All The Cold - One Years Of Cold

Review

ALL THE COLD kommen aus Murmansk. Murmansk, das liegt in Russland, genauer gesagt im äußersten Nordwesten am arktischen Ozean, just an der Grenze zu Norwegen. Dort ist es kalt, Westler würden arschkalt sagen. Mit 14 Grad unter Null im Winter darf man dort schon die Flossenwärmer rausholen und im Juli wie August sind die Temperaturen im höheren einstelligen Bereich auch nicht gerade sommerlich. Gut, es ist nicht die Sacha aber man muss ja auch nicht in Jakutsk wohnen, um über Eiseskälte zu singen…

Genau das tut das Duo Winter und Nordsjel, ganz programmatisch gemäß Bandnamen, auf „One Year Of Cold“, einer Zusammenstellung ausgewählter Werke ihres bisherigen Schaffens aus drei Jahren Existenz. Und weil’s sich in der Schwärze am besten fröstelt, fiel die Wahl der Ausdrucksform auf Black Metal. Nicht ganz so schnell natürlich, schließlich will man beim Gitarrenanschlag ja keinen Bruch gefrosteter Gliedmaßen riskieren. Depressive Black oder, weniger euphemistisch ausgedrückt, Suicide Black Metal bannten die zwei Herren bislang auf zwei Demos und fünf Splits, jene Abart also, die seit einiger Zeit in irrer Veröffentlichungsfrequenz einschlägige 1-Click-Hoster-Blogs sprengt und für die der Grundstein doch schon vor so vielen Jahren etwa mit BURZUMs „Aske“ gelegt wurde. Selbstredend reichen ALL THE COLD da nicht heran. In einem Genre, das landläufig seltener als selten die festgefrorenen Ketten stereotyper Merkmale dumpfer Drums mit entrückt rauschenden Gitarren und gottverlassen dahinsiechenden Melodien im Monotonie-Modus sprengt, versammeln die zwei trauernden Frostbeulen neun Songs, die im Gros dem Stigma suizidalen Schwarzmetalls entkommen und in der leichter verdaulichen Sub-Spielart des Ambient Black unterkommen wollen. Das funktioniert im perlenden „Kingdom Of Snows“ recht angenehm fröstelnd gut, im sechzehnminütigen Sphären-Monument „New Day Without Me“ noch besser und im elegischen „Nurman (Hymn Of Cold Northern Town)“ mit Eingängigkeitsgarantie schmilzt‘s dem Schneeman vor Sehnsucht fast die Knolle aus dem Gesicht. Das funktioniert überhaupt nicht mit Blockflötenkinder-in-der-Fußgängerzone-dudeln-Märchenmelodien-Ästhetik in „Coldly To Heart“ und noch weniger mit den Vocals in „Through The Dead World“, die nicht mehr als ein bis zur Unkenntlichkeit eines Volksempfängers verzerrtes Hervorsprudeln von Lauten imitieren.

Jene sind ein gutes Beispiel, wo sich ALL THE COLD ziemlich kalt erwischen lassen: wie richtiges Leiden und Seelenqual, nicht nur in den Vocals, zu vermitteln ist, haben FORGOTTEN WOODS schon 1994 auf „As The Wolves Gather“ und jüngst etwa LIFELOVER kund getan. Die glaubhafte Vermittlung der Authentizität gefrorenen Blutes in den Adern geht ALL THE COLD ziemlich ab. Aber damit befinden sie sich mit tausenden anderen in bester Gesellschaft.

07.10.2010

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