Amorphis - Halo

Review

AMORPHIS schaffen es seit gefühlten Jahrzehnten, immer wieder in regelmäßigen Abständen neue Alben zu veröffentlichen, die immer unverkennbar nach AMORPHIS klingen und alle Trademarks beinhalten, gleichzeitig aber im Detail Unterschiede aufweisen und dadurch frisch bleiben. Vertraut und dennoch neu. Und das Ganze auch noch beständig auf hohem Niveau. Nun liegt inzwischen mit „Halo“ das 14. Studioalbum vor und, um es gleich vorweg zu nehmen, es bricht keineswegs aus der Linie aus.

Im losen lyrischen Konzept werden Vergangenheit und Gegenwart zusammengeführt

„Halo“ wird von einem losen lyrischen Konzept zusammengehalten, das sich wieder einmal auf das finnische Nationalepos „Kalevala“ beruft. Pekka Kainulainen, Texter seit „Silent Waters“ (2007), vereint in seinen bildhaften Texten, deren Wurzel aus der archaischen finnischen Poesie in modernes Englisch übersetzt wurde, die tausende von Jahren alten mythologischen Geschichten zu zeitlosen, modern interpretierten Botschaften für das hier und jetzt. „Halo“ bildet indes auch das Finale der Triologie, welche mit „Under The Red Cloud“ (2015) begonnen und „Queen Of Time“ (2018) fortgeführt worden war.

AMORPHIS setzen auch sonst auf Kontinuität

Das neue Album „Halo“ ist bereits das dritte Werk in Folge, welches AMORPHIS zusammen mit Produzent Jens Bogren aufgenommen und produziert wurde. Dieser hatte sich elf Songs aus den insgesamt dreißig von AMORPHIS zur Verfügung gestellten Stücke ausgesucht, wobei „My Name Is Night“ noch aus den Sessions für „Under The Red Cloud“ stammte. Teilweise flossen Elemente von nicht verwendeten Songs in die Stücke von „Halo“ ein. Der Klang ist transparent, druckvoll und recht organisch.

Stilistisch sind AMORPHIS ihrer Grundformel treu geblieben und grasen gewohnt melodieverliebt und melancholisch wieder den Progressive-, Melodic Death- und Folk Metal ab und halten an ihren ureigenen Trademarks fest. Das Cover Artwork, erneut von Valnoir Mortasonge, erinnert etwas an Yin & Yang, dunkel und hell bilden gegensätzliche Kontraste, passt damit also perfekt zur dynamikreichen Musik, die ebenfalls viele Gegensätze enthält.

Das stürmisch opulente „Northwards“ eröffnet mächtig und majestätisch „Halo“. Nach einer atmosphärischen Einleitung mit Piano entwickelt sich das düstere Stück mit wuchtigem und zugleich melodischem Riffing mit leicht orientalischen Vibes, in den Strophen tiefe Growls, der cleane Refrain, spaciges Keyboardsolo, starke eingängige Hooks, etwas Chorgesang, alles perfekt miteinander kombiniert. AMORPHIS durch und durch und ein gutes Bindeglied zum Vorgänger „Queen Of Time“. Auffällig ist, dass der Klargesang von Tomi Joutsen etwas heller, klarer und stabiler daherkommt, der gute Mann hat sich nochmals gesteigert. „On The Dark Waters“ ist dann ruhiger, entschlackter, zugänglicher und poppiger, dennoch anmutig, wozu insbesondere der jazzig verspielte Anfang beiträgt. Hervorzuheben sind hier insbesondere die starken Growls, die klassischen Metal-Riffs und der hitverdächtige Refrain, was aus dem Stück einen epischen Ohrwurm macht, der etwas an „Death Of A King“ erinnert. Das fast schon balladeske, melancholische „The Moon“ glänzt mit dezent poppigen Vibes mit Piano, verträumten Melodien und hochmelodischem Refrain, mit seiner spannenden Dynamik geht es stilistisch in Richtung „Skyforger“. Mit „Windmane“ folgt der sperrigste Song des Albums, prog-rockig mit interessanten vertrackten Rhythmen und einigen Djent-Riffs sowie ausufernden Keyboard- und Gitarrensoli. Bei „A New Land“ erhält Tomi in den Strophen weibliche Unterstützung in der Zweitstimme von Noa Gruman (SCAR DUST), während das eingängige „When The Gods Came“ ein echter Hitsong mit modernem Riffing und folkigen Elementen ist. Dann gibt es noch das oldschoolige Death Metal Stück „The Wolf“, in das aber auch Beats & Loops völlig homogen eingeflochten wurden! Oder „My Name Is Night“ mit Violine und Leadgesang von Emanuelle Biani.

AMORPHIS halten das hohe Niveau!

Auf alles einzugehen, was die facettenreichen AMORPHIS auf „Halo“ bieten, würde hier den Rahmen sprengen. Es gibt viel zu entdecken, das neue Album sollte am Stück gehört werden, damit es sich vollends entfaltet. Verglichen mit „Queen Of Time“ ist das geschmackvoll umgesetzte „Halo“ etwas reduzierter, weniger episch bombastisch ausgefallen, dafür etwas aggressiver. Dennoch wurden natürlich die fragileren Momente in den nach wie vor vielschichtigen Klangwelten als auch die orientalischen Elemente durchaus beibehalten, die Gitarristen leben sich aus und geizen nicht mit Melodien, gleichzeitig der Anteil am Klargesang etwas erhöht, womit der kontrastreiche, dynamische und charakteristische Stilmix erhalten bleibt.

Mit ihrer gelungenen Gratwanderung zwischen erstklassig anspruchsvollem, aber auch gleichzeitig höchst eingängigem Songwriting, das sowohl den eigenen unverkennbaren Wurzeln Rechnung trägt als auch stilistische Frische und kleine, subtil eingearbeitete Experimente bietet, zählen AMORPHIS zu den originellsten Vertretern ihrer Zunft, sind und bleiben in ihrer ureigenen, unverkennbaren Nische. Ein wahrer Ohrenschmaus!

03.02.2022

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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