Endseeker
Ein Blumenstrauß mit abgehackten Köpfen
Interview
Vier Alben – vier Treffer und Schweden wieder ein Stück näher nach Deutschland geholt. Die Erfolgsgeschichte von ENDSEEKER ist ebenso erstaunlich wie berechtigt und es freut uns, dass auch das neue Album „Global Worming“ da keine Ausnahme darstellt. Wir saßen virtuell mit Sänger Lenny Osterhus zusammen, welcher uns Einblicke in die Produktion und Intention des Albums gab, sodass erneut ein abwechslungsreiches Gespräch entstanden ist, wie schon damals im Interview zum letzten Meisterstück „Mount Carcass“.
Hi Lenny! Ich muss sagen, mir gefällt das neue Album echt wieder ziemlich gut, auch wenn es eine Zeit gedauert hat, bis sich bei mir die ersten Hits rauskristallisiert haben. Das war bei „Mount Carcass“ zum Beispiel beim Titelsong anders.
Ja das Album ist es ziemlicher Grower. Bei uns bekommen die Songs ja Zeit, um im Proberaum zu reifen. Aber wenn man jetzt als Hörer nach zwei Jahren ein neues Lebenszeichen vorgesetzt bekommt, dann hat man ein ganz anderes Empfinden, da merkt man diese Unterschiede viel krasser, als wir es mitkriegen. Ja, manchmal höre ich noch einen Song von „Mount Carcass“, aber irgenwann höre ich unser Scheiben halt nicht mehr, man spielt die Songs ja sowieso ständig.
„Global Worming“ ist natürlich ein sehr einprägsamer Titel. Macht ihr solche Wortspiele nun zu eurem Trademark?
Ich hole mal ganz weit aus. Wir haben schon zur EP über Doppeldeutigkeiten nachgedacht und das versucht, mit einzubringen. „Global Worming“ ist dann schon die Kirsche auf der Sahne, auch für uns. Das hat sich so ergeben, wir schreiben ja eine Platte nicht, weil wir einen Titel haben und dann die Songs dazu schreiben, sondern der Titel kommt während des Schreibprozesses. Und so kam es, dass wir eine Song- und Titelidee hatten und dazu eine Demo aufnehmen wollten und der Titel hat bei mir direkt gepunktet und ich dachte, das ist ein potentieller Albumtitel. Als alle Songs fertig waren, stand dann auch die Entscheidung, den Song als Titel zu verwenden. Ich meine, die Welt da draußen ist so verrückt, da müssen wir auch richtig einen rausfeuern.
Ich finde es auch cool, dass der Song dann gar nichts mit seinem „Partnerthema“ zu tun hat.
Ja, das ist ein klassischer Zombiewurm-Text, wo die Würmer damit beschäftigt sind, die menschliche Spezies zu vertilgen. Da kann man irgendwelche Interpretationsräume im Text finden, aber ich habe selber noch nicht gesucht (lacht).
Den Würmern geht es am besten, wenn es auch in Norddeutschland im Herbst 42 Grad im Schatten hat.
Wir haben das auch ganz bewusst gemacht, dass wir den Text old school gehalten haben und er eine schöne, spaßige – wenn man es als Spaß bezeichnen kann, von Zombiewürmern vertilgt zu werden – Aura hat. Der Song soll Spaß machen.
Aber ihr habt auch wieder aktuelle Themen als Textinspiration drin, oder?
Die Texte sind viel aktueller als sie damals waren, als sie geschrieben wurden. „Hell Is Here“ ist rausgekommen, als der Konflikt im nahen Osten ausgebrochen ist. Ich arbeite gerade so viel, dass ich mich kaum mit der Nachrichten- und Medienwelt auseinandersetzen konnte und mir geht es auch total gut damit, aber du bekommst es natürlich trotzdem mit. Den Text hat Ben verfasst und Ben ist gut darin, einen Grundfrust zu kanalisieren, wenn man sieht, wie Geschichte sich wiederholt und keiner hat was gelernt. Egal, wie fortgeschritten die Menschheit ist, es werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht. Das ist wie Psychopathie, ich versuche immer wieder auf die gleiche Art und Weise auf das gleiche Problem zu reagieren, obwohl ich weiß, dass es scheitert. Das ist natürlich frustrierend und muss auch mal aus uns raus.
