Geryon - The Wound And The Bow

Review

„The Wound And The Bow“ stellt das zweite Full-Length-Album des US-amerikanischen Duos GERYON dar, bestehend aus Nick McMaster (Bass) und Lev Weinstein (Schlagzeug), beide Mitglieder der experimentellen Death-Metal-Band KRALLICE. Auf Bass und Schlagzeug reduziert schicken sich GERYON an, mit ihrem eigentümlichen Sound eine Art Konzeptalbum über den mythischen Bogenschützen Philoktetes und dessen stinkender Wunde zu kreieren, scheitern jedoch an der Aufgabe, packende Songs zu produzieren. Oder ein packendes Album. Was vor allem an der Reduktion auf Bass und Schlagzeug liegt respektive wie GERYON diesen Umstand zu nutzen versuchen.

Natürlich verdammt sich eine Band dadurch nicht von vorn herein zum Scheitern. Es gibt Gruppierungen, die schon gezeigt haben, dass das geht mit der Reduktion auf Bass und Schlagzeug. Wenn man weiß, was man tut. BEEHOOVER zum Beispiel wissen das. GERYON nicht. Anstatt sämtliche Vorteile, die Bass und Schlagzeug zusammen bieten können, buchstäblich auszuspielen, seien es gewiefte Rhythmus-Konstrukte oder das Heraufbeschwören von sludgiger Heaviness oder IRGENDETWAS, was nichts mit gesichtlosem Gefrickel und Geknüppel zu tun hat, fummeln sich GERYON einen ab, ohne Rücksicht auf die Hörbarkeit zu nehmen. Und so klingt „The Wound And The Bow“ in seinen schlimmsten Momenten so, als wollte das Duo Flatulenzen vertonen.

Hauptproblem von „The Wound And The Bow“ ist das viel zu monotone Songwriting, das durch den technischen Charakter auch nicht gerade an Charisma gewinnt. Eher trägt es zur Kälte und zur Eintönigkeit bei, zumal sich Nick McMaster viel zu gerne im Saitengefummel verliert und versucht, die gefühlt immergleichen Arpeggios durch minimalistische Variationen zu erforschen, ohne dabei jedoch packende Melodien zu erzeugen. Oder irgendeine andere Form der Dramatik. Dabei hilft auch nicht, dass der Bass bis zum Anschlag verzerrt ist, sodass die Songs zumeist einer zähen Brühe gleich den Raum durchschallen, die abgesehen von ihrer Viskosität jedoch keine weiteren, nennenswerten Eigenschaften besitzt. Man hätte schon die Höhen aufdrehen müssen, damit potentielle Hörer dem stupiden Geschrammel irgendetwas abgewinnen zu können.

Hinzu kommt, dass Weinsteins stumpfes Getrommel über Blasts und Double-Bass-Geboller hinaus wenig zu bieten hat – scheinbar hat er vergessen, dass sein Kit aus mehr als nur Snare, Bass Drum und Hi-Hat besteht. Es dauert tatsächlich bis zur zweiten Albumhälfte, bis Weinstein nicht nur seine Tomtoms sondern auch sein Fabile für anspruchsvolles Drumming entdeckt – aber selbst den atmosphärischen Rausschmeißer „Dioscuri“, der ohne die stupiden Blasts auskommt, zerstören GERYON durch ihr orientierungs- und belangloses Geschredder, zumal der Song mit neun Minuten mindestens sechs Minuten zu lang ist für das, was er zu bieten hat. Ach was: „The Wound And The Bow“ als Gesamtpaket ist viel zu lang für das, was es zu bieten hat.

Es ist geradezu bezeichnend, dass GERYON ihre Musik mit dem Präfix „Avantgarde-“ förmlich zu entschuldigen suchen, ist sie doch – sind wir mal ehrlich – kaum mehr als eine 45-minütige Tech-Bass-Masturbation. Immerhin: Die Produktion ist tiefenbetont und dumpf und passt damit hervorragend zu diesem Album – natürlich komplett ohne Schmiss, ohne Power, ohne Umpf! War keine gute Idee, dem Bass sämtliche Höhen zu entziehen, denn so bekommt man beispielsweise bei „Dawn“ oder dem Titeltrack die reinste Bass-Diarrhö zu hören. Dazu passt ebenfalls, dass der Gesang in den Hintergrund gemischt worden ist und dadurch in bester KRALLICE-Tradition komplett im Chaos untergeht. Damit verkommt selbst der lyrische Anspruch, den sich GERYON selbst gestellt haben, zur reinen Farce.

Zwar gelingt es GERYON hier und da tatsächlich, so etwas wie eine beklemmende Stimmung zu schaffen, etwa dann, wenn sich bei „Lys“ Synthesizer in den hypnotischen Sound hineinschleichen. Oder wenn sie gegen Ende vom Titeltrack „The Wound And The Bow“ die atmosphärische Sludge-Keule auspacken – der dann allerdings abrupt (und mitten im Riff) aufhört und mich wieder die Urteilsfähigkeit der Band hinterfragend zurücklässt. Und bei „Dawn“ wird um die 1:04-Marke herum zumindest mal der Versuch unternommen, dem Ganzen rhythmische Abwechslung zu verpassen, sodass wir – oha! – mal einen (einen einzigen!!!) richtig geilen Groove zu hören bekommen… ehe sich GERYON dann wieder im stumpfen Gerickel verlieren. Überdies steht das Können des Duos außer Frage, aber, wie bereits erwähnt, treiben die Jungs ohnehin bei KRALLICE ihr hauptsächliches Unwesen, sodass man die technischen Fertigkeiten durchaus voraussetzen kann.

Schlussendlich bieten GERYON einfach viel zu wenig, um Hörer irgendwie zu fesseln. Das monotone Arpeggio-Gewummer nutzt sich schnell ab und nervt dann tierisch, die wenigen, atmosphärischen Lichtblicke reißen es nicht wirklich heraus. Unterm Strich bleibt „The Wound And The Bow“ ein enttäuschendes Album, das an seinen zugegebenermaßen wagemutigen Aufgaben glorios gescheitert ist.

„The Wound And The Bow“ ist damit eines der Alben, die man hören sollte, wenn man wissen will, wie die Bass-Schlagzeug-Kombination nicht bewerkstelligt werden sollte. Nächstes Mal sollten GERYON in Erwägung ziehen, die Synthesizer fest in den Sound zu integrieren oder sonstwie für Abwechslung zu sorgen – vielleicht steht den beiden der Verzicht auf die Gitarre doch nicht so gut zu Gesicht. Irgendwie jedenfalls sollten die US-Amerikaner ihrem Sound irgendeine Form von Variation verpassen. Dann wäre zumindest eines der größeren Probleme, die GERYON haben, aus der Welt geschafft.

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02.04.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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