Blind Guardian
Die Übriggebliebenen

Special

Nun haben Nuclear Blast alle BLIND GUARDIAN-Alben bis zu „A Night At The Opera“ neu aufgelegt. Aber Moment mal, fehlt da nicht noch was? Stimmt, die Livealben sowie die Compilation „The Forgotten Tales“ waren bislang nicht dabei.

Das ändert sich mit der dritten Reissue-Ladung, die dieser Tage erscheint. Die beinhaltet mit den besagten „Forgotten Tales“, „Tokyo Tales“ und „Live“ die bislang fehlenden Platten. Also auf in die letzte Runde unserer BLIND GUARDIAN-Retrospektive.

Tokyo Tales (1993)

Mit „Somewhere Far Beyond“ gelang BLIND GUARDIAN endlich der internationale Durchbruch. Anschließend begab sich die Band zum ersten Mal auf Japan-Tour. Da sich die Platte in besagtem Land hervorragend verkaufte, war es nur die logische Schlussfolgerung, dort das erste Livealbum aufzunehmen. Der Titel „Tokyo Tales“ ist dabei wenig subtil an die „Tokyo Tapes“ der SCORPIONS angelehnt.

Das ist nicht nur eine nette Verbeugung vor den Vorbildern, sondern ergibt insofern Sinn, als das beide Livealben die jeweilige Band auf ihrem damaligen Höhepunkt zeigen. So frenetisch wie BLIND GUARDIAN auf der Aufnahme abgefeiert werden, mag der Hörer nicht glauben, dass Japaner als eher zurückhaltende Konzertbesucher gelten.

BLIND GUARDIAN erreichen neuen Höhen

Die Krefelder selbst glänzen derweil mit einer tadellosen Performance. Verglichen mit späteren Liveerzeugnissen der Band klingt „Tokyo Tales“ roh und ungeschliffen. Zwei Konzerte in Tokyo hatten BLIND GUARDIAN für das Album mitgeschnitten. Dementsprechend klingt die Platte sehr homogen. Trotz der Liveherkunft lässt die Aufnahme zudem den nötigen Druck nicht vermissen.

Die Songauswahl ist derweil sehr gelungen. Die ersten vier Studioalben liefern der Band schließlich genug Hits, um 75 Minuten ohne Hänger durchzuspielen. Einzig das Debüt „Battalions Of Fear“ ist mit nur einem Song- dem unvermeidlichen „Majesty“ – vertreten und dadurch unterrepräsentiert. Zudem ist die Platte ein Novum im BLIND GUARDIAN-Kosmus, sie sie doch die einzige offizielle Liveveröffentlichung, auf der Hansi Kürsch noch den Bass bedient. Für Fans ein Muss.

The Forgotten Tales (1996)

Nach dem gewaltigen „Imaginations From The Other Side“ nehmen sich BLIND GUARDIAN verdammt viel Zeit, um einen würdigen Nachfolger zu schmieden. Um Fans bei der Stange zu halten, erscheint zwischenzeitlich die Compilation „The Forgotten Tales“. Die vereint allerlei Kuriositäten und ein paar rare Schätze.

Aufgrund der Natur einer solchen Zusammenstellung springt das Material in Sachen Atmosphäre und Inszenierung willkürlich hin und her. Dass BLIND GUARDIAN viele Songs in unterschiedlichen Phasen ihrer Bandgeschichte aufgenommen haben, ist jederzeit spürbar. Davon abgesehen ist „Forgotten Tales“ für Fans eine regelrechte Goldgrube.

„The Forgotten Tales“ ist für Die-Hard-Fans

Die Band belässt es nämlich nicht bei coolen Coversongs wie „The Wizard“ von URIAH HEEP oder „To France“ von MIKE OLDFIELD, die stets im ureigenen BLIND GUARDIAN-Glanz erscheinen. Obendrauf kommen zum Teil exklusive Alternativversionen bekannter Songs. Beispielsweise gibt es eine orchestrale Balladenfassung von „Lord Of The Rings“, die auf Metal-Gitarren verzichtet und die reguläre Albumversion locker schlägt.

Auch die Akustikversion von „Mordred’s Song“ hat ihren Reiz, ebenso wie die Orchesterversion von „Theatre Of Pain“. Einzig die Ballade „A Past And Future Secret“, die in der normalen Version von „Imaginations“ enthalten ist, erscheint unnötig. Zudem ist die erste offiziell veröffentliche Liveversion von „The Bard’s Song“ aus heutiger Sicht nicht allzu spannend. Schließlich sollten noch hunderte folgen. Für Die-Hard-BLIND GUARDIAN-Fans ist „The Forgotten Tales“ trotz dieser kleinen Abstriche eine klare Empfehlung.

Live (2003)

Ein Jahr nach „A Night At The Opera“ legen BLIND GUARDIAN mit dem schlicht „Live“ betitelten Doppelalbum ihren zweiten Konzertmittschnitt vor. Allein die Anzahl von 22 enthaltenen Tracks spricht Bände bezüglich der Sorgfalt, die hinter dieser Platte steht. Von der bei Erscheinen aktuellen Studioscheibe haben es immerhin vier Songs auf das Doppelalbum geschafft.

An der restlichen Songauswahl gibt es derweil rein gar nichts zu meckern. Angesichts von mehr als zwei Stunden Spielzeit bleiben kaum Fanwünsche offen. Und wenn doch Mal ein Klassiker wie „Banish From Sanctuary“ fehlt, dann gibt es ja immer noch die „Tokyo Tales“. Doch nicht nur die Songauswahl ist exzellent, auch der Sound beeindruckt durch Perfektion.

„Live“ – ein guter Überblick

Der Grund dafür ist einfach erklärt: Für „Live“ haben BLIND GUARDIAN nämlich zahllose Auftritte rund um den Erdball mitgeschnitten und nur die besten Takes auf dem Album verwendet. Dadurch tönt die Platte zwar fehlerfrei aus den Boxen, das Livegefühl geht aber teilweise verloren.

Natürlich sorgt das Prominent in den Vordergrund gemischte Publikum für eine solide Konzertatmosphäre. Doch sind es am Ende des Tages die kleinen Fehler und Ungereimtheiten, die einem Livealbum Seele verleihen. Das fehlt bei „Live“ vollkommen. Somit dient die Platte eher als gelungener Überblick über das Schaffen von BLIND GUARDIAN mit ein klein wenig Konzertgefühl als Bonus.

Hinweis: Bei der ursprünglichen Veröffentlichung beinhaltete der Artikel die Aussage, dass auf „Live“ keine Songs von „A Night At The Opera“ enthalten seien. Nachdem ein Leser uns auf diesen Fehler hingewiesen hat, haben wir die Aussage entsprechend korrigiert.

16.04.2019

"Irgendeiner wartet immer."

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