Joshua Trinidad - In November

Review

Man möchte ja nicht meinen, dass ein Jazz-Trompeter wie Joshua Trinidad hierher gehört, doch tatsächlich ergibt die Besprechung  von „In November“, dem Album seines Trios, dem auch Jacob Young an der Gitarre und Ståle Liavik Solberg am Schlagzeug angehören, Sinn. Aufgenommen an einigen Tagen im November hat das Album seinen Namen sicher zuvorderst natürlich dem Zeitpunkt der Sessions zu verdanken. Doch kann man den Faden weiterspinnen, wenn man erst einmal in die Musik eingetaucht ist, die sich einem hier bietet. Für das Eintauchen muss man als Hörer glücklicherweise gar nicht mal so viel Eigeninitiative aufwenden, denn Trinidad und Co. machen es einem mit dem Hörvergnügen hier ziemlich leicht… wenn man sich denn dazu bewegen kann, sich Sommer und Sonne wegzudenken.

Jazz ist nicht gleich Jazz

Denn „In November“ wird seinem Namen mehr als gerecht. Die Stimmung auf der Platte ist insgesamt sehr schwermütig und herbstlich ausgefallen. Die Trompete als solche ist natürlich jetzt kein Mitglied des metallischen Stammintrumentariums, sieht man mal von experimentelleren Kapellen wie dem DIABLO SWING ORCHESTRA ab, die den Blechbläser aber definitiv nicht für atmosphärische Höhen- oder besser: Tiefenflüge nutzen. Daher muss man an dieser Stelle einfach mal die Scheuklappen beiseite legen. Natürlich bedient Trinidad den Jazz, was sich unter anderem auch an leichten Ornette Coleman-Anklängen im eröffnenden „Bedside“ äußert, in denen schon vergleichsweise freejazzig agiert wird. Eine „Lonely Woman“ scheint ab und an mal ums Eck zu schauen, nicht ganz so energetisch wie das Original natürlich, aber das hat einen guten Grund.

Joshua Trinidad beschwört die herbstliche Schwermut

Denn gerade wenn Youngs Gitarren und Solbergs sanfte Beckenschläge, nein: Beckentupfer durch die Stücke geistern wie zum Beispiel in „Bell (Lullaby)“, dann hat man schon fast das Gefühl, man stecke wieder mitten im Herbst, hat den der entsprechenden Jahreszeit geschuldeten Blues und hört den Regen sanft gegen die Scheibe klopfen. Da möchte man sich am liebsten gleich wieder einkuscheln und den Moment genießen. Dazu schwebt Trinidad mit seiner Trompete elegant über dem Geschehen. Das verleiht gerade den trübseligeren Passagen der Platte fast schon den Charakter eines Trauermarsches. Hier entstehen immer mal wieder leichte Parallelen zu BOHREN & DER CLUB OF GORE, selbstverständlich nicht deren geradezu zerbrale Trostlosigkeit erreichend, was jedoch nicht das Ziel der Sache ist. Es sind mehr ästhetische Parallelen, hier wird Großes durch minimale, musikalische Gestik ausgedrückt. Bei „Giske“ zeigt sich das besonders eindrucksvoll, wenn Trinidad die spärlich-repetitive Melodie- und Rhythmusarbeit nutzt, um sein Instrument verhalten klagend darüber hinweg schweben zu lassen.

Statt hoffnungsloser Verzweiflung aber eher Geborgenheit vermittelnde Melancholie

Unterstützend trägt die hervorragende Produktion zur Gesamterfahrung bei, die den Instrumenten an passenden Stellen den nötigen Hall verleiht. Fast schon andersweltlich muten die Instrumente bei „Kin“ an, das zum Ende hin ins Ätherische hinein reicht. Geisterhaft, aber nicht gespenstisch, immer steckt ein gewisses Gefühl der Vertrautheit und der Geborgenheit in den Klängen, sodass man sich tatsächlich wohl fühlt, trotz all der Schwermut, trotz all der Melancholie, mit der die Musiker hier operieren. Andererseits bleiben die akustischen Gitarren klar und crisp, simulieren mitunter scheinbar auch mal das Knistern eines Kaminfeuers – aber keine Sorge, Kitschalarm herrscht nicht. Dafür ist hier einfach alles zu sehr in sich stimmig, bleiben die Melodien immer bodenständig und nachvollziehbar, haben die Songs einen zu guten Flow. Auch wenn es mal rockiger wird wie in „Feathers“, bleibt die Dichte der Stimmung konsistent, auch wenn sich hier spürbar positiverer Vibes breit machen. Aber wie bereits erwähnt: Das ist Melancholie zum Wohlfühlen.

„In November“ bringt den Herbstblues in den Sommer

Ja, „In November“ fließt. Geschmeidig und elegant gleitet das Album dahin. Die zelebrierte Schwermütigkeit drückt gekonnt auf die Stimmung, aber nur, solange es sich immer noch gut anfühlt. Wer auf einfache Earcatcher wartet, wartet vergebens. Das hier ist Wirkungsmusik, wie sie im Buche steht. Doch zum Glück ist Joshua Trinidad und Co. ein hervorragend hörbares Album gelungen, in das man selbst ohne Jazz-Hintergrund problemlos einsteigen und -tauchen kann. Wem sich beim Gedanken an die mitunter wilden Improvisationen des bereits erwähnten Ornette Coleman die Fußnägel einrollen, braucht nicht zu fürchten: Der Stimmung getreu bleiben die Instrumente stets in Reichweite, niemand hebt ab und Trinidad selbst tritt erstaunlich oft in den Hintergrund, um den atmosphärischen Klängen seiner Mitstreiter die Bühne zu überlassen. Und es wirkt. „In November“ ist eine große Platte, die den Herbstblues bereits in die wärmere Jahreszeit vorverlegt. Für jeden, der die Trübsesligkeit in ihrer schönsten Form sucht, könnte die Suche hier ein paar saftige Früchte tragen. Also zuschlagen, solange sie noch frisch sind.

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07.05.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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