Axel Rudi Pell
"Ich mache vermutlich weiter, bis sie mich tot von der Bühne tragen."

Interview

Eine der größten deutschen Konstanten im Bereich des Hard Rocks und Heavy Metals ist ohne Zweifel AXEL RUDI PELL. Das beinhaltet nicht nur den stoischen Zweijahresrhytmus, in dem in den vergangenen Jahren reguläre, neue Studioalben erschienen sind, sondern auch Artworks, Stil und Aufbau. Wie viel System dahintersteckt, wie lange Pell noch so weitermachen möchte und über das Alter sprach der 61-jährige Gitarrenvirtuose mit uns in einem kurzweiligen Telefongespräch. Natürlich ging es auch um das neue Werk „Lost XXIII“.

Hallo Axel, wie geht es dir? Mir wurde zugetragen, dein Rücken hat dir Probleme bereitet.

Ja, ich habe vor mehr als sieben Wochen mittlerweile falsche Bewegungen gemacht an meinem Auto, einen Tag später hatte ich Rückenschmerzen. Aber dann stellte sich heraus, dass es doch von einem entzündeten Zahn im Mund kam, was dann bis in den Rücken gezogen hat. Nun ist der Zahn weg und mir geht es schon besser. Ich bin noch auf Schmerztabletten, aber es geht bergauf.

Du hast ein neues Album draußen, „Lost XXIII“. Ich habe mal gezählt, mit den „Diamonds“-Scheiben komme ich auf 21 veröffentlichte Alben. Wie kommt der Albumtitel denn zustande? Ich dachte, das hat vielleicht was mit den veröffentlichten Alben zu tun.

Nee, das hat nichts mit den Scheiben zu tun. Das geht einfach darum, dass der 23. Buchstabe im Alphabet das „W“ ist und in dem Sinne steht das für „World“ bei mir, also „Lost World“. Das hatte ich dann geschrieben und fand das ein bisschen langweilig, darum habe ich gedacht, ich mache da einfach diese römischen Ziffern draus, weil es dann ein bisschen mystischer und spannender ist und jeder fragt beim Interview am Anfang direkt „was heißt denn das?“ (lacht) Das ist  immer ein guter Einstieg.

„Sign Of The Times“ kam ja zu Anfang der Pandemie raus, „Lost XXIII“ zwei Jahre später. Haben diese Jahre sich bei dir beim Song- und Textschreiben bemerkbar gemacht?

Du meinst jetzt die Pandemie an sich in der Zeit? Klar, ich bin auf das ein oder andere Thema eingegangen, die Pandemie steckt auch im Song „Survive“ drin, da geht es aber mehr um den Allgemeinzustand der ganzen Welt. Da geht es um Kriege, die noch da sind, um die Taliban, die noch aktiv sind, der IS, der noch da ist, um die Klimakatastrophe. um alles sozusagen. Direkt spezifisch einen Song über die Pandemie habe ich nicht gemacht.

Das Album hat so den typischen AXEL RUDI PELL-Aufbau. Intro, schnelle Nummer, bunter Mix aus all deinen stilistischen Facetten, eine Ballade oder zwei und ein Longtrack. Kommt der Aufbau nach all den Jahren einfach so oder ist das gewollt?

Ich versuche immer, ein buntes Melodienkarussell zu erstellen (lacht). War nur’n Scherz, das ist einfach so in meinem Schaffen drin. Ich schreibe so viele Riffs und Songs, ich habe schon für das nächste Album wieder drei mega Riffs zusammen, ich komponiere ja ständig. Und dann setze ich die einzelnen Komponenten zusammen. Es kann sein, bis jetzt habe ich noch nichts, dass mir für das nächste Album gar kein epischer, langer Track einfällt. Das kann durchaus sein. Bis jetzt ist es aber immer passiert und die waren immer so göttlich, dass ich gesagt habe, der muss jetzt aber aufs Album drauf.

Ich setze mich jetzt aber nicht hin und sage „oh, ich muss noch eine Ballade schreiben“ oder einen epischen Song oder einen schnellen Song. Das entwickelt sich aus den Riffs und Melodien, die ich über die vergangene Zeit so gesammelt habe.

Ich habe in einem Interview zu „Into The Storm“ vor acht Jahren gelesen…

Ui schon wieder so lange her, da war ich erst 18 (lacht)!

