1Mit Poltergeist veröffentlicht MARATHONMANN ein Album, das die Band auf einem neuen kreativen Höhepunkt zeigt. Die Münchener vereinen poetische Texte, dichte Arrangements und eine klare emotionale Linie zu einem Werk, das sich zwischen Melancholie, Aufbruch und stiller Wut bewegt. Musikalisch wirkt die Platte gereift, textlich ausgefeilt – und sie schafft es, Dunkelheit in Schönheit zu verwandeln.
MARATHONMANN: Zwischen Melancholie, Aufbruch und kontrollierter Wut
Schon das eröffnende Intro zieht mit seinem gesprochenen Einstieg tief hinein in die Atmosphäre des Albums. Dunkelheit, Dramatik und Unausweichlichkeit liegen in der Luft – Poltergeist will erlebt werden, nicht nur gehört.
Mit „Memento“ folgt ein Song, der sofort durch seine räumliche Tiefe und Dynamik auffällt. Die Gitarren-Einspielungen aus dem linken und rechten Kanal schaffen Bewegung und Spannung, ohne zu überladen. Jedes Instrument bekommt den Raum, den es braucht – das Ergebnis ist ein ausgewogener, fast cineastischer Klang.
„Poltergeist“ – Vielschichtige Gitarren und kontrollierte Emotion
Der Song „Frequenzen“ eröffnet zunächst ruhig und fast poppig, steigert sich dann aber konsequent. Die unterschiedlichen Gitarrenspielarten – von gezupften Arpeggien über offene Flächen bis hin zu akzentuierten Single-Notes – erzeugen ein komplexes Geflecht aus Klangfarben. Die Wut, die sich im Song aufbaut, bleibt kontrolliert, aber spürbar. Am Ende verleihen elektronische Elemente dem Stück eine feine atmosphärische Nuance.
Der Titeltrack „Poltergeist“ bündelt schließlich die musikalische Handschrift des Albums: vielschichtige Gitarren, schwebende Texturen, offene Akkorde. Zwischen Shoegaze-Anklängen und druckvollem Alternative-Rock entsteht ein Song, der gleichermaßen nach innen wie nach außen wirkt. Etwas mehr Druck im Instrumentalteil hätte den Song noch tiefer verankern können – aber auch so bleibt er einer der zentralen Höhepunkte.
MARATHONMANN im Bann von emotionaler Klarheit und rhythmische Stärke
Mit „…es kann ja nicht immer regnen“ liefern MARATHONMANN einen Song, der alles vereint, was die Band ausmacht: klare Struktur, treibender Rhythmus und textliche Präzision. Der Wechsel zwischen Zurückhaltung und Dringlichkeit in der Stimme wirkt organisch und ehrlich – ein Song, der unmittelbar berührt.
„Deflektorschild“ überzeugt mit einem markanten Gitarrenmotiv, das wie ein tickender Puls durch den Song läuft. Es entsteht ein spannendes Wechselspiel aus Druck und Zurückhaltung, das sich im Verlauf perfekt einpendelt. Der Track „Phenomena“ ist einer der emotionalsten Momente des Albums. Die gesprochenen Zeilen im Song sorgen für Gänsehaut, während das abrupte, unvollständige Ende die Grundthematik des Albums spiegelt: Manche Geschichten bleiben offen, manche Enden sind unausgesprochen.
In „Stendahl Syndrom“ und „Vertigo“ wird es härter. Erstere transportiert Hoffnungslosigkeit und innere Erschöpfung mit einer fast bedrohlichen Konsequenz, während Vertigo harmonisch nahezu perfekt ausbalanciert ist. Besonders die gedämpften Vocals bei „upside down“ verleihen dem Song eine verstörende, zugleich faszinierende Note.
„The Darkness“ spielt mit Gegensätzen – Licht und Schatten, Nähe und Distanz. Der Song wirkt wie ein leiser innerer Bruch, fast wie ein Befreiungsschlag. „Nie wieder Licht“ beschließt das Album schließlich mit Schwere und Nachhall. Die phlegmatische Strophe kippt in einen intensiven Refrain, während das hörbare Ausschalten des Lichts am Ende ein subtiles, augenzwinkerndes Detail setzt – ein passender Schlussstrich unter ein vielschichtiges Werk.
Fazit: Ein reifes, poetisches Album mit Raum für noch mehr Mut
Poltergeist ist ein Album, das Tiefe atmet. MARATHONMANN zeigen, wie sehr sie sich musikalisch und textlich weiterentwickelt haben – von fein geschichteten Gitarrenarrangements über atmosphärische Layer bis hin zu einer beeindruckenden lyrischen Dichte.
Gleichzeitig bleibt spürbar, dass unter der kontrollierten Oberfläche noch mehr Energie lauert. An manchen Stellen hätte man sich gewünscht, dass die Band diese Wut und Intensität ganz freigibt. Doch vielleicht ist genau diese Zurückhaltung das, was die Platte Poltergeist so eindrucksvoll macht: ein Album, das nie überdramatisiert, sondern die Emotionen präzise lenkt. Und am Ende ist es genau das, was einen Poltergeist ausmacht – er bleibt unter der Oberfläche, er bleibt im Halbdunkeln zurück, nie ganz sichtbar – nie ganz fassbar. Chapeau – liebe Marathonmänner!

Marathonmann - Poltergeist [Vinyl LP]
Diana Heinbucher

















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