Hellfest
Der Bericht - Hellfest 2010

Konzertbericht

Konzert vom 2010-06-18 | , Clisson, Frankreich

Sonntag, 20. Juni

Auf einer Mächtigkeitsstufe mit ASPHYX und CARCASS anzusiedeln, boten die Brutal-Death-Metal-Veteranen SUFFOCATION aus New York am Sonntagnachmittag wohl mit die energiegeladendste Show des gesamten Festivals. Frank Mullen grunzte sich tief und psychopathisch-sympathisch durch das aus Hämmern wie “Pierced From Within“, “Jesus Wept“ oder “Entrails Of You“ bestehende Programm, während die Saitenfraktion schwer bangte und mit Smiths Schlagzeugspiel einen knüppelharten Sound kreierte.

Die Stimmung war dementsprechend nah an der Obergrenze und bei der Uralt-Nummer “Catatonia“ von der 1990er “Human Waste“-EP brachen dann alle Dämme: Der ohnehin schon nicht unansehnliche Moshpit vor der Bühne weitete sich auf das gesamte vordere Drittel des Zeltes und damit viele hundert tobende Menschen aus – vom nach drei Tagen Festivalgetöse schon völlig vernichteten Grasboden vor der Bühne blieb dabei nur eine braune Staubwolke.

Nach dem wirklich heftigen und mitreißenden Orkan namens SUFFOCATION konnten ihre Landsmänner von NILE in der Folge trotz einer guten, druckvollen Darbietung im direkten Vergleich nur verlieren. Man hatte – wie auch schon auf der Tour Anfang des Jahres – mit “Kafir“oder “Hittite Dung Incantation“ einige Nummern des neuen Albums “Those Whom The Gods Detest“ im Gepäck, gegen Ende des Sets kamen zunehmend auch ältere Stücke wie “Lashed To The Slave Stick“, “Sarcophagus“ oder “Black Seeds Of Vengeance“ zu ihrem Recht.

Kurz vor vor 22 Uhr wurde es Zeit für den Co-Headliner des Sonntags: SLAYER – ja, was soll man zu diesen Herren noch sagen? Wie auch schon im Jahre 2008 (damals noch als Headliner) an gleicher Stelle wirkte es so, als ließe man sich schnell mal einfliegen, um sein Programm herunterzunudeln und dann möglichst schnell wieder abzudampfen. Nun, das ist wohl Realität, auch bei anderen Bands, aber diese lassen es sich zumindest nicht so anmerken wie die alten, satten Totschläger aus Kalifornien. Gut, Tom Araya schien für seine Verhältnisse sogar halbwegs gut und zu (müden) Scherzen aufgelegt, aber von einer Truppe mit solch einem klangvollen Namen muss einfach mehr kommen.

Die Setlist war dann auch ebenso überraschend wie der gesamte Auftritt Feuer hatte – mit “Angel Of Death“, “Raining Blood“ oder “South Of Heaven“ gab es wieder nur die üblichen und schwer ausgelutschten Verdächtigen, auf Nummern von den ersten beiden (und besten) Alben der Band wartete man vergebens.

Was bescheiden als GARCIA PLAYS KYUSS angekündigt war und im Terrorizer-Zelt abseits des großen KISS-Spektakels stattfinden sollte, geriet schließlich zu einer Beinah-Wiedervereinigung der Stoner-Rock-Legende aus Palm Desert, Kalifornien. Während man bei KISS ab 23 Uhr schon die ersten Dutzend Böller gezündet hatte, trat im stickigen, verrauchten Terrorizer-Zelt John Garcia zunächst mit einigen fähigen, aber eben unbekannten Aushilfsmusikern auf die Bühne. Beeindruckend, wie nah man dem berühmten, trockenen, tiefen und druckvollen Desert-Klang der Studioalben auf Anhieb kam. Es kommt hier eben wirklich auf die Details an, und man kann den Leuten am Mischpult nur dazu gratulieren, das Drücken der erdigen, brutzelnden Gitarrenklänge, die Kyuss quasi erfand, so gut hinbekommen zu haben. Das Repertoire deckte alle Alben außer dem ersten ab und man wagte auch ausgesprochen lange Stücke wie „Spaceship Landing“, die an die übliche Drei-Minuten-Radiotaktung gewöhnte Hörer sofort als langweilig bezeichnen würden. Kein Wort davon natürlich bei den anwesenden Enthusiasten, die genießen, wie die eingänigen Riffs ein ums andere Mal wiederholt, neu variiert und umgeschmolzen werden. Dabei hielt man sich übrigens so erstaunlich nah an die Arrangements der Studioalben, dass man meinen könnte, die Lieder seien gerade erst geschrieben und aufgenommen worden.

