Phlebotomized - Immense Intense Suspense / Skycontact

Review

Junge, Junge, derzeit brechen die Gräber ja gefühlt im Minutentakt auf: Nach 16 Jahren unter der Erde gehören auch die Niederländer PHLEBOTOMIZED – wie so viele andere Death-Metal-Kapellen, die sich die scheinbar ewige Ruhe gönnten – wieder zu den Lebenden. Im Windschatten dessen erhofft man sich bei Hammerheart Records, mit der Neuauflage der bisherigen beiden Alben „Immense Intense Suspense“ und „Skycontact“ ein paar Neu-Gulden in die Kasse spülen zu können. Immerhin sind beide Platten seit etlichen Jahren vergriffen beziehungsweise nur noch zum stolzen Preis von 40 Euro oder mehr zweiter Hand zu erwerben, so dass die Wiederveröffentlichung so manchen Suchenden erfreuen dürfte.

Zu Beginn der Death-Metal-Hochphase im Jahre 1990 als wütende Knüppelhorde geboren, erschufen PHLEBOTOMIZED vier Jahre später mit ihrem Debütalbum „Immense Intense Suspense“ ein Kleinod des Death/Doom Metal. In einem Augenblick noch verträumt bis melancholisch, im nächsten dann schon erschreckend aggressiv – Violinenklänge, fast ständig präsente Keyboard-Schwelgereien sowie ein wenig trübseliger Klargesang sind eng verwoben mit inbrünstig vorgetragenen und kräftig böllernden, ja teils noch grindigen Todesblei-Eruptionen. Am ehesten vergleichbar ist das aufgrund besagter latent entrückter Grundstimmung und der energischen, von ultratiefem Gegrunze veredelten Ausbrüche mit „Mystic Places Of Dawn“, der im gleichen Jahr erschienenen, ersten SEPTIC FLESH-Langrille. Gut, man könnte sich hier mit einem Hauch mehr Phantasie auch bei den Schweden PAN.THY.MONIUM oder dem besonders bösen Bruder von THE GATHERINGs „Always…“ wähnen. Wie auch immer, „Immense Intense Suspense“ würde sich bei etwas höherem Bekanntheitsgrad sicherlich in so einigen Death/Doom-Bestenlisten finden, wobei die beiden herausstechend kraftvollen, schon auf dem 1992er-Demo vertretenen „Desecration Of Alleged Christian History“ und „Devoted To God“ den größten Eindruck hinterlassen.

So empfehlenswert das Debüt für jeden Death/Doom-Freund ist, so schwierig macht es der PHLEBOTOMIZED deutlich verändert zeigende 1997er-Nachfolger „Skycontact“ den Traditionalisten. Zwar findet sich bei schweren Gitarren immer noch eine gewisse metallische Härte, aber die einst noch mächtigen Death-Metal-Schwingen sind fast gänzlich verkümmert. Hin und wieder – etwa in der ersten Hälfte des leidlich lustig betitelten „I Lost My Cookies In The Disco“ – geht es zwar noch mal ein wenig zur Sache, dennoch regieren bei mal sanftem, mal eher nöligem und teils verzerrtem Klargesang verwaschen-psychedelische Passagen, umnebelt von Effekten, sowie balladeske Abschnitte. Ja, auf „Skycontact“ trifft der Terminus „Avantgarde“ zu, transgrediert es doch von Doom zu Rock, zu Pop („Achin'“ mit seinem extrem eingängigen Chorus etwa), zu Ambient, zu den letzten Relikten einer tödlichen Vergangenheit und wieder zurück; ist alles und nichts. Die verschiedensten Stile verschmelzen innerhalb der raffinierten Kompositionen fast vollständig; letztlich zählt hier nur die einzigartige Atmosphäre, die nicht greifbar zwischen echter Trostlosigkeit und einer augenzwinkernd-freudigen Verspieltheit umherflattert. Reizvoll sind Lieder wie „StoleShowSoul“ damit allemal – jedoch lediglich für die wahrlich Scheuklappenlosen.

Der „Immense Intense Suspense / Skycontact“-Doppeldecker rekapituliert mit zwei stilistisch ziemlich unterschiedlichen, qualitativ jedoch fast gleichwertigen Werken die interessante Metamorphose PHLEBOTOMIZEDs von einer kantigen Death/Doom- zu einer keine Grenzen scheuenden Rock-Doom-irgendwas-Formation. Schade jedoch, dass Hammerheart Records für die Wiederveröffentlichung ein neues, füchterlich buntes Kitsch-Cover aus den beiden Originalen zusammengebastelt hat, denn zumindest jenes von „Immense Intense Suspense“ hatte mit dem grauen, Peter Jacksons Gollum-Interpretation vorwegnehmenden Koboldverschnitt auf dem Felsen doch ein einprägsames Motiv zu bieten. Auch erschließt sich nicht, warum man mehrfach mehrere Lieder zu einem zusammenfassen musste. Offenbar wollte man sich einfach in möglichst vielen Punkten von den Erstveröffentlichungen abheben.

25.04.2014

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