Ost+Front - Dein Helfer In Der Not

Review

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OST+FRONT – Schwarzer Humor oder peinliche Provokationsversuche?

Es ist mal wieder soweit: die diskutablen Herren von OST+FRONT bringen mit “Dein Helfer In Der Not“ ein neues Album unter das NDH-Volk. Die Band hat mit ihrer 2018er Platte “Adrenalin“ bereits gezeigt, wie weit bei ihnen die Spannbreite des künstlerischen Schaffens reicht: Von mehr als fragwürdigen und regelrecht peinlichen Auswüchsen der deutschen Sprache bis hin zu fantastisch inszenierter und mit Augenzwinkern versehender Neuen Deutschen Härte ist alles dabei. “Dein Helfer In Der Not“ könnte demnach bei erstgenannter Rubrik ansetzen, ausbessern und dem Niveau der übrigen Lieder anpassen. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, muss man allerdings sagen, dass das hier nicht so ganz gelingen will.

Doch zunächst machen OST+FRONT alles richtig. “Geld Geld Geld“ mag vom lyrischen Motiv wenig originell sein, der kraftvolle Sound und die eindringlichen Synthies machen dies jedoch leicht wieder wett. Ein starker, NDH-typischer Einstieg lässt demnach auf das restliche Album hoffen. Mit Stücken wie “Honka Honka“ wird diese Hoffnung sogar teilweise erfüllt, schließlich handelt es sich beim genannten Stück um einen Geniestreich in Sachen dunkelthematischer Unterhaltungsmusik. Dies greift sogar soweit, dass man an dieser Stelle ungern die Überraschungsmomente im Song vorweg nehmen mag. Ein wenig makaber mag das Stück sein, jedoch in jedem Falle unterhaltsam.

Niveau-Limbo mit OST+FRONT

Dass sich auf einem Album wie “Dein Helfer In Der Not“ solche Momente tatsächlich befinden, will man nach dem ersten Hördurchlauf gar nicht mehr glauben, denn was sich OST+FRONT bei einigen der folgenden Lieder gedacht haben, bleibt rätselhaft: “Was Einmal War“ ist rundum geschmacklos, “Sex, Schnaps und Gewalt“ ist peinliches Alpha-Männchen-Getue und bei “Frauenzimmer“ bekommt man das, was man beim Songtitel erwartet könnte, eine gepfefferte Dosis non-konsensualer Geschlechtsverkehr. Hurra, OST+FRONT spielen mal wieder Niveau-Limbo und gehen aufrecht unter der Stange durch.

Darüber hinaus präsentiert die Band Lieder, die aufgrund gewisser Formulierungen sicherlich diskussionswürdig sind. Die Single “Schau Ins Land“ wartet beispielsweise mit Zeilen wie “ Ich darf nicht sagen, nur leise fragen […] Ich darf nicht wagen, mich zu beklagen“ auf, welche die Frage aufwerfen, ob die hier verwendete AfD-Rhetorik satirisch oder ernst zu verstehen ist. Ähnlich verhält es sich mit “Schwarzer Helmut“, das zunächst aufgrund der stilistischen Vermischung aus NDH und Ballermann-Schlager mit einer eingängigen Hook amüsiert. Das zum Mitsingen einladende “Schwarzer Helmut, wem gehört die Uhr?“ klingt zunächst wie ein Insider-Witz unter Freunden, den man als Außenstehender nicht so recht versteht, vermischt sich allerdings schnell mit einem bitteren Beigeschmack, wenn in der Bridge “Wolle kaufen Sonnenbrille?“ mit schlechter Grammatik und nachgeäfftem Akzent gesungen wird. Offenbar passt sich die Band hier dem Unterhaltungsanspruch derjenigen Zielgruppe an, deren bevorzugte Partymusik sie hier mit ihrer Musik vermengt.

OST+FRONT wollen provozieren. Dabei geht ihr künstlerischer Anspruch völlig verloren, den sie sicherlich an ihre Musik haben und den man durchaus in einigen Liedern (wie dem Schauermärchen “Die Räuber“) zu hören in der Lage ist. Stattdessen wird eher Wert auf das simple Thema Sex gelegt, das möglichst primitiv (“Porco Dio“, Masturbationssucht) oder zum x-ten Male demütigend (“Mein Eigentum“) dargestellt wird. Es langweilt und nervt dabei mehr, als dass es provoziert, unterhält oder gar zum Nachdenken anregt. Die zunehmende Eindimensionalität in den Texten dieser Band schwächt dabei die Hoffnung ab, dass hier noch von schwarzem Humor die Rede sein kann. Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass die dargestellten Gewaltausbrüche und Fantasien als etwas bezeichnet werden können, dass die Bandmitglieder für wünschenswert erachten. Die musikalische Ausgestaltung durch symphonische Elemente, mächtige Chöre oder treibende Synthies rettet gelegentlich einiges, kann aber den negativen Gesamteindruck kaum ausbügeln.

Ein Aufruf zur Selbstjustiz?

Die Deluxe-Edition des Albums beinhaltet neben zahlreichen Remixen drei neue Lieder. Das nette Instrumental “Der Anfang“ und das unterhaltsame Partygegrunze in “Roter Bau“ gehen dabei unter, wenn “Viel Spaß Beim Sterben“ erklingt. Dieser Song ist ein direkter Aufruf zur Selbstjustiz und zur Gewalt an Kinderschändern. Dass die begangenen Verbrechen dieser Personen wütend machen und einer hohen Strafe bedürfen, steht außer Frage. Was OST+FRONT hier jedoch auf ihre eigene primitive Weise in ein “Lied“ verpacken, ist jenseits der Grenze des guten Geschmacks und lässt das letzte bisschen Anspruch im Boden versickern. Solche Texte lassen einen immer wieder erleichtert aufatmen, dass man in einem Rechtsstaat lebt.

OST+FRONT zeigen auf “Dein Helfer In Der Not“ zum wiederholten Male, dass man ihre Alben besser nicht am Stück hört, sondern maximal dank Spotify und Konsorten die wenigen guten Songs auf eine Playlist packt und den widerlichen Rest in einer dunklen Ecke des Gedächtnisses langsam in Vergessenheit geraten lässt. Musikalisch hat die Band durchaus einiges zu bieten. Im Scheine der meisten Texte geht das jedoch völlig unter, sodass die Frage übrig bleibt, ob man eine Band, die derartige Botschaften verbreitet oder zumindest in Kauf nimmt, dass sie auf diese Art Beifall von gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Fans erhält, überhaupt unterstützen möchte.

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2 Kommentare zu Ost+Front - Dein Helfer In Der Not

  1. Sylverblack sagt:

    Faszinierend, wie die Bands aus diesem Genre sich lyrisch immer wieder gegenseitig unterbieten. Musikalisch ist das Ganze… eher mäßig, imo.

  2. IronWyvern sagt:

    Das Album halte ich für überwiegend gelungen. Ost+Front steht für genau das ein, was die Neue Deutsche Härte ausmachen sollte: Harte Klänge, harte Aussprache und obskure Lyrics.
    Die Highlight-Tracks „Ikarus“, „Schau ins Land“, „Die Räuber“ und „Mein Eigentum“ heben sich in der Szene wirklich hervor und gleichen die etwas schwächeren Songs aus.

    Den Vorstoß dieses Rezensenten, die Lyrics „Ich darf nicht wagen, mich zu beklagen“, die in ihrem Kontext blanken Gehorsam und Autoritätsfolgsamkeit kritisieren, als rechtsextrem zu diffamieren, halte ich im Übrigen für unangemessen und auch gefährlich.

    7/10