Lord Of The Lost
"Woah, guck mal Mutti, ich bin Platz 6 in den Charts." - Interview mit Chris und Class

Interview

Gespräche über Gott und die Welt mit LORD OF THE LOST

“Thornstar“ war das bislang erfolgreichste Album für die Hamburger Dark Rocker von LORD OF THE LOST. Derzeit zieht es die Band in die Welt hinaus, etwa nach China, ins Vereinigte Königreich oder ins Baltikum, um den Fans die neue Scheibe zu präsentieren. Grund genug für uns mal mit Chris Harms (Gesang) und Class Grenayde (Bass) buchstäblich über Gott und die Welt, das aktuelle Album und das exzessive Touren zu sprechen.

metal.de: Eurem aktuellen Album “Thornstar” liegt ein detailliertes Konzept zugrunde. Wie gestaltete sich die Recherchearbeit zur Geschichte der Pangaen – wenn ich sie denn richtig ausgesprochen habe?

Chris Harms: Wie man sie ausspricht, wissen wir selber nicht. Ich glaube, das weiß auch keiner. Das ist ja genauso wie bei Altägyptisch, das weiß man es auch nicht. Es hat sich so gestaltet, dass wir alle bis auf Klaas in unserer Jugend schon von dem Thema gehört haben und fanden das ganz cool. Wir sind dann irgendwann wieder darauf gestoßen. Das Ding ist, dass man tatsächlich nicht viel findet und ich das große Glück habe, dass ein Freund von mir Historiker ist. Da bin ich an Archive rangekommen, an die man als Normalsterblicher eben nicht rankommt. Auch wenn heutzutage alles digitalisiert und dokumentiert ist, ist trotzdem nicht alles frei zugänglich. Das hat sehr viel Spaß gemacht, hat aber unglaublich viel mit Kompilieren und Reinterpretieren zu tun gehabt, denn je älter Geschichten sind, umso mehr verschiedene Stränge gibt es dort auch und umso mehr verschiedene “Wahrheiten“. Insofern ist unsere Geschichte auch nichts weiter als der Versuch einer Reinterpretation dessen. Es gibt nicht die eine pangaeische Mythologie. Deshalb haben wir versucht uns alles rauszuziehen, was wir interessant fanden und die Geschichte auf unsere Art und Weise zu erzählen.

metal.de: Das finde ich persönlich sehr spannend. Ich habe bei uns die Review zur “Thornstar“ geschrieben und war teilweise verwirrt. Google spuckte zur Geschichte nichts aus, deswegen überlegte ich, ob ihr euch das ausgedacht habt oder ob es vielleicht doch wirklich ist? Die Wahrheit liegt ja scheinbar irgendwo dazwischen.

Chris: Es gibt schon ein paar Websites. Die muss man aber hacken. Die sind, warum auch immer, verboten. Vielleicht findet es der Vatikan nicht cool, denn gefühlt 90% der Grundzüge des Christentums verstecken sich in dieser Mythologie.

metal.de: Chris stellt sich in der Öffentlichkeit eher als atheistisch dar, bei Class weiß ich es leider nicht so genau. “Thornstar“ beschäftigt sich jedoch in erster Linie mit Glauben und Mythologie – ist das für euch kein Widerspruch? Haltet ihr solche Weltbilder für unsinnig?

Chris: Ich bezeichne mich nicht als Atheisten. Ich würde mich eher als Agnostiker oder Ignostizisten bezeichnen. Ein Atheist sagt: “Gott gibt es nicht“. Ich sage: “Ich weiß es nicht.“ Ich gehe als Ignostizist auch noch weiter und sage: “Solange es keine stichhaltigen Beweise gibt, muss man nicht weiter darüber diskutieren“ – beziehungsweise ich muss mit niemandem darüber streiten. Trotzdem ist das ein sehr interessantes Thema. Keiner von uns hat etwas gegen den Glauben oder Gläubige oder Religion. Wir haben ein Problem mit den Machtverhältnissen, die sich dahinter verbergen, mit den Institutionen. Das empfinde ich als schwierig. Jeder kann glauben, was er will. Wenn jetzt jemand beseelt von Jesus ist und das macht ihn glücklich, dann ist das vollkommen in Ordnung, solange er niemand anderem etwas Schlechtes damit tut. Trotzdem empfinde ich es so, dass diese Geschichten, die sich die Menschheit ausgedacht hat, diese ganzen Religionen und die verschiedenen Weltbilder, unglaublich interessant sind, aufgrund der Parallelen, die man dort sieht und der Versuche, wie sich die Menschen versuchen Hilfe zu holen, aus einer übergeordneten Welt, die größer ist, als man selbst. Das Schöne an der Mythologie der G’hahyr ist für uns einfach das Sinnbild, dass dort Götter und Menschen auf eine Stufe gestellt werden und man nicht als Mensch eine Gottheit fürchten muss, sondern das, was größer ist als man selbst und man selbst zu einem großen Ganzen wird. Das erinnert ein bisschen an “Avatar“ [Der Film, nicht die Band, Anm.d.Red.] mit der Verbundenheit der Natur. Das empfanden wir als schönes und stimmiges Bild. Wir sind davon überzeugt, dass, würde die Menschheit nach wie vor an diese Religion glauben, sie eine bessere wäre. Wir sind aber fernab davon zu missionieren und wollen nicht sagen: “Übrigens, wir hätten da mal eine Alternativreligion. Glaubt doch mal daran“. Das ist nicht unser Ziel. Das Ziel ist einfach dieses Weltbild zu zeigen und die Geschichte zu erzählen.