Ich bin da aber ganz bei dir, ich habe auch keine Lust, mich nach der Arbeit noch zwei Stunden mit den Negativnachrichten dieser Welt auseinanderzusetzen.
Ja und es bringt einem persönlich ja nichts. Als Tschernobyl hochgegangen ist haben auch alle jeden Spiegelartikel verfolgt, ob man nun radioaktiv verseucht ist oder nicht, aber geändert hat es nichts außer, dass es meine Lebenszeit gefressen hat. Es war kein Gewinn, das zu lesen, es war nur mediale Unterhaltung böse gesagt. Das muss jeder selbst für sich sehen, ob das Gewinn ist, sich ständig mit Negativität auseinanderzusetzen. Das sag ich als Death Metal Sänger (lacht).
Ihr veröffentlicht „Global Worming“ unter deutlich besseren Bedingungen als „Mount Carcass“, wo ihr abseits der Streamingshow wenig Möglichkeiten zum live Spielen hattet. Wir habt ihr rückblickend die vergangenen zweieinhalb Jahre empfunden, insbesondere weil ihr ja seit dem Signing bei Metal Blade auch auf einem aufsteigenden Ast seid?
Es gibt für eine Band wenig Unangenehmeres als mit einer angezogenen Handbremse zu starten. Der Release musste halt laufen, der musste ohne unsere Shows laufen und die Scheibe hat uns auch gut in die Karten gespielt, als dann Liveshows wieder starteten. Ich glaube was ich Positives resümieren kann ist, dass wir uns die Zeit nehmen konnten, die Scheibe in Ruhe aufzunehmen, die Scheibe in Ruhe zu schreiben und sie sacken zu lassen. Das hat bei der „Mount Carcass“ so gut funktioniert, dass wir gesagt haben, das machen wir für die „Global Worming“ auch so.
Wir haben dann ja auch seit Oktober 2022 nicht gespielt und die Scheibe dann im Juni aufgenommen, also von Oktober bis Juni keine Liveshows und wer mich kennt weiß, dass ich Liveshows liebe. Das ist die Energie, die ich am liebsten den ganzen Tag haben möchte. Da haben wir für die Scheibe drauf verzichtet. Immer mit der Prämisse natürlich, dass wir ein Album schreiben wollen, das mindestens so gut ist wie „Mount Carcass“. Auf jeden Fall ebenbürtig, gerne besser und letztendlich ist das auch Geschmackssache. Jeder mag ja irgendwelche anderen Scheiben von Bands lieber.
Mein Gefühl ist, dass die neue Scheibe eher brutaler, schneller und kompromissloser ist, das wären drei Adjektive, die ich benutzen würde.
Das ist echt interessant. Ich habe auch schon gehört, dass die Scheibe viel grooviger ist als unsere bisherigen Alben. Jeder hört bei der Scheibe was anderes, das mag ich an ihr so gerne. Jeder hat auch andere Favoriten. Der oder die eine feiern „Our Only Life“, weil das halt mega auf die Fresse gibt, andere feiern „Hanging Gardens“ als Groovemonster. Ich habe immer noch nicht so richtig gesehen, worauf das ganze hinausläuft, weil die Meinung so breit gestreut ist.
Das ist für mich auch ein Zeichen, dass wir nicht alles falsch gemacht haben, weil so soll es ja auch sein. Wir wollten einen Blumenstrauß anbieten, also natürlich mit abgehackten Köpfen und was man halt so reinpackt in einen Blumenstrauß als Metaller, aber wir wollten Vielfalt abbilden. Das ist uns wirklich gelungen, finde ich. Du sagst es ist härter und kompromissloser, ein anderer sagt, es ist melancholischer und schwerer. Das zeigt, wie unterschiedliche Ohren das Album hören und das macht mich total glücklich.
Ich kann auch gar nicht genau sagen, woran ich meinen Ersteindruck festmache. Vielleicht daran, dass auch das Cover zurück in Richtung Debüt und EP geht und die beiden Alben für mich auch mehr auf die Fresse geben. Vielleicht bin ich deswegen mit dem Mindset daran gegangen.
Genau und das Mindset beeinflusst das Hörerlebnis. Beim Artwork haben wir uns gedacht, es passt zur Wurmthematik, wieder ein Schwarz-Weiß-Cover zu nehmen und im Ekeltopf rumzurühren.
War das der gleiche Designer wie damals?
Du wirst überrascht sein…
Das malt alles deine Tochter.
