Steril
Steril

Interview

Nach sechs Jahren Öffentlichkeits-Pause wird der Name Steril wieder hinaus in die musikalische Landschaft getragen. "Purification" lautet der Name der musikalischen Botschaft, die durch eine ungeheure und eigenwillige Stil-Mischung aus Pop und Rock mit Spielraum für allerlei Experimente auffällt. Die Jungs aus Oldenburg erzählen, wie sie die letzten Jahre verbracht haben.

SterilNach sechs Jahren Pause erscheint nun „Purification“. Ist das wie eine Art Neuanfang?

Musikalisch nicht. Wir haben die ganze Zeit über an musikalischen Projekten und auch an Steril gearbeitet. Was wieder neu für uns ist, ist die öffentliche Präsenz und Vermarktung der Musik. Zum Glück wird das durch die Zusammenarbeit mit unserem neuen Label Strange Ways sehr angenehm gestaltet.

Wie habt Ihr denn die letzten Jahre verbracht?

Durch eine vorübergehende Konzentration auf Nebenprojekte haben wir viel dazugelernt, gerade was die Produktion und Komposition angeht. Dazu wurden intensive Arbeiten in unsere Studien gesteckt, die nun z.T. fast abgeschlossen sind. Wir brauchten etwas Zeit um Steril neu zu definieren. Wir wollten nichts rausbringen, hinter dem wir nicht hundertprozentig stehen. Daher die Pause.

Spectralbeat und Cycletribe sind Steril Nebenprojekte. Welche Aktivitäten stehen denn für diese an?

Da Steril, für uns etwas überraschend, einen dermaßen großen Zuspruch bekommt (DAC- Platzierungen mit Album und Single), konzentrieren wir uns natürlich derzeit voll auf diese Arbeit. Die Nebenprojekte werden wir mir Sicherheit weiterführen wenn es wieder Zeit wird einen musikalischen Ausgleich zu Steril zu schaffen. Derzeit freuen wir uns aber, voll im Dienste unseres Mutterschiffes zu stehen.

„Purification“: Reinigung – was lasst Ihr denn mit diesem Album hinter Euch?

Eine Zeit der musikalischen Irritation. War „Venustrap“ noch voll von Inspirationen der damals aufkommenden Elekto-Dance-Breakbeat-Ära, so war es schwierig für uns in den letzten Jahren eine derartige Inspirationsquelle zu finden. Viel neues kam nicht mehr. So griffen wir auf unsere bevorzugten Stilelemente zurück und verlegten uns mehr auf das eigentliche Songwriting. Ein guter Song funktioniert immer. 1996 waren wir musikalisch der Zeit einfach etwas voraus. Durch gute Songs mit sicheren Hooklines ersparen wir uns diese Probleme.

Der Begriff Wiederauferstehung ist mir nicht nur in Form des letzten Tracks „Phoenix from the ashes“ aufgefallen, sondern auch im angeführten Zitat von Manfred Tasler „Das Fallen des Menschen ist: Menschlich / Das Liegenbleiben: Teuflisch / Das Wiederaufstehen aber: Das ist Göttlich“. Der Wiederauferstehung geht der Fall oder die Vernichtung voraus. Was bringt den heutigen Menschen Eurer Meinung nach am ehesten zu Fall?

Unzufriedenheit. Viele Menschen tun nicht das, zu dem sie sich berufen fühlen, sondern lassen sich in gesellschaftliche Rollen oder Aufgabenfelder reindrängen und kapitulieren. Die dadurch aufkommende Unzufriedenheit endet oft in Resignation und Lähmung. Die Menschen nehmen ihr Schicksal an und verlieren ihr Selbstvertrauen. Das macht es immer schwieriger mit dem Hintern hochzukommen um herauszufinden was sie wirklich glücklich macht.

Folgendes Zitat stammt ebenfalls von Manfred Tasler: „… In den Worten eines Gedichts schwingt Unsagbares, Numinoses, nur Fühlbares mit. Dem Wortlosen, dem nicht mehr Sagbaren wird versucht, eine Form zu geben. Lyrik ist Musik.“ Welche Unsagbarkeiten schwingen in Eurer Musik und Euren Texten mit?

Wenn du dir unser Album anhörst wirst du in unterschiedliche Stimmungen geführt. Von aggressiv zu lieblich, von melancholisch zu fröhlich. Der Nachgeschmack dieser Stimmungen ist das Unsagbare. Die Songs spiegeln unsere Gefühle wieder, die nicht immer direkt ausgesprochen werden, die aber jeder einzelne direkt nachvollziehen kann.

Glaubt Ihr dem Dichter etwas voraus zu haben, da Euch neben dem Text auch noch die musikalische Ebene zur Verfügung steht, um Emotionen und Stimmungen durch diese zu vermitteln? Oder macht dies alles noch viel schlimmer, da man zwei Ausdrucksformen aufeinander abstimmen muss?

