Amorphis - Circle

Review

AMORPHIS hatten schon immer ihren ureigenen Sound, aber seit Sänger Tomi Joutsens Einstieg, und somit seit mittlerweile vier Alben sind Kunst und Ausdruck der Finnen unverwechselbar. Und egal, welche der letzen Scheiben man zu seinem persönlichen Favoriten erklärt, den 2006 erschienenen Neuanfang „Eclipse“, auf dem alles noch so frisch und innovativ klang, oder (wie in meinem Fall) das von überragendem melodischem Verständnis nur so triefende „Skyforger“  – jedes der vier Alben hatte seine eigene Identität und Qualität, bei jedem war man aber auch dazu geneigt, sich den einen Punkt zum Perfektionismus noch vorzuenthalten, für das nächste große Werk, das ganz sicher alle anderen überstrahlen würde.

Produzent Peter Tägtgren (HYPOCRISY, PAIN) hat der Band nun jenen Feinschliff verpasst, der auf „The Beginning Of Times“ wahlweise fehlte oder vielleicht gar nicht gepasst hätte: Auf „Circle“ dominieren die Gitarren in jedem Song, sie sind organisch und laut, entstammen dem Death- und Black Metal, und sie schicken AMORPHIS plötzlich wieder mit Karacho auf die Überholspur. Was „Circle“ zu einem ganz besonderen Album macht, ist die wirklich grandiose Verschmelzung dieser wiederentdeckten Wildheit mit all den progressiven, folkischen und klassischen Elementen, mit der AMORPHIS sich in die Herzen von so Vielen gespielt haben. Dass man sich textlich diesmal vom „Kalevala“-Epos wegbewegt hat und stattdessen eine von finnischer Mythologie angehauchte Story über einen glücklosen Mann erschaffen hat, der Frieden und Seelenheil dank der Hilfe finnischer Gottheiten findet, kommt dem Songmaterial offenbar zusätzlich zu Gute. Der Opener „Shades Of Grey“ ist ein wahres Karrierehighlight der Band. Schwere Metalriffs, tiefe Growls von Tomi in den Strophen und ein alles überragender, epischer Refrain machen aus dem zunächst vermeintlich etwas bemühten Song nach einigen Durchläufen ein wahres Prachtwerk. „Mission“ fährt etwas deutlicher im Fahrwasser des Vorgängers, mit folkigem Intro und den bekannten verträumten Melodien, und „The Wanderer“ ist die erwartete, eingängige Rocknommer im „House Of Sleep“/“Silver Bride“-Stil. Ein Hit mit Ohrwurmqualitäten – und trotzdem nicht die erste Single des Albums.

Diese gibt es Form des Fans sicher bereits bekannten „Hopeless Days“, bei dem der Gesang in den Strophen ein wenig an 80er Jahre Power Metal erinnert. „Nightbird’s Song“ ist ein faustdicke Überraschung mit Black Metal-Vocals und einem klassichen Melodic Death-Ansatz, natürlich nicht ohne die bandtypischen Hooklines – wer sagte nochmal, AMORPHIS könnten nie mehr an ihre „Tales From A Thousand Likes“-Blaupause anknüpfen? „Enchanted By The Moon“ ist ebenfalls relativ aggressiv, „Narrowpath“ überrumpelt den Hörer mit JETHRO TULL-artigen Flöten und anderen Prog-Einflüssen, „Into The Abyss“ mit IRON MAIDEN-Leads und (wieder einmal) völlig erhabenenen Melodien. Und bei der Schlussnummer „A New Day“ lassen es sich AMORPHIS nicht nehmen, ein paar Experimente zu wagen, und schließen den Kreis am Ende mit atmosphärischem Ausklang.

All das, begleitet von AMORPHIS unvergleichlicher Stimmung, mit ihrem Verständnis für Emotion und positiver, unkitischiger Ausstrahlung, verdient eine ganze Menge Anerkennung. Lediglich das veränderte Soundgewand verhindert die Höchstnote – das wird unter Umständen nicht jedem Gefallen.

14.04.2013
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