(lacht) Das erste hat Mark Riddick gezeichnet, das zweite hat Albert Che gezeichnet und das Coverartwork jetzt hat unser Gitarrist Ben gezeichnet. Der kam um die Ecke mit ’ner Idee und fragte, ob er die mal zeichnen soll. Wir fragten, ob er sich das echt antun wollte und er meinte warum nicht. Dann hat er dieses Ding rausgehauen und ich glaube nicht, dass auch nicht ein anderer Künstler was passenderes zeichnen können, als er es gemacht hat. Das ist auch ein Privileg, dass wir als Band so viel selbst machen können. Er hat einen Megajob gemacht. Auch bei der Special Box des Albums, er hat die komplette beiliegende Zeitungsseite entworfen. Ich finde das wahnsinnig gut.
Dieses Mal habt ihr tatsächlich keinen Coversong dabei!
Stimmt, wir haben kein Cover dabei. Wir haben bei der Box noch die 7″ als Bonus dabei mit einem Song, der „Eradication“ heißt und einer Liveversion von „Unholy Rites“. Aber ja, man könnte das erwarten, weil wir bisher immer ein Cover oder was Coverähnliches dabei hatten. Doch wir haben uns nicht die Prämisse gesetzt, das auf jeder Scheibe dabei zu haben, das hat sich so ergeben. Es kommt jemand zur Probe, hat ein Riff eines Songs im Kopf und meint, er kann sich das richtig geil im Schwedentod-Style vorstellen und wenn das zündet, dann machen wir das.
Dieses Mal hatten wir mit unserem Songwriting genug zu tun. Wir haben den Prozess sehr genossen und nicht das Gefühl gehabt, dass wir auf Biegen und Brechen einen Coversong draufsetzen müssen. Wir haben es dann gelassen wie es ist. Vielleicht haben wir nächstes Mal wieder eins drauf, vielleicht machen wir mal eine reine Coverscheibe, aber wir stecken uns da nicht in ein Korsett.
Dann erzähle mir mal, welche Bedeutung sich hinter dem Titel „C.B.V.“ verbirgt, der ja das Ergebnis überhitzter Tourbusfantasien sein soll.
Das war ein Text, den Ben und ich in einer lustigen Nachmittagssession verfasst haben, wir haben uns da gegenseitig aufgestachelt. „C.B.V.“ steht für „Cunt Blood Vampire“, ein sehr pubertärer Titel eigentlich, denn selbst jeder Nicht-Engländer weiß ja, was das ist. Wir hatten mal die Idee, dass es eine schöne Story wäre, dass so ein Vampir nachhaltig seinen Blutkonsum stillt. Dann führte eins zum anderen und wir haben einen sehr romantischen Text daraus geschnürt. Der ist ein bisschen provokant, was Death Metal ja gerne sein darf, aber ganz klar nicht frauenfeindlich gemeint ist. Meine Schwester findet den zum Beispiel mega, es ist jetzt nicht so, dass wir da nicht das schöne Geschlecht degradieren wollen. Der Vampir ist der, der das Blut braucht.
Ja, das ist ja auch ein Death Metal Text. George Fisher wird „Fucked With A Knife“ auch nicht ernst meinen.
Wahrscheinlich nicht, Familie hat er ja trotzdem (lacht). Das sind ja nur abstrakte Ventile für Gefühle, die rausmüssen und die wohl jeder in sich hat. Wer das verneint, hat Unrecht.
Freut ihr euch auf die Headlinertour mit DÉCEMBRE NOIR?
Ja sehr, wir wechseln uns mit dem Headlinerposten ab, die Jungs sind ja auch alte Freunde von uns und wir haben ein tolles Set vorbereitet. Wenn wir sonst manchmal nur vierzig Minuten Spielzeit haben, müssen wir uns sehr beschneiden was die Songs angeht. Das tue ich nicht gerne, ist aber halt notwendig.
Dann müsst ihr halt mal eine zweieinhalbstündige Homecoming-Show geben.
Ja irgendwann vielleicht. Wir haben ja kommendes Jahr das zehnjährige Bandbestehen und da ist eine Anniversary-Show auf der To-Do-Liste, entweder wir mit vielen Freunden oder nur wir mit einer absurd langen Spielzeit, keine Ahnung, müssen wir mal drüber nachdenken.
Wir warten gespannt! Danke Lenny für das Interview!
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Stile | Death Metal, Stockholm Death Metal |
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