Auringon Hauta - Muinaisia Muisteloita, Noita Syntyjä Syviä

Review

Arto Paasilinna. Das ist es, was mir als einzig sinnvolle Einleitung zu dieser ziemlich schrägen Platte einfällt. Mir ist schon klar, dass die meisten Metalfans damit erstmal nichts anfangen können. Nicht, weil sie kein Finnisch können. Das kann ich auch nicht. Aber lesen kann ich, und ich habe in meinem Leben schon den ein oder anderen Roman von eben jenem Arto Paasilinna gelesen – der Mann ist einer der bekanntesten finnischen Autoren und veröffentlicht seit 35 Jahren in jedem Herbst ein neues Buch. Die Handlung ist immer relativ ähnlich und erzählt vollkommen absurde, abwegige, aber ziemlich witzige Geschichten, die wir aus mitteleuropäischer Sicht wohl als „typisch finnisch“ bezeichnen würden. Da geht es vor allem ums Saufen, ums Rumhuren, um Selbstmordgedanken, um schräge, aber liebenswerte Typen, um finnische Folklore, die schöne Natur des Landes und das spezielle Gemüt seiner Einwohner. Ohne viel von Finnland zu wissen: dieses Debütalbum ist für mich wie ein Soundtrack zu einem Arto Paasilinna-Roman.

AURINGON HAUTA musikalisch grob ins Genre Folk (oder zur Not sogar Pagan) Metal einzusortieren, wird der relativ jungen Band, die schon ein paar Jahre unter dem schwedischen Namensäquivalent SOLGRAV unterwegs war, nur bedingt gerecht. Auch wenn die vier sehr bodenständig wirkenden Jungs durchaus eine Affinität zum Metal haben, die wohl aus ihrer Black Metal-Vergangenheit resultiert, ist ihre Herangehensweise auf „Muinaisia Muisteloita, Noita Syntyjä Syviä“ im Kern eindeutig folkig. Das macht sich nicht nur in dem fast durchgehend cleanen Gesang (teilweise auch Kehlkopfgesang!) bemerkbar, sondern auch in der vielfältigen Instrumentierung mit Kantele, Flöte, Jouhikko, Maultrommel, Harmonium, schamanischen Trommeln und diversen Akustikgitarren. Darin ähneln AURINGON HAUTA durchaus vielen ihrer Kollegen, die ebenfalls ganze Wagenladungen traditioneller Instrumente ins Studio schleppen. Diese mit einer Standard-Metalband zu verbinden, ist keine ganz neue Idee und wird auch von diesen vier Finnen auf ihrer ersten Platte nicht auf ein revolutionäres Level gehoben. Immerhin sind die Metalelemente hier aber nicht von düdeliger Polkanatur, sondern eher stampfend und gemäßigt, insgesamt sogar eher verschroben als beschwingt. Sucht man nach Vergleichen, fallen mir da am ehesten alte SKYFORGER ein (vor allem die tief wummernden Gitarren erinnern deutlich an „Semigalls Warchant“), und dann vielleicht noch METSATÖLL – wobei AURINGON HAUTA den weit besseren Sänger haben.

Was „Muinaisia…“ außerdem vom stereotyp-peinlichen Pagan Metal-Album unterscheidet, sind zwei ganz grundlegende Dinge: einmal setzen AURINGON HAUTA die Folkelemente gezielt, geschmackvoll und in ihrer ursprünglichen Form ein. Das bewahrt der Band eine gewisse rustikale Authentizität und einen Traditionsverbundenheit, die Folk Metal-Truppen in der Regel vor lauter Fellen und Hörner aus den Augen verlieren und die besonders erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass die Jungs in einem Alter sind, in dem viele junge Leute hierzulande nicht einmal mehr die Namen ihrer Großeltern wissen. Zum anderen beweisen sie – das zeigen die zwei auf der Homepage veröffentlichten Videos – eine riesige Menge Humor, auch und vor allem sich selbst gegenüber. Das ist ungemein einnehmend und erleichtert den Zugang zu einer nicht immer ganz leichten und selten völlig eingängigen Platte. Wenn man sich allerdings ein wenig Zeit nimmt, hat „Muinaisia…“ eine Menge interessanter Verschrobenheit zu bieten. Nebenher kann man eine Menge über finnische Folklore, Mythen und Landestraditionen lernen – über das Brauen des weltweit ersten Bieres, warum es im Finnischen so viele Synonyme für „Bär“ gibt, woher das Eisen kommt und wie man finnische Erntedankfeste mit Weihnachtsliedern verbinden kann.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich an so einer Platte mal Spaß haben würde, aber AURINGON HAUTA sind derart sympathisch und darüber hinaus angenehm bodenständig, bescheiden und glaubhaft, dass sie damit einen wohltuenden Kontrast zu dem widerlich-anbiedernden Kitschmüll bilden, der Pagan Metal-Fans gewöhnlich als „folkig“ untergejubelt wird. Allerdings kann man sie nicht nur wegen ihres Auftretens, sondern auch einfach wegen ihrer guten Platte mögen. Sechseinhalb Punkte, die ich gerne großzügig aufrunde. PS: Nicht vergessen – Arto Paasilinna lesen!

13.02.2011

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