Motörhead - Iron Fist (40th Anniversary Edition)

Review

Fallen wir doch direkt einmal mit der Tür ins Haus. „Iron Fist“ ist weder das beste noch das beliebteste Album im Katalog von MOTÖRHEAD. Dennoch hat das Album sowohl aus musikalischen als auch bandgeschichtlichen Gründen einen zweiten Blick verdient. Was bietet sich da mehr an, als eine schicke Neuveröffentlichung nebst frischem Mastering?

„Iron Fist“ – das transitorische Album

„Iron Fist“ markiert den Übergang der ersten sehr erfolgreichen Bandperiode von MOTÖRHEAD und erschien 1982 als fünftes Album nach dem mächtigen Triptychon „Overkill“, „Bomber“ und „Ace Of Spades„. Nach guten Albumverkäufen und ebenso gut besuchten Touren war die Erwartungshaltung hoch. Aus heutiger Sicht geradezu komisch wirkt in diesem Zusammenhang, dass am Ende nach einigen Querelen mit dem gebuchten Produzenten und der Plattenfirma, Lemmy Eddie Clarke überredete, die Produktion von „Iron Fist“ zu übernehmen.

Diese, für eine professionelle Band interessante, Entscheidung, kann der Hörer „Iron Fist“ auch heute noch leicht auf den Grund gehen. Die Platte klingt recht dünn, mit sehr präsenten Gitarren und erinnert mehr an die späten Siebziger und nicht den drückenden Sound, der diese Band so berühmt gemacht hat. Daran kann selbstverständlich auch das neue Mastering der Neuauflage wenig ändern, auch wenn das frische Gewand der Platte gut tut. Denn ein Mastering regelt ja nur das Verhältnis der vorhandenen Spuren untereinander und kann an der Grundsubstanz wenig ändern.

Was bleibt vom hässlichen Entlein? Nein, ein Schwan ist es nicht (unbedingt). Aber es sind MOTÖRHEAD, verdammte Scheiße!

Zunächst einmal hängt jedem MOTÖRHEAD-Jünger natürlich der Titeltrack, welcher bezeichnenderweise auf dem Album direkt als erster Track verfeuert wird, in den Ohren. Tatsächlich kommt dieses Stück mühelos in die Top 10 der am häufigsten live gespielten Songs von MOTÖRHEAD. Und weiter? Ja, so richtig dünn wird es jetzt sicherlich noch nicht, denn das Album hat mit „Heart Of Stone“, „Go To Hell“ oder „Loser“ insbesondere in der ersten Albumhälfte durchaus etwas zu bieten. Sicherlich reichen diese Stücke nicht an das höchste Regal und damit die musikalischen Möglichkeiten dieses Lineups heran, sind aber immer noch gehobener MOTÖRHEAD-Durchschnitt, stecken also 90% der Musikbranche locker in die Tasche.

Schicke Sache – die Neuauflage von „Iron Fist“ ist sehr hochwertig.

Sofern der etwas schiefe Vergleich zum nachfolgenden MOTÖRHEAD-Album „Another Perfect Day“, welches nur ein Jahr nach „Iron Fist“ erschien, an dieser Stelle erlaubt ist, wird diese Simplizität des straighten Rock-Albums „Iron Fist“ besonders augenscheinlich. Beide Alben sind wichtig für das Verständnis der Geschichte von MOTÖRHEAD und markieren verschiedene Phasen. „Iron Fist“ ist ein großer Abschied. Denn es ist das letzte Album im klassischen MOTÖRHEAD-Lineup mit Lemmy, „Fast“ Eddie Clark und Philthy Animal, ein radikaler Schlusspunkt. Alle drei Musiker sind mittlerweile verstorben, unglaublich. Doch während „Another Perfect Day“ aufgrund der ausgefeilten Gitarrenspuren heute als Geheimtipp gilt, wird „Iron Fist“ zumeist verschmäht. Was wiederum ein bisschen unfair, aber im Kontext des zuvor Gesagten leicht verständlich, ist.

„Iron Fist“ entdecken – wann, wenn nicht jetzt…

Denn die Neuauflage ist wirklich gut geworden. Extrem umfassende Liner Notes, haufenweise Demoaufnahmen des Albums als Bonustracks, ein Live-Mitschnitt als Bonus-CD und das erwähnte neue Mastering hauchen diesem etwas zu Recht und etwas zu Unrecht gemiedenem Album ein wenig neues Leben ein.

30.10.2022

Stellv. Chefredakteur

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