Haggard - And Thou Shalt Trust... The Seer

Review

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2009 feierten HAGGARD bereits ihr zwanzigjähriges Bestehen mit der „Era Divina“-Fan-Box, deren Kernstücke eine DVD mit der auf rund zwei Stunde Spielzeit „extendeden“ Banddokumentation „Unlive“, sowie eine remasterte Version des 1997er Debütalbums „And Thou Shalt Trust… The Seer“ auf CD darstellten. Nun erscheint letzterer remasterter Silberling noch einmal separat, enthält aber eine Bonus-DVD mit der einstündigen „Unlive“-Dokumentation. Und zu Rezensionszwecken schickt das Label ein Exemplar des Fan-Box-Digi-Packs zu, das sich in Aufmachung und DVD-Inhalt deutlich von der eigentlich zu bewerbenden Neuveröffentlichung unterschiedet, ohne das entsprechend zu kommunizieren. Doch keine Angst, dieses informationstechnische Wirrwarr dürfen Sie als Leser getrost ignorieren, sofern es mir gelungen sein sollte, da eine entsprechende Ordnung hinein zu bekommen.

Die beiliegende „Unlive“-Dokumentation bietet einen informativen und unterhaltsamen Überblick über den Werdegang des Münchener Metal-Orchesters. Dabei kommen die wichtigsten Mitglieder ausführlich zu Wort, erzählen von ihrem Erstkontakt mit HAGGARD und machen insgesamt einen sympathischen Eindruck. Im Vergleich mit anderen Dokumentationen wirkt das hier gebotene zugegebenermaßen ein wenig amateurhaft. Bild- und Tonqualität stimmen zwar, dafür wirken Bandchef Asis Nasseri, Drummer Luz Marsen und ihre Mitstreiter vor der Kamera wenig routiniert und manchmal etwas unbeholfen.
Das soll aber in keinster Weise negativ gemeint sein, sollte das professionelle Posen vor der Kamera doch ohnehin nicht die wichtigste Sorge eines Musikers sein. So wirkt gerade das Unprofessionelle an dieser Dokumentation absolut authentisch und schafft einen guten Zugang zu den gebotenen Informationen. Inwiefern es allerdings gelungen ist, diesen hohen Informations- und Unterhaltungswert auch in der einstündigen Kurzfassung zu erhalten, kann an dieser Stelle leider nicht beurteilt werden.

Kommen wir also lieber zum eigentlichen Herzstück des Re-Releases. „And Thou Shalt Trust… The Seer“ war bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einzigartig. Zwar haben HAGGARD die Kombination von Metal- und Orchester-Klängen nicht erfunden, so konsequent wie hier wurden beide Bereiche jedoch nie zuvor miteinander vermischt. Die Klassik-Instrumente versorgen nicht einfach nur gewöhnliche Rocksongs mit oppulentem orchestralem Bombast, vielmehr wurden hier von Beginn an beide Hälften des Instrumentalen Spektrums absolut gleichberechtigt behandelt. Dadurch gleicht die Kompositionsweise eher klassischen Orchesterstücken, in denen Rock-typische Strophe-Refrain-Schemata eine eher untergeordnete Rolle spielen.
HAGGARDS große musikhistorische Leistung ist es, ihre todesmetallischen Wurzeln harmonisch in den Rahmen eines klassischen Orchesters einzubauen, so dass Stromgitarren und Violinen, moderne Drums und Pauken-Klänge und opernhafter Sopran-Gesang und derbe Growls absolut gleichberechtigte Positionen einnehmen. Die Perfektion des auf diese Weise neu entstehenden Klangbildes sollte ihnen zwar erst auf den späteren Alben gelingen, „And Thou Shalt Trust… The Seer“ markiert jedoch die eigentliche Revolution im Bereich der Orchester-Metal-Kooperationen.

Inhaltlich beschäftigten sich HAGGARD seinerzeit mit dem Leben des Propheten Nostradamus. Dieses Konzept-Thema wurde auf dem Nachfolge-Album „Awaking The Centuries“ konsequent fortgeführt. Auffällig ist die multilinguale Ausrichtung der Stücke, in denen laufend zwischen Englisch, Latein und Deutsch hin und her gewechselt wird. Die größte Schwäche der Band lag hingegen schon immer in der Produktion, was angesichts der Vielzahl an verwendeten Instrumenten und der nicht unbegrenzten finanziellen Resourcen wenig verwundert. Das Remastering hat den Klang zwar hörbar verbessert, echte Wunder konnte das aber natürlich auch nicht bewirken. So klingt noch immer vieles ein wenig dumpf und undifferenziert, was aber angesichts der kompositorischen Qualität nur einen kleinen Wermutstropfen darstellt.
Mit dem „Requiem In D-Minor“ und dem „Cantus Firmus In A-Minor“ sorgen zwei rein instrumentale Klassik-Stücke für Auflockerung. Ansonsten ist es aber vor allem der Knaller „In A Pale Moon’s Shadow“, bei dem HAGGARD alle Register ziehen und das dadurch als Herzstück des Albums ewig im Gedächtnis bleibt. Doch auch „Origin Of A Crystal Soul“, „De La Morte Noir“ und „Lost (Robin’s Song)“ stehen dem kaum nach. Wer HAGGARD bereits kennt und mag, dieses Album aber noch nicht in seiner Plattensammlung stehen hat, sollte nun unbedingt zugreifen. Echte Die-Hard-Fans, die einen Zweitkauf in Erwägung ziehen, sollten aber eher gleich nach der „Era Divina“-Fanbox schielen. Als Einstiegsdroge, um den ganz besonderen HAGGARD-Sound kennen und lieben zu lernen, dürften hingegen das Nachfolge-Album „Awaking The Centuries“ oder das Galileo-Galilei-Konzeptwerk „Eppur Si Muove“ die bessere Wahl sein.

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03.04.2011

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