle Leben, die du gelebt hast, erinnern kannst, musst du einen neuen Zyklus von sieben Verkörperungen durchlaufen…

Ich habe euch jetzt schon zweimal live gesehen. Das erste Mal vor zwei Jahren als Opener für MOONSPELL, und jetzt am 31.10.2010 während der Release-Show zu „As I Go Under“ als Teil des Hatework Festivals in Bukarest mit ILLDISPOSED, SEAR BLISS, DORDEDUH und OBSCURA. Wie wichtig sind euch solche Auftritte?

Es ist uns sehr wichtig live zu spielen und die Gelegenheit zu haben, unsere Musik möglichst vielen Menschen näher zu bringen. Wenn du an etwas wirklich glaubst, hast du auch den Antrieb deine Ideen zu verbreiten; und live zu spielen ist einer der besten Wege, dies zu bewerkstelligen.

Eine Frage, die ich vielleicht nicht dir stellen sollte… Es ist mir bereits vor zwei Jahren aufgefallen, und jetzt noch einmal auf dem Hatework Festival ganz besonders: Marius, euer Sänger, wirkt auf der Bühne sehr in sich gekehrt und bewegt sich kaum. Ist Marius ganz besonders auf die Texte konzentriert, oder verliert er sich schnell in der eher melancholischen Musik? Wie beurteilst du allgemein die Bandaktivitäten auf der Bühne?

Ich kann natürlich nicht für Marius antworten, das müsstest du wirklich ihn selbst fragen, aber ich weiss, dass er unsere Lyrics sehr ernst nimmt. Wenn du unsere Songs „predigst“ und sie auch glaubwürdig darbietest, kannst du dies kaum in einem „lebendigen“ Seelenzustand bewerkstelligen. Unsere Musik ist auch nicht gerade für Stagediving oder wilden Ausrastern auf der Bühne gedacht, sondern sie klingt sehr traurig und depressiv… Aber du könntest schon Recht haben, dass wir mit einer „lebendigeren“ Präsenz auf der Bühne profitieren könnten, um das Publikum intensiver in unseren „Trip“ einzubeziehen. Aber…wer will schon bereitwillig ein bisschen sterben? (lacht)

Ich danke dir, Giani! Möchtest du noch etwas ergänzen oder unseren Lesern mitteilen?

Ich bedanke mich sehr für die Fragen, vor allem, weil diese Fragen wirklich von Bedeutung sind. Den Lesern dieses Interviews möchte ich zu einem Experiment aufrufen, sich einmal eine Minute Zeit zu nehmen und sich im Spiegel zu betrachten und dann die Frage zu beantworten: „Was fange ich mit mir wirklich an?“ Vergiss nicht, obwohl wir alle jeden Tag so leben als wären wir unsterblich, ist die einzige Sache, die wir mit Sicherheit beantworten können, dass niemand von uns unsterblich ist.

22.01.2011

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