Opeth - In Cauda Venenum

Review

Drei Jahre nach „Sorceress“ veröffentlichen OPETH „In Cauda Venenum“ oder „das Gift ist im Stachel“. Das lateinisch betitelte Album erscheint mit englischen sowie mit schwedischen Texten und Lyrics und erklimmt damit neue Gipfel in Sachen Prog-Marotten. Und egal, ob liebevolles Gimmick, natürlicher Entstehungsprozess oder auf die Sammelwut der devot doppelt konsumierenden Fangemeinde zielender Marketing-Move – die Muttersprache verleiht dem Werk einen neuartigen Charakter. Ob das „giftige Ende“ nun auf das Ende einer Ära im Sound von OPETH hindeutet, darüber darf spekuliert werden. Auf einer Reise, an deren Anfang bereits das „Vermächtnis“ stand, ist nach wie vor alles möglich.

„In Cauda Venenum“ offenbart einen düsteren Hörspielcharakter

Wie bereits „Heritage“ und „Sorceress“ startet in „In Cauda Venenum“ mit einem instrumentalen Intro. Diesmal ist es weder ein kammermusikalisches Duett von Kontrabass und Klavier („Heritage“) noch ein verträumtes Zupfspiel auf der Akustikgitarre („Persephone“), das in das neue Kapitel im Kosmos der Schweden einleitet: „Garden Of Earthly Delights“ unterlegt einen gebrochenen Chor-Dreiklang mit einem elektronisch pulsierenden Synth-Basslauf, der auch dem „Stranger Things“-Theme entnommen sein könnte. Die Laute von spielenden Kindern, ungesundes Husten, Motorengeräusche und kiesknirschende Schritte auf einem Kirchhof verleihen dem Ganzen schließlich eine Art Hörspielcharakter.

„In Cauda Venenum“ ist durchzogen von Sprachsamples, deren zarte Unbedarftheit und fragile Vergänglichkeit den Hörer bisweilen schaudern lässt. Über die beschwingten Akkorde der zweiten Vorabsingle „Dignity“ spricht Olof Palme, bis zu seiner Ermordung im Jahre 1986 Vorsitzender der schwedischen Sozialdemokraten, über die bangen Erwartungen und Befürchtungen des Jahreswechsels in Bezug auf die Zukunft selbst. Immer wieder lachen oder weinen Menschen in die Leere hinein.

Leicht uninspirierte stehen neben ganz großen Momenten

Nein, „In Cauda Venenum“ enthält immer noch keine Growls und seine härtesten und schnellsten Riffs sind bereits aus der Leadsingle „Heart In Hand“ bekannt. Aber auch im Komfort-Sound der neuen OPETH gibt es diesmal einige Passagen, die einigermaßen berührungslos vorbeiziehen und bei aller klanglichen Perfektion und Detailverliebtheit seltsam uninspiriert wirken. „Next Of Kin“ beispielsweise hat verglichen mit Vorgängerexperimenten wie „Voice Of Treason“ oder „The Seventh Sojourn“ einfach nicht sehr viel Neues beizutragen. Und bei „Continuum“ balancieren OPETH nach „River“ einmal mehr auf dem gewagten Grat zwischen JETHRO TULL und LYNYRD SKYNYRD. Doch natürlich hat auch das 13. OPETH-Album Momente zum Niederknien.

Neben besagtem „Heart In Hand“, in dem die Elemente der OPETH der 2010er Jahre sich in Perfektion zu einem dynamischen Gesamtwerk verbinden, sticht vor allem „Universal Truth“ mit ätherisch perlenden Melodien und einem Refrain hervor, in dem sich Åkerfeldts Kopfstimme in einem hymnischen Klimax mit der triumphalen Leadgitarre überlagert. Überhaupt kann man es nicht oft genug sagen: Bei allem Verdruss über den verlorenen Guttural-Dämonen ist jede Zeile aus dem Mund des Bandleaders eine Wohltat.

Was kommt als nächstes, OPETH?

Die alte Düsternis dringt dennoch mitunter subtil wie nachhaltig durch: In „The Garroter“ geben Axenrot und Svalberg ein albtraumhaftes Kellerjazz-Duo und „Charlatan“ türmt verdrehte Disharmonien auf einer Art Prog-Djent-Fundament auf.

OPETH werden immer wie OPETH klingen, soviel ist klar. Doch nach drei Alben im „neuen Stil“ lässt sich das Stagnationspotential bei „In Cauda Venenum“ nicht mehr gänzlich wegreden. „All Things Will Pass“, heißt es zum Abschluss. Dazu überrascht dann doch noch ein Riff mit dezentem Black-Metal-Vibe, das in eine Melodie übergeht, die das Album nach diesem Durchlauf für die nächsten Stunden im Kopf verankern wird. Wer die Band kennt, der weiß, dass es künstlerisch weitergehen wird.

27.09.2019
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