Das Rückgrat des Heavy Metal
Die Gitarre - Modelle, Formen, Musiker

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Das Rückgrat des Heavy Metal

Kein anderes Instrument ist historisch so bedeutend für den Metal wie die Gitarre. Sie ist das Rückgrat, der Eckpfeiler und der Kern des Genres. Blickt man in der Musikgeschichte zurück, haben natürlich auch Ikonen wie beispielsweise Rob Halford oder Chris Barnes mit ihrem außergewöhnlichen Gesangsstil, Herrschaften wie John Bonham, Neil Peart und Dave Lombardo mit ihrem wegweisenden Drumming, ebenso wie John Paul Jones, Jason Newsted oder John Myung mit ihren außergewöhnlichen Darbietungen am Tieftöner die Musikrichtung geprägt und zu der gemacht, die sie heute ist.

Dennoch: Alles begann mit den ersten E-Gitarren. Oder genauer: mit der Erfindung des elektromagnetischen Tonabnehmers durch Adolph Rickenbacher und George Beauchamp in den 30er Jahren sowie den ersten Gitarren-Verstärkern von Leo Fender, Jim Marshall und Tom Jennings. Denn damit war es in den 50ern und 60ern erstmals möglich, einen verzerrten Gitarrensound zu erzeugen, die sogenannte „Distortion“ – die dem Heavy Metal das Leben einhauchte.

Da es damals in vielen Konzerthallen noch keine ausgereiften PA-Anlagen gab, wurde kräftig in die Leistung der Verstärker investiert. Der „Marshall Major“ aus dem Jahr 1968 beispielsweise besaß satte 200 Watt Leistung und konnte bereits ordentlich Krach machen. Ritchie Blackmore war nur einer von vielen berühmten Fans dieses Monstrums. Danach folgte der „Mark I“ von Mesa Boogie – der erste „High-Gain“-Amp der Geschichte.

Letztlich interessierten sich aber damals – wie heute auch – die Menschen weniger für Verstärker und Schaltpläne, sondern vorwiegend für ihre langhaarigen Helden auf der Bühne – und deren Gitarren. Einige Modelle haben sich mittlerweile zu absoluten Legenden entwickelt – um sie ranken sich Mythen und unzählige Geschichten von Exzessen, Ruhm, Tragödien und Magie.

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Kerry King (SLAYER) mit seiner B.C. Rich KKV (Kerry King V)

Der Gitarrenmarkt der Gegenwart ist unglaublich vielseitig und unübersichtlich, unzählige Hersteller bieten teils sehr ähnliche, teils völlig unterschiedliche Modelle an. Viele Marken wie Fender, Rickenbacker, Gibson, Washburn, Framus und Ibanez blicken dabei auf eine lange Geschichte und Tradition zurück – welche sie natürlich in erster Linie den Musikern verdanken, die verschiedenen Modellen und Bauweisen in den vergangenen Jahrzehnten zu Weltruf verhalfen.

In der Folge möchten wir euch eine Auswahl von Modellen und namhafte Protagonisten vorstellen. Eine Übersicht mit Gitarrenmodellen und deren Aufbau findet ihr zudem hier. Los geht’s.

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Griffbrettakrobatik mit der Zunge: Herman Li (DRAGONFORCE)

Strat

Yngwie Malmsteen, Axel Rudi Pell sowie Kollege Colin Brinker schwören darauf, Ritchie Blackmore hat sie auf der Bühne gerne mal zertrümmert, Jimi Hendrix einst mit Kleber besprenkelt und angezündet: Die Stratocaster ist unter den E-Gitarren der Klassiker schlechthin. Die Strat von Fender wird seit 1954 gebaut und wurde seitdem von verschiedenen Firmen in unzähligen Varianten und Formen kopiert – ob als Sechssaiter-, Siebensaiter- oder Achtsaiter-Gitarre, mit verschiedenen Pickup-Varianten, mit klassischer Kopfplatte oder mit Reversed Headstock (Ende der Achtziger beliebt), mit und ohne Schlagbrett, mit Inlays im Hals und in allen möglichen Farben. Nicht zu vergessen Steve Vai und seine Ibanez Signature-Gitarre JEM mit dem praktischen Griff zum … ja, was eigentlich?

Telecaster

Beim Erfolg der Stratocaster wird häufig übersehen, dass es mit der Telecaster (ursprünglich: Esquire und Broadcaster) ein Vorgängermodell gab, das heute immer noch seine Liebhaber hat. James Root von SLIPKNOT und STONE SOUR spielt genauso eine Tele wie PRO-PAIN-Gitarrist Eric Klinger. Allerdings hat die Gitarre in den letzten Jahrzehnten eher Freunde im Punk und Britpop gefunden als im Heavy Metal, vielleicht weil die Bauart nicht ganz so exzentrisch und schnittig ist wie bei einer Flying V.

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Cool posieren mit der Les Paul: AUDREY HORNE

Les Paul

Man nennt sie auch liebevoll „Paula“ – die legendäre Gibson Les Paul. Die Gitarre, die nach dem US-amerikanischen Gitarristen Lester William Polsfuss benannt, unterscheidet sich heute nicht wesentlich von den ersten Modellen der 50er und 60er Jahre. Sie besitzt einen recht massiven Mahagoni-Korpus und zeichnet sich durch einen warmen und druckvollen Klang aus. Berühmt wurde die Gitarre durch Gitarristen wie Slash, Jeff Beck, Ace Frehley, Kirk Hammet oder Jimmy Page, aber auch Eric Clapton griff in seinen frühen Jahren gern zu diesem Modell. Sogar Al Di Meola schwört auf die Paula.