Nein, die Wortwahl kann den musikalischen Stimmungseindruck noch verstärken und umgekehrt. Um diese Stimmung zu vermitteln, muss der Dichter sehr geschickt und künstlerisch mit der Sprache umgehen können. Wenn dir das bei einem Songtext nicht so gelingt, kannst du ruhig auch mit einfacheren Worten deine Gefühle vermitteln, um sie dann kunstvoll musikalisch zu unterstützen.

Was ist eigentlich das Sterile an Steril?

Die Beschreibung „Steril“ ist eigentlich ein Paradoxon. Die Lebendigkeit und der Ideenreichtum unserer Songs soll dadurch betont werden. Der Name hat auch eine provozierende Wirkung. Oft wird sich an dem Namen gestört, was aber beabsichtigt ist. Wir wollen die Musiklandschaft aufrühren, offener machen, Schubladen und Ketten sprengen. Eben nicht steril ein Image verfolgen und uns auf einer Idee pro Song ausruhen. Es gibt nichts steriles an Steril, das macht es ja gerade so toll Steril zu sein.

Im Booklet wird einigen Bands Dank für Inspiration ausgesprochen, die mitunter deutlich in „Purification“ durchschimmert. Wie nah darf eine Band ihren Vorbildern kommen?

Sie darf nicht eine Kopie dieser Vorbilder sein. Wenn eigenständige Songs vorhanden sind, dürfen aber ruhig vorhandene musikalische Stilmittel verwendet werden. Wir setzen uns durch unsere eigenständigen Gesangslinien und unseren Abwechslungsreichtum deutlich von anderen Bands der Szene ab. Trotzdem klingt „Purification“ wie aus einem Guss. Es werden deutlich mehr Ideen verarbeitet als durchschnittlich bei anderen Produktionen des Genres.

Einen Steril-Song hört man immer raus, egal ob er gerade mal schnell ist oder langsam, ob er von Big-Beats oder von String-Orchestern untermalt ist. Das zeichnet eine eigenständige Band aus, die auch ruhig mal ihre Inspirationen aufzeigen darf.

Was macht denn Bands wie Chemical Brothers, Primal Scream, Headcrash oder Clawfinger aus, die Ihr als Inspirationsquelle zählt?

Diese Bands haben alle einen unverwechselbaren Stil, der sich aber ständig selbst zitiert. Dieser Stil ist perfektioniert und klingt eindrucksvoll, ist uns aber als einziges Grundelement zu wenig. Die Chemical Brothers dürften, wenn es nach uns gehen würde, auch ruhig mal E-Gitarren einsetzen. Headcrash dürfte ruhig mal klassische und melodiösere Einsprengsel haben, usw. Wir verwenden alle diese für sich perfektionierten Elemente und schnüren unser eigenes Paket. Natürlich immer in Kombination mit eigenen Ideen und Sounds.

Welche Einflüsse lasst Ihr ansonsten noch in Steril einfließen?

Der größte Einfluss ist das Leben selbst. Wenn du traurig bist oder frustriert, aber auch besonders glücklich über etwas, so wird das am besten beim Musik-Machen verarbeitet. Es hat therapeutische Wirkung. Ohne eine bestimmte extremere Stimmung, kann ich keinen Song schreiben. Erst wenn der eigentliche Song mit seiner Aussage und seiner Grundstimmung steht, wird produziert und überlegt welche musikalische Richtung eingeschlagen wird.

„Back to 1999“ ist ein Stück auf dem Album benannt. Was war denn 1999?

Die Erwartungen an den Jahrtausendwechsel waren überall sehr hoch. Jeder erwartete irgendeine Offenbarung, Verbesserung oder die Landung Außerirdischer. Als dann 0.00 Uhr war hat sich irgendwie gar nichts verändert und die Ernüchterung war allseits groß. Zwei Tage später hat keiner mehr davon gesprochen und alles ging seinen Gang. Der Song handelt von diesen unerfüllten Erwartungen und zeigt dir,“dass du für Veränderungen in deinem Leben meist selbst verantwortlich bist.

Gibt’s noch etwas, dass ich ihr schon immer mal loswerden wolltet, wonach Euch aber noch

nie jemand gefragt hat? Eure Chance 😉

Etwas ernstes. In Deutschland schleicht ein amerikanischer Virus durch die Musiklandschaft bis hin zur schwarzen Untergrundszene genannt „pay-to-play“. Omen est nomen bedeutet es, dass kleine Newcomerbands, von denen die Zukunft und das Potential unser aller Musik abhängig ist, keine Chance mehr bekommen, vor größeren Acts und somit größerem Publikum zu spielen. „Blechen um zu spielen‘ ist eine tödliche Devise, die sich wenigstens in der Indie-ecke unseres Landes nicht normalisieren und verankern darf. Der Skrupellosigkeit, meistens des Managements der Hauptband oder der Hauptband selbst, muss Einhalt geboten werden, da es zusätzlich dem Publikum gegenüber sehr unfair ist, eine völlig abstruse Vorband vorgesetzt zu bekommen, die zwar konzeptionell überhaupt nicht in die Vorstellung passt, jedoch genug Geld hatte um vor der „ziehenden“ Band zu spielen. Fuck you – no exploitation from the media !

23.10.2002

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