…dass du immer dein aktuelles Album mit Abstand am besten findest und rückblickend das manchmal auch anders ist. Ist das jetzt wieder so?

Momentan finde ich es immer noch am besten, ja, das muss ich zu meiner Schande eingestehen. Ich finde es etwas reifer und ausgewogener als die letzten beiden Alben zum Beispiel, obwohl ich das bei „Sign Of The Times“ auch gesagt habe. Aber ich meine das auch wirklich ernst, ich bin so von dem Werk überzeugt, denn sonst hätte ich die Songs nicht alle aufgenommen.

Es kann aber auch in zwei Jahren sein, dass ich dann wieder sage „nee, das ist jetzt das Beste!“ Das kommt echt immer darauf an, wie weit das jeweilige Album entfernt ist.

Ist das bei dir dann so eine homogene Angelegenheit oder kannst du zwei, drei Songs rauspicken, auf die du besonders stolz bist?

Besonders stolz bin ich auf das Gesamtwerk. Ich glaube, die Scheibe kann man in einem Rutsch durchhören, ohne dass einem langweilig wird. Ein paar Leute sagen natürlich „Follow The Beast“ sei furchtbar, viel zu schnell, „sowas haste früher mal gemacht“, aber andere Leute feiern genau den Track total ab und sagen „Wahnsinn, super, klingt wie früher!“.

Ich kann da keine Rosinen rauspicken, besonders gelungen finde ich „Gone With The Wind“ und den Titelsong. Das sind momentan meine persönliche Favoriten, das kann sich aber morgen auch schon wieder ändern.

Beim Titeltrack bin ich ganz bei dir, weil ich ein Faible für lange Songs habe.

Das ist schön, weil es gibt auch Leute die sagen „Mensch, da hättest du auch drei Songs draus machen können!“, das ist doch viel zu lang. Argh, die Leute verstehen die Werke nicht!

Es verhält sich beim Albumdesign ja ähnlich wie beim Aufbau, die Optik und Schriftart ist bei AXEL RUDI PELL immer gleich…

Ja, die Schriftart habe ich irgendwann mal gekauft, das ist meine! Ich fand die eigentlich sehr passend, die benutzen wir auch schon 20 Jahre oder so.

Wie wichtig sind dir im Gesamtkonzept Cover und Design und wie hast du das aktuelle Cover ausgesucht?

Ich sage immer, die Musik muss zum Cover passen und andersrum auch. Wenn ich die CD in den Player lege oder das Album streame, dann fängt das schon mit dem Intro an, man kann das sofort fühlen. Du fühlst dich sofort in so eine bestimmte Zeit versetzt. Das geht mir auch beim Titelsong so, der hat was Düsteres, Mystisches, Episches drin und das passt zusammen.

Die Vorgaben zum Cover habe ich meinem neuen Coverartist Thomas Eberhardt mitgeteilt. Ich möchte gerne Mönche haben mit Kutten, die Fackeln tragen, ich möchte da einen Thron drin haben, ich möchte einen Raum haben, der mystisch aussieht. Das habe ich ihm alles gesagt und er hat es super geil umgesetzt, ich bin mega zufrieden.

AXEL RUDI PELL ist ja irgendwo eine Band, die deinen Namen trägt. Gibt es beim Songwriting und Aufnahmeprozess Absprachen?

Beim Schreiben sprechen wir uns überhaupt nicht ab. Da mache ich alles alleine. Die Jungs kriegen auch keine Demos zu hören, ich nehme alles zuhause auf, jedes einzelne Instrument bis auf das Schlagzeug, da lege ich nur die Geschwindigkeit des Liedes vorher fest. Ich habe auch den Rhytmus schon im Kopf. Dann gehe ich ins Studio, da werden die Demos ins System eingespielt und dann kommt Bobby (Rondelli, Schlagzeuger) rüber und spielt zu meinem Demo die Drums.

Wir sind musikalisch auf einem Level. Die Bands, die er cool findet, finde ich auch cool, was ich nicht mag, mag er auch nicht. Sobald er ein Riff von mir hört, weiß er genau, was er trommeln muss und das macht er dann meistens auch. Ich sage ihm dann immer „Bobby, let’s go over the song!“ und er antwortet „Yeah, I know what you want me to play, baby!“ und legt los und das haut mich dann immer total vom Hocker. Natürlich reden wir über Kleinigkeiten, aber im Grunde genommen geht das relativ schnell.