Class: Es gibt ja genug Leute, die mit jedem Mist versuchen, andere zu missionieren. Uns interessieren die Geschichten, das “Entertainment“, was die Menschen daraus gemacht haben.

Chris: … und die Emotionen, die dabei passieren.

metal.de: Eine zentrale Figur der Mythologie ist Morgana. Angenommen, diese Mythologie wäre real und ihr könntet mit Morgana sprechen. Worüber würde das Gespräch gehen? Was würdet ihr fragen?

Chris: Das ist eine echt interessante Frage. (überlegt lang) Ich glaube ich würde sie fragen, wie sie es geschafft hat, auf alles was sie menschlich macht zu verzichten, also dieses Leid zu ertragen, nur damit es anderen besser geht, weil sie in ihrem Grundwesen auch menschlich ist. Und ob sie nicht manchmal Bock hätte, mit Haythor wieder ins Bett zu steigen, auch wenn es den Weltuntergang bedeutet. Sie ist doch sicherlich auch irgendwo triebhaft.

Class: Puh, ich wüsste gar nicht, was ich ihr sagen würde…

Chris: Du würdest wahrscheinlich sagen: “Dicke Brüste!“

metal.de: Jetzt klingt es ja schon fast wieder wie ein FEUERSCHWANZ-Interview.

Chris: Das ist voll ok! Mit denen können wir uns auch sehr gut identifizieren. An dieser Stelle schöne Grüße!

metal.de: Die letzten Alben waren relativ hart, wohingegen “Thornstar“ in meinen Ohren an einigen Stellen die Härte wieder zurücknimmt. War das eine bewusste Entscheidung, ergab es sich beim Songwriting oder seht ihr das vielleicht völlig anders als ich?

Chris: Es hat sich so entwickelt und ich sehe es genauso, aber auch irgendwie anders. Es ist in beide Richtungen ganz witzig gewachsen, dass es teilweise im Untergrund bei “Thornstar“ noch mehr rumpelt, noch härter und tiefer geworden ist, aber das was drüber liegt, dieser Zuckerguss, unglaublich 80er-jahre-inspiriert ist und sehr sphärisch. Das nimmt dann die Härte wieder raus. Ich habe das Gefühl, dass der Rahmen größer geworden ist. Deshalb finde ich, dass es total legitim ist zu sagen, dass es weniger hart ist, obwohl es teilweise unten noch mehr ballert als zuvor. Es war aber keine bewusste Entscheidung. Als wir das erste Mal darüber gesprochen haben, wie das Album klingen soll – das ist jetzt schon 2 Jahre her – wollten wir eigentlich auch etwas ganz Anderes machen, sowas richtig knüppelhartes, furztrockenes, ohne Sphäre, ohne Hall. So ein bisschen wie die frühen GOJIRA-Alben, wo die Sphäre nur aus ein paar schrägen Gitarren besteht, sollte es werden. Dann kam aber irgendwie die Geschichte dazwischen. Mit der “Thornstar“-Geschichte hat sich der Sound automatisch entwickelt. Vor ziemlich genau einem Jahr hatten wie unser Songwriting-Camp auf Mallorca, wo wir den Hauptteil der Songs geschrieben haben. Ich glaube da sind wir irgendwie in so eine Welt eingetaucht und haben jeden Tag vier bis fünf Songs in verschiedenen Gruppen geschrieben, die wir uns abends angehört haben, beim Lagerfeuer, beim Grillen. Als wir darüber gesprochen haben, hat sich ganz unbewusst so eine Soundwelt gebildet. Mir fällt gerade auf, dass wir ab diesem Zeitpunkt nie wieder darüber gesprochen, wo es hingehen soll. Es hat sich einfach so entwickelt und es hat nie einer kritisiert. Es ist irgendwie passiert und dann war es einfach fertig. Das hat uns selber überrascht, dass es so eine Eigendynamik angenommen hat.

metal.de: Viele ungenutzte Songideen bleiben ja bei Bands gern in der Schublade und werden irgendwann mal wieder rausgekramt und verwertet. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei “Thornstar“ kaum bis gar nicht passiert ist. Sehe ich das richtig oder gibt es auch da Song, die auf früheren Ideen basieren?

Chris: Ja die gibt es, aber die befinden sich eher auf der zweiten CD. Die fallen teilweise ein bisschen raus. Es sind teilweise Sachen dabei, die auf früheren Ideen basieren, die aber radikal verändert wurden. Es ist im Umkehrschluss auch tatsächlich so, dass nichts übrig geblieben ist. Es gab keinen Ausschuss. Wir haben alles mit Überzeugung verwendet. Wir haben zwar ausgesiebt, aber die Sachen sind früher in der Produktion schon hinten über gefallen. Wir haben sehr viel früher ein engeres Sieb genommen.

metal.de: Also aus dieser alten “GOJIRA“-Phase ist nichts mehr da, was noch verwendet wurde?

Chris: Naja ein bisschen. Der letzte Song “Ruins“ auf “Thornstar“ ist der erste, den ich geschrieben habe. Der entstand in dieser Phase, als ich mit diesen ganz trockenen und harten Elementen und supertiefen Gitarren arbeiten wollte. Der ist auch eine Oktave tiefer gestimmt als normal. Der ist auf E, für die Nerds. Die Art der Produktion, wie dieser Riffpart mit der Strophe funktioniert, ist aus dieser Idee übrig geblieben.

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23.11.2018

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