SG

Tony Iommi ist neben Angus Young wahrscheinlich der bekannteste Gitarrist, der sich auf der Bühne eine Gibson SG (ursprünglich Les Paul SG) umschnallt. Ursprünglich als Nachfolgemodell der Les Paul eingeführt, werden beide Modelle seit 1968 nebeneinander produziert und erfreuen sich bis heute ungebrochener Beliebtheit. Charakteristisch ist die Form des Korpus, der am Hals in zwei kleinen spitzen Hörnchen ausläuft. Varianten gibt es viele, aber eins haben alle SG-Modelle gemeinsam: Zwei Humbucker-Tonabnehmer, die für den oftmals als undurchdringlich beschriebenen Klang sorgen.

Semiakustik

Anders als reine E-Gitarren besitzen Semiakustikgitarren (bzw. Halbresonanzgitarren, wie sie auch genannt werden) einen Hohlkorpus mit zwei Schalllöchern auf der Oberseite und haben unverzerrt bzw. angezerrt ihre klanglichen Stärken. COILGUNS-Gitarrist Jonathan Nido (ehemals THE OCEAN) spielt überwiegend eine Semiakustik-Gitarre der Marke Ibanez, aber sonst ist sie eher in Spielarten wie Jazz, Blues, Pop oder Rock’n’Roll verbreitet.

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Schwört auf seine Flying V: Michael Schenker (Foto: Tallee Sauvage)

Flying V

Die Flying V ist eine weitere Erfindung aus dem Hause Gibson und wurde 1958 vorgestellt. In den ersten Jahren blieb der Durchbruch für die Gitarrenform zunächst aus, vielleicht wegen des kompromisslosen Designs in Form eines V. Ende der sechziger änderte sich dies aber, und spätestens seit den Siebzigern ist die Gitarre als unverzichtbares Requisit aus der Rockmusik nicht mehr wegzudenken. Die beiden Schenker-Brüder Rudi und Michael schwören darauf, nicht zuletzt, weil Soloeinlagen mit einer Flying V auch optisch ansprechend in Szene gesetzt werden können. Anfänger sollten sich hingegen eher ein anderes als gerade dieses exzentrische Modell aussuchen. Heute gibt es viele von der Flying V abgewandelte Gitarrenmodelle, wie die Jackson Rhodes oder die von Kerry King (SLAYER) mitentwickelte B.C. Rich KKV (Kerry King V) Gitarre und nicht zu vergessen die Signature-Modelle von Dave Mustaine (MEGADETH).

Siebensaiter

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in Russland siebensaitige Gitarren gebaut, im Bereich des Heavy Metal spielte diese Bauform erstmals Steve Vai gegen Ende der Achtziger. Damals stellte Ibanez mit der UV7 die erste serienproduzierte 7-Saiter vor. Was Vai faszinierte, war der erweiterte Tonumfang der Gitarre durch die zusätzliche Saite. In den 90er Jahren waren es schließlich KORN, die mit ihren fies heruntergestimmten Nu-Metal-Riffs die Gitarren populär machten. Mittlerweile haben diverse Metal-Gitarristen Signature-7-Saiter-Modelle, unter anderem Dino Cazares (FEAR FACTORY, DIVINE HERESY) von Ibanez, Christian Olde Wolbers (FEAR FACTORY, ARKAEA) von Jackson, Jeff Loomis (ex-NEVERMORE) von Schecter sowie Stephen Carpenter (DEFTONES) von ESP.

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Nur nicht den Durchblick verlieren: Mårten Hagström mit seiner Achtsaiter-Gitarre (Foto: Sarah Fleischer)

Achtsaiter

Im klassischen Gitarrensegment und im Jazz ist eine achtsaitige Gitarre durchaus nichts Ungewöhnliches. Im Bereich des Metals waren es an vorderster Front MESHUGGAH, die diese Bauart mit ihrem 2002er Album „Nothing“ bekannt machten. Seitdem benutzen die beiden Gitarristen Fredrik Thordendal and Mårten Hagström diese Modelle – und begründeten mit ihrem harten, abgestoppten Spiel und der sehr tiefen Gitarrenstimmung dabei gleichzeitig den sogenannten „Djent“-Sound. Aktuell ist vor allem Tosin Abasi (ANIMALS AS LEADERS) in aller Munde, der die Achtsaiter auf besonders bemerkenswerte Weise bedient. Abasi verbindet in seinem Spiel das moderne und tiefe Riffing mit jazzigen Elementen – und reizt dabei den Tonumfang der Gitarre immer wieder aus. Weitere Bands, die achtsaitige Gitarren benutzen, sind unter anderem ALL SHALL PERISH, SCAR SYMMETRY, MONUMENTS oder BRUJERIA.

Fotos: Andrea Friedrich, Sarah Fleischer, Tallee Sauvage, Eckart Maronde

09.05.2014

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