Nightfall
Prediger der Liebe und aggressive Antagonisten
Interview
NIGHTFALL kehren aus den Schatten zurück: Das elfte Studioalbum „Children Of Eve“ ist seit einem guten Monat draußen und zeigt die Griechen gleichermaßen laustark und angriffslustig. Vom Thema Glaube über die Dominanz der Kirche bis hin zu Glaubenskriegen reicht der inhaltliche Reigen. Aber auch der Themenbereich Depression ist seit dem Vorgängeralbum „At Night We Prey“ allgegenwärtig. Wir haben bei Frontmann Efthimis Karadimas durchgeklingelt und um eine persönliche Audienz gebeten.
Hey Efthimis, wie fühlst du dich, wenn du an „Children Of Eve“, den Entstehungsprozess und seine persönliche Bedeutung für dich denkst?
Es ist explosiv, und ich denke, das passt gut zu „At Night We Prey“, das düster war. Für mich bedeutet es, dass wir wieder auf den Beinen sind und bereit sind, zu reisen. Gute Orte.
Welche sind die guten Orte?
Letztes Jahr waren wir auf Brasilien-Tour. Es war fantastisch. Das ist wirklich ein gutes Land. Das Gleiche gilt für die EU, die USA und alle anderen Länder, in denen Metal existiert. Mögen die Leute Metal in deiner Heimatstadt?
Hey, Dortmund, das sollte doch der Fall sein!
Dann bedeutet das, dass wir vielleicht die Chance haben, für dich zu spielen, mein Freund.

Nightfall – Eindhoven Metal Meeting 2022
Ich lasse mich überraschen! Ich möchte kurz auf euer Album „At Night They Prey“ zurückkommen: Darauf hattest du das übergreifende Thema Depression, das auf deinen eigenen Erfahrungen basiert. Kannst du dazu etwas sagen?
Das war tatsächlich ein großer Schritt für mich. Alles begann, als mich ein alter Fan der Band und heutiger Freund davon überzeugte, einen Podcast über meinen Kampf gegen Depressionen zu machen. Das hat mein Leben verändert. Leute, die ich vorher nicht kannte, meldeten sich bei mir und fragten, wie ich damit umgehe und wie sie selbst etwas tun könnten. Menschen in Not zu helfen, ist mir heilig. Das spüre ich.
Ich würde besonders gerne wissen, was sich für dich verändert hat, seit du es öffentlich gemacht hast?
Von dem Moment an, als ich meine schwere Erfahrung mit Depressionen offen teilte, lief alles reibungsloser. Das ist normal. Ich habe das Schweigen gebrochen. Sich vor einem Problem zu verstecken, ist in jeder Hinsicht ein großer Rückschlag. Man findet Ausreden, um Dingen aus dem Weg zu gehen, man denkt zu viel nach und neigt dazu, negative Szenarien zu entwerfen, weißt du. Sobald man offen damit umgeht, gewinnt man sein Selbstvertrauen zurück und die Dinge entwickeln sich viel besser. Und darüber möchte ich jetzt sprechen und nicht so sehr über die Schwierigkeiten und traurigen Momente.
Du hast eine neue Initiative namens „Metal Music Against Depression“ (MMaD) ins Leben gerufen, die von der Europäischen Allianz gegen Depression (EAAD) in Deutschland unterstützt wird. Was kannst du dazu sagen?!
Ich habe zum ersten Mal mit der EAAD in Leipzig gesprochen, als „At Night We Prey“ kurz vor der Veröffentlichung stand. Sie haben mich unterstützt, doch aufgrund der Pandemie konnte keine der beiden Seiten viel tun. Letztes Jahr habe ich beschlossen, „Metal Music against Depression“ zu gründen, um Menschen anzusprechen, die die gleiche Leidenschaft für diese Musik teilen. Dieses Mal unterstützen die Europäische Allianz gegen Depression und Ifightdepression.com meine Initiative, und das ist großartig. Interessierte können diese Seite besuchen: Metal Music Against Depression. Ich versuche, Menschen mit psychischen Problemen davon zu überzeugen, professionelle Hilfe zu suchen und mit ihrer Situation zurechtzukommen. Mein einziges Werkzeug in dieser Kampagne ist Vertrauen. Die Szene kennt NIGHTFALL gut. Ich glaube, sie vertrauen mir. Deshalb zähle ich auf diese Beziehung, um die Botschaft weiterzugeben. Wenn auch du eine Erfahrung hast, die du mit der Community teilen möchtest, dreh doch bitte ein kurzes Video darüber und schick es an @metalmusicagainstdepression. Wir sammeln derzeit Videos aus aller Welt, um sie später zu veröffentlichen.
„Children Of Eve“ hingegen behandelt das Thema Glaube, die Macht der orthodoxen Kirche und Religionskriege. Sind diese beiden Themen (auf den beiden Alben) miteinander verknüpft?
Absolut. Religion bestimmt maßgeblich, wie wir die Welt sehen und wie wir mit uns selbst umgehen. Der Glaube spielt eine sehr große Rolle in unserer Existenz. Wenn organisierte Religionen, wie die drei abrahamitischen, von Radikalen vereinnahmt werden, die Bigotterie, Intoleranz und Gewalt fördern, ändern sie ihre Politik von Liebespredigt-Missionaren zu strengen Manipulatoren, die Gläubige wie Soldaten behandeln. Man sieht die Morde und die Gewalt, die sich in letzter Zeit in Europa ereignen. Ausländische Radikale werfen den Fehdehandschuh den einheimischen zu, und die Kämpfe brechen aus. All das beeinträchtigt unser Wohlbefinden, unser Leben. Und es geht tiefer, bis hin zu grundlegenden Dingen wie der Meinungsfreiheit, der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks und allem. Es betrifft unsere Zivilisation selbst. Diese Art von Aggressivität ist derzeit allgegenwärtig.