Ansonsten ist von mir alles vorgegeben. Der Ferdy (Doernberg, Keyboards) bringt natürlich eigene Ideen mit rein, weil der Tonnen von Keyboardsounds hat. Beim Keyboard dauert das Suchen des Sounds meistens viel länger als das Einspielen. Beim Titelsong zum Beispiel ist im Refrain ja was leicht Arabisches drin. Das hat Ewigkeiten gedauert, diesen Sound zu finden, er hat alles durchgeguckt und das war alles nicht das richtige. Mein Soundingenieur meinte dann, er hätte da noch so ein paar arabische Sounds und ich fand den ersten direkt mega. Ferdy fand das auch cool. Mit dem Songwriting hat das aber nichts zu tun, mehr mit den Arrangements.

Mit dem Johnny (Gioeli, Sänger) ist das ähnlich. Ich singe auf den Demos das ja selber, die kriegt er dann zu hören und ich gehe das mit Johnny via Skype alles durch und wenn er hier und da was ändern möchte, weil er das so besser findet und das besser klingt, dann machen wir das natürlich so, wie er das möchte. Ich zwinge keinen dazu, etwas so zu machen, wie ich das will. Meistens sind die Leute aber damit einverstanden, was ich vorgebe.

Du sagtest jetzt gerade, du singst die Songs selbst ein, aber davon mal eine Demo zu veröffentlichen, wäre keine Option?

(Axel lacht laut und lange) Nee, ich will keine Comedy-Platte machen, das geht gar nicht. Ich habe überhaupt keine Singstimme. Ich treffe zwar relativ oft die Töne, zwar ein bisschen schief, weil ich so hoch nicht komme. Das willst du wirklich nicht hören. Auf „The Ballads II“ habe ich das ja mal versucht und „Hey Joe“ gesungen und das war auch mehr scheiße als cool. Du willst meine Singstimme wirklich nicht hören!

Du bist dir also 100% sicher, dass Johnny es besser macht als du.

Natürlich, Johnny ist einer der besten Hard-Rock- und melodischen Metalsänger überhaupt, keine Frage. Wenn ich jetzt sagen würde, ich singe alles selbst, dann war es das mit der Karriere.

Du bist jetzt über 30 Jahre mit AXEL RUDI PELL aktiv. Wie lange willst du noch weiter machen? Bis du umfällst?

Ja! Okay, vielleicht nicht, bis ich umfalle. Ich mache so lange weiter, bis ich das Feuer in mir nicht mehr spüre. Aber solange ich das noch habe, diese Flamme in mir, macht das ja auch tierisch Spaß. Ich könnte mir derzeit nicht vorstellen, mit Musik aufzuhören. Aber solange die Gesundheit mitmacht, es kann ja sein, dass irgendwann alle Finger mit Arthrose voll sind oder ich nicht mehr richtig spielen kann, dann würde ich vielleicht mit live spielen aufhören und nur im Studio arbeiten. Aber momentan bin ich da weit von entfernt und ich denke eher, dass sie mich irgendwann tot von der Bühne tragen oder was auch auch immer. Ich hoffe jedenfalls, noch etliche Jahre so weitermachen zu können.

Die Gitarrentätigkeiten würdest du aber nicht abgeben, sagst du?

Nee, das muss ja auch so klingen wie AXEL RUDI PELL, ich habe ja auch meinen eigenen Sound.

Die Frage nach dem Touren kann ich mir sparen, das geht ja zum Glück wieder los jetzt, das neue Album kommt ungefähr in zwei Jahren, das wissen wir auch schon…

Das weiß ich jetzt noch nicht! Wenn ich nicht mindestens zehn gute Songs habe, kommt es vielleicht auch erst in drei oder vier Jahren. Dass „Lost XXIII“ jetzt das letzte ist, glaube ich nicht, ich habe ja noch Ideen. Vielleicht kommt nächstes Jahr auch schon „The Ballads VI“ oder gar nichts, ich weiß es nicht. Was Touren angeht, habe ich die Qual der Wahl der Setlist.

Danke dir für das Gespräch, Axel! Bessere dich und bis bald!

Danke dir für deine geopferte Zeit, bis dahin wird das längst weg sein. Schönen Tag noch!

Quelle: Telefongespräch mit Axel Rudi Pell
03.05.2022

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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