Kontrust - Second Hand Wonderland

Review

Skurrilitäten ist man in Österreich bekanntermaßen nicht abgeneigt. Dass KONTRUST, diese Ansammlung offenbar feierwütiger Energiebolzen aus unserem geschätzten Nachbarland kommen, erscheint da beinahe schon logisch. Der Kleidungsstil lässt das furiose Sextett dann auch schonmal auf der Bühne als Überbleibsel des Musikantenstadls durchgehen – Trachten und Dirndl lassen nicht unbedingt darauf schließen, dass die Band sämtliche Klischees aus der Populärmusik in einen Topf wirft. Genau das tut sie aber und wird somit in höchstem Maße die Gemüter spalten, und von kulthafter Verehrung und hasserfüllter Verachtung wird sie sich mit sämtlichen Reaktionen konfrontiert sehen.

Derjenige, der die Musik von KONTRUST nicht zu ernst nimmt und sie als das betrachtet was sie ist, nämlich eine partytaugliche Spaßveranstaltung mit durchschlagendem Gute-Laune-Faktor, der wird sich womöglich mit diesem kruden Mix anfreunden können. Bei aller Abgefahrenheit und egal, wie schwindelerrgend die gebotene Achterbahnfahrt teilweise auch wird, ist bei den Songs ihres zweiten Albums „Second Hand Wonderland“ jedoch auch stets ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit vorhanden. Denn die Melodien und Hooklines, die die Band auf dieser Ausgeburt des Wahnsinns aufbietet, sind zum großen Teil wirklich gelungen und mitreißend, und bei aller Abneigungs-Garantie, die die Scheibe für die True-Fraktion vom ersten Ton an ausstrahlt, ist die Musik von KONTRUST im Grunde genommen lediglich eine Art Alpen-Version von SYSTEM OF A DOWN oder viel mehr noch den Finnen WALTARI. Natürlich mag es eher bekloppt als intellektuell anmuten, wenn wie beim Opener „Sock ’n‘ Doll“ nach einem kurzen Jodel-Intro plötzlich Industrial-Gitarren über den Hörer hereinbrechen, bevor es nach einer Euro-Dance-mäßigen Bridge plötzlich mit einer Art metallischem Elektro-Refrain weitergeht. Spätestens wenn dann im Mittelteil noch der Reggae-Groove durch die Boxen donnert, und am Ende alles wieder in sich zusammenbricht, wähnt man sich zunächst im falschen Film und ist direkt geneigt lauthals „undurchsichtiger Trendmist!“ zu rufen. Wer genauer hinhört, entdeckt jedoch im weiteren Verlauf von „Secondhand Wonderland“ auch Innovation und eine unfassbare Spielfreude. Das geht allerdings, das gebe ich gerne zu, nur vollkommen ohne Scheuklappen.

Letzten Endes wird ein großer Teil unserer Leserschaft weiterhin entsetzt aufschreien, wenn zum Beispiel bei dem wahlweise mächtig spaßigen oder total schwachsinnigen  „Hey DJ!“ Dinge gemischt werden, die im Grunde nichts miteinander zu tun haben, die andere Hälfte findet das aber womöglich alles sogar ganz cool und freut sich über ein bisschen Blödsinn mit Anspruch. Ich kann nicht genau sagen, wo man die Grenze zieht, und eine wirklich nachvollziehbare Erklärung dafür, warum bei KONTRUST viele Dinge funktionieren, an denen andere Bands regelmäßig scheitern, habe ich auch nicht. Der Euro-Dance-Anteil ist eigentlich eher auf ein paar trancige Keyboards beschränkt, da der Gesang von Sängerin Agata gar nicht viel anders ist, als der Stil von Amy Lee (EVANESCENCE) oder Cristina Skabbia (LACUNA COIL). Ihr männlicher Gegenpart Stefan erlaubt sich Ausflüge in alle möglichen Stilrichtungen, und auch die Band selbst hat kein Problem damit, in zahlreichen Gewässern zu fischen. Letzten Endes läuft aber alles auf eine experimentelle Form von groovigem Industrial/Nu-Metal heraus, der im Gegensatz zu seinen düsteren Vorreitern die Freude am Leben heraufbeschwört. So etwas darf und so etwas muss es geben, und egal, wie man letzten Endes zu KONTRUST steht, ob man vor Freude jubelt oder vor Entsetzen Verrat wittert, die Band wird mit beiden Seiten bestens leben können.

Müsste man als eisenharter Rockfan (der ich auch bin) eigentlich verachtenswert finden und gnadenlos verreißen. Will aber irgendwie nicht so Recht gelingen. Oder wie seht ihr das?

 

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01.05.2012

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2 Kommentare zu Kontrust - Second Hand Wonderland

  1. Hans-Hubert sagt:

    Hab das Teil auch zum Besprechen bekommen und bin ziemlich angetan. Die Band hat hörbar Spaß an dem, was sie da tut, und das steckt an. Dass die Musik manchen Miesepetern zu positiv und meinetwegen auch albern ist, schert mich da wenig.

  2. Hans-Hubert sagt:

    Nach ein paar Wochen hat sich das Ding zum Dauergast in meinem Player gemausert. Mindestens genau so gut: „Time To Tango“, das 2009er Vorgängeralbum, das es einmal in englischer Version gibt, obendrein als „Czas Na Tango“, in dem Agata ihre Texte teils in polnisch vorträgt…

    Wie auch immer: Verflucht starke Melodien haben die auf dem Kasten.