Hämatom
Das laute Abendmahl 2023

Konzertbericht

Billing: Hämatom und Any Given Day
Konzert vom 07.04.2023 | Aladin, Bremen

Es fing alles 2016 an, als HÄMATOM vier Release-Shows in allen vier Himmelsrichtungen zum damals aktuellen Album „Wir sind Gott“ spielten. Die Wahl für Show im Norden fiel dabei auf das Aladin in Bremen. Dort hat es HÄMATOM offensichtlich so gut gefallen, dass sie beginnend mit 2017 jedes Jahr zum Karfreitag ihr eigenes „lautes Abendmahl“ veranstalten. Losgelöst von den eigentlichen Touren der Band zelebrieren sie den Feiertag mit wechselnden Special Guests. In der Vergangenheit waren bereits Hochkaräter wie FEUERSCHWANZ oder J.B.O. zu Gast, an diesem Abend fällt die Wahl auf ANY GIVEN DAY.

ANY GIVEN DAY entfernen das „still“ aus dem stillen Feiertag

Die Metalcore-Band, deren aktuellen Output „Overpower“ schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, betritt um Punkt 21 Uhr die Bühne. Früher ist auf Grund der Feiertagsregelungen nicht möglich. Demzufolge hat sich das am Ausverkauf kratzende Aladin bereits so gut gefüllt, dass die letzten Nachrücker auf das benachbarte Tivoli ausweichen müssen, wo sich auch der Merchstand befindet. Von dort aus ist die Sicht eher begrenzt, der Sound aber auf Grund der dort zugeschalteten Anlage ebenfalls in Ordnung.

Eine Stunde lang legen ANY GIVEN DAY das Aladin in Schutt und Asche und zeigen, dass sie nicht nur ein Anheizer für HÄMATOM sind, sondern eben ein vollwertiger Special Guest. Neben Stücken der letzten beiden Alben kommt mit „Never Say Die“ auch ein alter Schinken aus dem Debütalbum in die Setlist. Den Abschluss macht das in Fankreisen mittlerweile legendäre RIHANNA-Cover „Diamonds“, welches von den anwesenden Fans natürlich standesgemäß abgefeiert wird. Als sich ANY GIVEN DAY verabschieden, werden sogar die Rufe nach einer Zugabe laut. Diese kann die Band zwar nicht geben, weil HÄMATOM bereits mit den Füßen hinter der Bühne scharren, aber sie versprechen, dass sie eines Tages wiederkommen werden.

HÄMATOM haben in Bremen ein zweites Zuhause gefunden

Um 22:30 kommen dann schließlich HÄMATOM hinter dem regenbogenfarbenen Vorhang, welcher die Bandmitglieder als niedliche Einhörner zeigt, zum Vorschein. Das Set beginnt die Band mit „Ihr wisst gar nichts über mich“ vom 2021er-Release „Die Liebe ist tot“. Ohne großartige Ansagen oder Überleitung setzen sie mit „Zeit für neue Hymnen“ und „Gaga“ direkt zwei weitere Songs obendrauf, mehr wird nicht benötigt, um das Publikum zum Ausrasten zu bringen.

Nachdem dann die offizielle Begrüßung durch Nord stattgefunden hat, darf der Titeltrack vom aktuellen Album „Lang lebe der Hass“ natürlich nicht fehlen. Dass der anschließende Überhit „Alte Liebe rostet nicht“ schon so früh im Set Beachtung findet, ist etwas seltsam, aber besser als wenn er ganz fehlen würde. Auch „Bestie der Freiheit“ wird mit einigen Stücken bedacht, darunter „Lange nicht perfekt“, „Mörder“, „Lichterloh“ und „Ich hasse dich zu lieben“.

Wer HÄMATOM kennt weiß, dass sie in neuerer Zeit auch eine gewisse Affinität zum Deutschrap aufweisen. Sie veröffentlichten zusammen mit den 257ers den Song „Ficken unsren Kopf“, welcher zwar kein lyrischer Meilenstein ist, aber abgeht wie Schmidts Katze. Und auch, wenn TRAILERPARK sich 2022 aufgelöst haben, wird der Spirit der Gruppe heute Abend weiter getragen, als „Bleib in der Schule“ angestimmt wird, welches sogar von den Barkeeperinnen mitgesungen wird, während sie die durstige Meute mit Kaltgetränken versorgen.

Zu einem der wenigen älteren Songs des heutigen Abends gehört „Totgesagt doch neugeboren“ von „Wenn man vom Teufel spricht“ von 2011. Dafür gesellen sich Ost und Nord zum Publikum, genauer gesagt auf die kleinen Absperrmauern, die den Pit vom Rest des Innenbereichs teilweise abgrenzen. Zwei Songs bei „Eva“ später darf dann Drummer Süd sein „Crowd-Drumming“ vollziehen, wie er es nennt und mit einem kleinen Drumkit einmal durch die Menge surfen.

Das Akustikwerk „Berlin“ wird mit „Tanz auf dem Vulkan“ bedacht, zu welchem sich Nord stilecht einen passenden Hut aufsetzt. Nach einer kurzen Alibi-Verabschiedung muss dann zu „Wir sind keine Band“, dem MARTERIA-Cover „Kids (2 Finger an den Kopf)“ und „Es regnet Bier“ noch einmal alles gegeben werden, bevor wie immer traditionell „Leck mich!“ das Set beendet.

Und gerade Songs wie „Leck mich!“ oder „Eva“ sind auch gleichzeitig Anlass für die einzige musikalische Kritik, die an diesem sonst sehr gelungenen Konzertabend geäußert werden muss. HÄMATOM haben zwar einiges an Alben veröffentlicht, ja das stimmt, und die neueren Werke möchten natürlich bedacht werden, aber ein paar mehr Klassiker von „Stay kränk“ oder auch „Keinzeitmensch“ dürfen es schon sein.

Heute Abend wäre, gerade angesichts der „FCK PTN“-Gitarre von Ost, ein Song wie „Schau sie spielen Krieg“ interessant gewesen. Wo sind Evergreens wie „Sturm“, „Säulen des Wahnsinns“ oder „Leichen pflastern unseren Weg“? Naja, nichtsdestotrotz wird es sicher wie das Amen in der Kirche sein, dass HÄMATOM auch 2024 das Aladin erneut zerlegen werden, wie sie es heute getan haben. Und diese Treue der Hansestadt gegenüber muss ihnen hoch angerechnet werden, wenn man bedenkt bei wie vielen Bands und Promotern Bremen zugunsten von Hamburg oder Hannover als Livestandort hintenüber fällt.

08.04.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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