Als Schmankerl holte Garcia dann den alten Bandkollegen Nick Oliveri, der schon vorher mit seiner nach dem Ende von KYUSS gegründeten Zappeltruppe MONDO GENERATOR („Meth, I Hear You Calling“) einen kraftraubenden Auftritt absolviert hatte, auf die Bretter. Doch auch der quirlige Mann mit dem Bart und dem Bass spielte in sichtbarem Respekt vor dem eigenen Werk die KYUSS-Songs schnörkellos und hochkonzentriert. Wenig später nahm dann noch Brant Bjork persönlich, auch er schon einige Stunden vorher mit THE BROS vor Publikum, wie zu alten Zeiten seine Arbeit am Schlagzeug auf. Nun fehlte eigentlich nur noch Josh Homme, der sich nach dem Zerwürfniss mit Oliveri im Zusammenhang mit QUEENS OF THE STONE AGE 2004 jedoch wohl leider nicht so schnell mit den alten Kollegen die Ehre geben wird; erst recht nicht im Schatten des ganz großen Zirkus, wie er auf Festivals eben nicht im Zelt, sondern unter freiem Himmel gegeben wird.

Setlist KYUSS

01) Asteroid
02) Thumb
03) Hurricane
04) One Inch Man
05) Freedom Run (mit Nick Oliveri)
06) Supa Scupa & Mighty Scoop
07) Spaceship Landing
08) Allen’s Wrench
09) Gardenia (mit Nick Oliveri und Brant Bjork)
10) Green Machine (mit Nick Oliveri und Brant Bjork)
11) 100 Degrees
12) Rodeo
13) Whitewater

Und dieser ganz große Zirkus, er hatte es wirklich in sich: Das Gelände hatte sich kurz vor 23 Uhr bis weit hinter den Soundturm gefüllt, bis vor die Bierstände 30 Meter weiter hinten wurde es eng. Unterstützt von einer imposanten Show mit jeder Menge Pyrotechnik und eindrucksvollen Hebebühnen-Einsätzen feuerten KISS zwei Stunden lang all ihre Hits wie “Love Gun“, “Detroit Rock City“ oder “I Was Made For Lovin‘ You“ in die größte Menschenmasse, die das Hellfest bisher gesehen hatte.

Setlist KISS

01) Modern Day Delilah
02) Cold Gin
03) Let Me Go, Rock’N’Roll
04) Firehouse
05) Deuce
06) Say Yeah
07) Crazy Crazy Nights
08) Shock Me
09) I’m An Animal
10) 100.000 Years
11) Solo Gene/I Love It Loud
12) Love Gun
13) Whole Lotta Love/Black Diamond
14) Detroit Rock City
——————-
15) Lick It Up
16) Shout It Out Loud
17) I Was Made For Lovin‘ You
18) God Gave Rock’N’Roll To You
19) Rock’N’Roll All Nite

Man merkte den mittlerweile stramm auf die 60 Lenze zugehenden Herren ihr Alter und ihre 37 Jahre im Rock-Business nicht an. Zwar konnte man dem Auftritt eine gewisse Routine nicht absprechen, aber Paul Stanley, für seine 58 Jahre wirklich erstaunlich gut in Form, interagierte ständig und durchaus sympathisch mit der KISS-Army, schwebte letztlich über diese hinweg, während Bassist Gene Simons auf überdimensionalen Plateausohlen auf der Bühne hin und her stapfte, den Fans regelmäßig die Zunge entgegen streckte und als Krönung mit seinem Fledermauskostüm hoch über der Bühne herum flatterte, während ihm Kunstblut aus dem Mund floss.

Neu mag all das nicht sein, aber das schwarz-weiß geschminkte Quartett schafften es an diesem Abend, Altbekanntes und nostalgische Gefühle mit Frische und Spielfreude zu einem Konzert zu verschmelzen, das einen schönen und würdigen Abschluss für ein traditionell äußerst angenehmes Festival mit vielen erinnerungswürdigen Momenten – zu denen insbesondere die Auftritte von SLASH, CARCASS, SUFFOCATION, KYUSS und eben KISS zählen – bildete. Man darf gespannt sein, was sich das Hellfest-Team für 2011 Nettes einfallen lassen wird.

Hellfest

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28.06.2010

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