Was war für dich der Ausgangspunkt, über dieses Thema zu schreiben? Und inwieweit engagiert sich die orthodoxe Kirche im gesellschaftlichen Leben Griechenlands – was sind deine eigenen Erfahrungen?
Ich bin in einem orthodoxen Umfeld aufgewachsen, in einem Land, in dem Kirche und Staat nicht getrennt sind. Anders als in Deutschland, wo Staat und Kirche zwei verschiedene Einheiten sind und die protestantische Lehre angeblich die mildeste von allen ist. Ich bin in einem orthodoxen Land aufgewachsen und kann die Schwachstellen hier aus erster Hand beschreiben.
Hast du das in deiner Heimatstadt bzw. dem Umfeld erlebt?
Natürlich ist es überall spürbar, vom Klassenzimmer bis zum Parlament. Priester sind Beamte und werden aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Schulen beginnen den Tag mit einem Massengebet, die Armee ebenso, und jedes Osterfest wird ein Flugzeug nach Jerusalem geschickt, um das heilige Licht nach Griechenland zu bringen, ebenfalls mit öffentlichen Geldern. Griechenland steht stark unter dem Einfluss der Kirche. Während der Pandemie missachtete sie offen die staatlichen Vorschriften zu Impfungen, Masken und Versammlungen. Die Kirche ist ein Immobilienmogul, der riesige Ländereien besitzt, die mit Verträgen von Sultanen aus der Zeit geschlossen wurden, als es noch keinen griechischen Staat gab und das Land zum Osmanischen Reich gehörte. Diese Ländereien werden gewerblich genutzt. Die Orthodoxie ist mein Ausgangspunkt für alle drei abrahamitischen Religionen, die sich von Predigern der Liebe und des Friedens zu aggressiven Antagonisten gewandelt haben. Sie betreiben Geschäfte und Politik. Aber verstehe mich nicht falsch; Der Unterschied zwischen unserer Geschichte und der anderer Künstler aus der Black/Death-Szene besteht darin, dass wir das sensible Thema des Glaubens nicht ansprechen. Ich meine, jeder hat das Recht, an alles oder jeden zu glauben. Das respektiere ich. Problematisch wird es, wenn man im Namen Gottes dazu aufgefordert wird, aggressiv gegen andere vorzugehen. Und genau das passiert. Manche denken vielleicht, dass keine Kirche, keine Synagoge, keine Moschee eine solche Autorität über Menschen hat. Die Realität beweist das Gegenteil. „Children Of Eve“ handelt von Einheit gegen Bigotterie und Intoleranz. Das ist die Botschaft.
Man kann ein Thema auf verschiedene Weise angehen: Wie würdest du die Stimmung auf dem Album beschreiben?
Es ist ein explosives Album. Man kann es wie ein Pferd reiten und durch seine gewaltigen Text- und Soundfelder stürmen. Ja, genau so empfinde ich es. War „At Night We Prey“ rostig und deprimierend, glänzt „Children Of Eve“ wie eine Stahlklinge.
Es gab in der Vergangenheit ein paar Veränderungen in eurer Besetzung, aber sie ist seit einiger Zeit ziemlich stabil. Nur Vasiliki ist neu dazugekommen, und euer Lead-Gitarrist Mike hat euch verlassen. Ihr hattet ja auch schon die Situation, dass die Band über den halben Globus verstreut gelebt hatte. Wie ist es, dass ihr alle am selben Ort wohnt und euch treffen könnt?
Es ist wirklich toll. Sich zu treffen, zu reden und zu jammen ist für mich im Moment das Beste.
Habt ihr einen festen Proberaum? Wie oft trefft ihr euch zum Proben und Songschreiben?
Ja, wir haben einen. Wir treffen uns dort ab und zu, um die Bühnenliste zu aktualisieren. Sobald eine Reihe von Live-Auftritten beginnt, legen wir eine Probenpause ein. Ich erinnere mich, dass KING DIAMOND einmal sagte: „Ein Live-Gig ist wie 10 Proben“, und dem stimme ich voll und ganz zu.
Was hat euch dazu bewogen, ohne zweiten Gitarristen weiterzumachen, da ihr live auf zusätzliche Musiker angewiesen seid?
Stimmt, wir haben einen zweiten Gitarristen auf der Bühne. Es ist ein Freund von uns, und er könnte in Zukunft fester Bestandteil sein. Es gibt keinen Grund, jetzt etwas zu erzwingen.
Und wann habt ihr gemerkt, dass die Musik auch ohne Flitzefingersoli funktioniert?
Ich liebe die Gitarrensoli von „Children Of Eve“. Besonders diese fetten Dives mit ihren furiosen Tremolos. Ich liebe sie. Kostas schafft es, die Balance zwischen klassischen Metal-Formen und düsterer Atmosphäre zu finden. Das kenne ich seit den Tagen von THE SLAYERKING.
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Da du THE SLAYERKING ansprichst: Gibt es auch für diese Band eine Zukunft?
Es gibt eine Zukunft, aber anscheinend keine Gegenwart. Ich habe gerade meine ganze Zeit in NIGHTFALL investiert und bin so froh darüber. Ich möchte ein weiteres Album mit THE SLAYERKING machen. Es ist allerdings eine Herausforderung, da die Band keine solide Fangemeinde hat, um eine große Produktion zu unterstützen. Und eine große Produktion ist immer das Ziel.
Danke für das Interview, Efthimis!
Galerie mit 25 Bildern: Nightfall - Eindhoven Metal Meeting 2022


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Stile | Melodic Black Metal, Melodic Death Metal |
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