Drangsal
geht mit seinen Zores auf einen letzten Beutezug

Konzertbericht

Billing: Drangsal und Mia Morgan
Konzert vom 11.04.2019 | Kulturzentrum Schlachthof, Bremen

Zugegeben, DRANGSAL, dessen brügerlicher Name Max Gruber ist, als Metal zu bezeichnen, wäre sehr gewagt, aber auch als Metaller sollte man diesen Namen schon mindestens ein Mal gehört haben. Er übernahm beim Auftritt von KREATOR bei Circus HalliGalli den Background-Gesang. Ja, er war derjenige, der als Nonne angezogen war. Darüber hinaus hat er sich mit seinen beiden Alben einen eigenen Namen erarbeitet und kollaborierte bereits mit GEWALT und CASPER. DRANGSAL verfügt also schon über einen Status, mit dem man den Schlachthof füllen kann. Das Konzert in Bremen sollte ursprünglich fast drei Wochen vorher stattfinden. Allerdings musste es verschoben werden, da Max Gruber zum ursprünglichen Zeitpunkt stimmliche Probleme hatte.  So kam es dazu, dass dieses Konzert in Bremen nun zum letzten unter dem „Zores“-Banner wurde.

Der Schlachthof ist durch seine einladende Stufenkonstruktion das Indoor-Pendant zum Gelsenkirchener Amphitheater. Allerdings resultiert daraus, dass der Innenraum nur sehr kurz ist. So wirkt es wenig verwunderlich, dass er eine Dreiviertelstunde vor Beginn der Vorband schon fast vollständig besetzt war. Wobei man aber auch dazu sagen muss, dass der Support-Act MIA MORGAN selbst gar nicht mal so unbekannt ist. Ihr Song ‚Waveboy‘ hat in den vergangenen elf Monaten schon über 35.000 Aufrufe bei YouTube verzeichnet.

Talent aus dem Neuland

Mit „Ich bin MIA MORGAN aus dem Internet“ stellt sich die Newcomerin vor. Alleine steht sie mit ihrer Gitarre auf der Bühne und lässt die Backing-Tracks aus ihrem Laptop kommen. Eine erfrischende Transparenz. Musikalisch bewegt sie sich, ähnlich wie DRANGSAL im Synthie-Pop, der zwischen verträumter Schwärmerei und giftigen Abrechnungen pendelt. Das Publikum lässt sich nicht lange bitten und feiert sie ab, obwohl sie bislang nicht mehr als zwei Singles veröffentlicht hat, wobei diese dank voriger Kenntnis sogar mitgesungen werden. Der Höhepunkt ihres Sets ist ihr Hit „Waveboy“, der das Lebensgefühl einiger unserer Leser auch gut auf den Punkt bringt, bei dem zum ersten Mal an diesem Abend gepogt wird und weite Teile des Liedes vom Großteil des Publikums mitgesungen werden. MIA MORGAN hat gezeigt, dass sie bereit für Headliner-Shows ist und die Frage aufgeworfen, wann sie sich endlich an die Arbeit für ein Album macht. Die Qualität dafür hat sie allemal.

Nach einer halben Stunde Umbaupause kommt DRANGSAL unter tosendem Applaus auf die Bühne und startet mit seiner Kritiker-Abrechnung „Jedem Das Meine“. Das Publikum ist von Beginn an da, so wie der Opener lauthals mitgesungen wird. Max Gruber trägt einen samtenen Anzug. Auf dem linken Auge trägt er grünen Lidschatten, auf dem rechten roten. Dazu kommt ein oft gezwungener grimmiger Blick, der so liebenswert-trashig wie der Anzug ist. Gruber lässt aber auch seine lockere, charismatische Persönlichkeit durchschimmen und ist bei seinen Ansagen oft nicht allzu ernst. Bei seinen Rockstar-Bewegungen wirkt er so, als ob er seit Jahren nichts anderes macht. Sein Repertoire ist dabei vielfältig vom schmalzigen ‚Magst Du Mich (Oder Magst Du Nur Noch Dein Altes Bild Von Mir?)‘ über das düstere ‚Love Me Or Leave Me Alone‘ zum wavigen ‚Arche Gruber‘.

Freundliches Verhalten gegenüber DRANGSAL

Das Bremer Publikum ist mit Enthusiasmus dabei, was man in Form des lauthalsigen Mitsingen hört oder als Tanzbewegungen selbst von den obersten Plätzen sieht. Die Songs vom aktuellen Album „Zores“ kommen dabei aber besser an als die vom Debüt. Gruber selbst empfand die Stimmung als „freundlich“und hat zum Crowdsurfing aufgerufen, wofür er schnell gerügt wurde. Einen Stimmungsabfall gibt es bei längeren Instrumentalpassagen. Beim „Wolpertinger Jam“, der das reguläre Set beendete, sind die Reaktionen eher verhalten ausgefallen.

Und dann war es Zeit für die Zugabe. Das ungemein gelungenen Intro ‚Eine Geschichte‘ hätte man problemlos aus der Konserve spielen können, weil es live nicht so leicht reproduzierbar ist. Dennoch hat man den Track live gespielt, während ein Backing-Track dazu lief. Es ist grundsätzlich immer löblich, live zu spielen, aber in diesem Fall geht ein bisschen der Zauber verloren. Dieses Intro wird aber nicht als Einleitung für einen Song verwendet. Herr Gruber fragt vorher, ob es Songwünsche, abgesehen vom Hit ‚Turmbau Zu Babel‘, gibt. Da aber keiner adäquat umgesetzt werden kann, wird doch der verhasste Hit gespielt. Und er ist sich nicht zu schade, zum Abschluss als ultimatives Fuck-Off ‚1001 Nacht‘ von Klaus Lage zu spielen, welches zwar trotzdem nicht an Coolness gewinnt, aber auch nicht den positiven Gesamteindruck trübt.

DRANGSAL hat an diesem Abend gezeigt, dass er eine der größten Hoffnungen des deutschen Pops ist. Wo sich viele andere nur oberflächlich an Themen abarbeiten, die schon seit den 1960er Jahren ausgelutscht sind, verfasst Gruber Texte, mit denen er wirklich etwas zu sagen hat. Ebenso hat er den Mut, mit seiner Musik anzuecken und zeigt dabei auch eine Progressivität, die MAX GIESINGER und Konsorten nicht zuzutrauen ist. Man hat gesehen, dass im deutschsprachigen Pop doch nicht alles verloren ist.

17.04.2019

Redakteur mit Vorliebe für Hard Rock, Heavy Metal und Thrash Metal

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1 Kommentar zu Drangsal - geht mit seinen Zores auf einen letzten Beutezug

  1. nili68 sagt:

    Das hat sicherlich sein Publikum, aber ich halte eher die Aussage „aber auch als Metaller sollte man diesen Namen schon mindestens ein Mal gehört haben.“ für gewagt, da die Frage, ob das Metal ist, komplett off ist, trotz solch schlagkräftiger Argumente wie “ Er übernahm beim Auftritt von KREATOR bei Circus HalliGalli den Background-Gesang. Ja, er war derjenige, der als Nonne angezogen war.“
    Grundsätzlich finde ich es aber gut, wenn auch abseits von Metal berichtet wird, nur finde ich es diesmal ärgerlich schlecht, weshalb ich mich genötigt sehe, dieses zu scheiben. Nichts für ungut..