Behemoth
Shitfvn oder Godshit?

Special

Reine Provokation oder musikalischer Hochgenuss? Das meint die Redaktion zu „The Shit Ov God“.

Einleitung
Review: Hans Völkel
Review: André Gabriel
Review: Jannik Kleemann
Review: Johannes Werner
Review: Oliver Schreyer
Fazit

Einleitung

BEHEMOTH sind für ihre Konfrontation bekannt und es ist offensichtlich, dass diese in der Promomaschinerie der Band gut funktioniert. Bandkopf Nergal scheut weder den Kampf um die künstlerische Freiheit mit dem polnischen Klerus noch mit der Regierung. Das Konzept geht auf und die Band beweist auch live mit durchdachten, spektakulären Inszenierungen, was in ihr steckt.

Mit den letzten Alben nach „The Satanist“ hat sich auf Albumebene allerdings eine gewisse Vorhersehbarkeit eingeschlichen, die die Platten trotz starker musikalischer Leistung in ihrer Abgeklärtheit mittlerweile als Levelhalter nach Überschreiten des musikalischen Zenits erscheinen lassen.

Mit „The Shit Ov God“ gibt es nun wieder einen kontroversen, wenn nicht sogar den kontroversesten Albumtitel der Band überhaupt, der Diskussionen und Ärger vorprogrammiert. Wir haben in der Redaktion unter den Death Metal-affinen Redakteuren neben dem Hauptreview fünf Meinungen zur Scheibe gesammelt, um herauszufinden, wie heiß die Luft um „The Shit Ov God“ ist und ob die plakative Provokation auch musikalischen Boden hat. (OS)

Review: Hans Völkel
Review: André Gabriel
Review: Jannik Kleemann
Review: Johannes Werner
Review: Oliver Schreyer
Fazit

Review: Hans Völkel

Mit ihrem neuesten Streich wollen BEHEMOTH diesmal wohl besonders heftig auf die Kacke hauen. Dabei ist der Albumtitel „The Shit Ov God“ selbst für die selten subtilen Polen ziemlich plump geraten und lädt sogar ein wenig zum Fremdschämen ein. Zumal auch die Lyrics des Openers „Shadow Elite“ eher nach Rebellion auf dem Pausenhof denn nach wirklich subversiven Inhalten klingen. Musikalisch gilt bei BEHEMOTH aber seit jeher die Devise „große Klappe und viel dahinter“, weshalb sich Nergal und Co. durchaus einen gewissen Vertrauensvorschuss verdient haben.

Große Klappe, aber auch viel dahinter?

Hier muss man allerdings nach ein paar Durchläufen feststellen, dass die Klappe diesmal vielleicht wirklich etwas größer als die Inspiration war. Die musikalische Entwicklung von BEHEMOTH seit „The Satanist“ mag in Teilen der Fangemeinde umstritten sein, man kann aber nun wirklich nicht behaupten, dass die Polen in den letzten Jahren auf der Stelle getreten sind. Wo BEHEMOTH ihren Sound zuletzt stets um ein paar Nuancen erweitert und den eigenen musikalischen Rahmen mit Schlenkern in Richtung Gothic, Doom und sogar Hard Rock ausgelotet haben, wirkt „The Shit Ov God“ jedoch überraschend unambitioniert.

Was keineswegs heißen soll, dass das neue Songsmaterial per se schlecht wäre, nur ist von der Experimentierfreude der jüngeren Bandgeschichte eher wenig zu spüren. Insgesamt weichen BEHEMOTH viel zu selten von ihrer erprobten Formel aus dem Wechsel zwischen hymnischem Midtempo und aggressiven Blastattacken, voller Pathos rausgebrüllten Refrains und jeder Menge Bombast ab. Stücke wie der Titeltrack oder „Shadow Elite“ wirken wie fürs Festivalpublikum konzipiert. Nur selten gibt es mal stilistische Ausreißer wie z. B. in Form gefühlvoller Heavy-Metal-Leads bei „Lvciferaeon“ oder einem satten Thrash-Part bei „Nomen Barbarvm“.

Kein Mist, aber auch nicht der heiße Scheiß

Mist verzapfen BEHEMOTH hier natürlich trotzdem nicht, dafür sind die Satansbraten viel zu routiniert. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer, denn „The Shit Ov God“ klingt über weite Strecken einfach zu sehr wie Dienst nach Vorschrift. Es fehlen die Aha-Momente, die man von einem neuen BEHEMOTH-Album inzwischen erwartet und gemessen an den bockstarken Vorgängern darf man hier schon von einer dezenten Enttäuschung sprechen. Davon können auch noch so plakative Provokationen nicht ablenken.

7/10

Einleitung
Review: André Gabriel
Review: Jannik Kleemann
Review: Johannes Werner
Review: Oliver Schreyer
Fazit

Review: André Gabriel

Ja, BEHEMOTH-Alben sind überproduziert. Ja, es schreit an allen Ecken und Enden nach Ausverkauf. Ja, die Shows sind durchchoreografiert – und wenn sie ihr ältestes Lied live spielen, klingt es aufgrund der monströsen Produktion echt shitty. Nein, BEHEMOTH sind noch nicht am Ende – zumindest für die Fans. Allerdings haben sie ihren Schaffenszenit mit „The Satanist“ erreicht. Schwer vorstellbar, dass noch ein Album kommen wird, das es mit dem Opus magnum aufnehmen kann.

Doch wem es gelingt, zwischen all dem Shit ov Musikbusiness genau hinzuhören, findet auch in „The Shit Ov God“ (der Albumtitel ist kacke und reines Marketing) genug starke Ideen – vor allem verglichen mit dem oft sterbenslangweiligen Vorgänger. Weil Nergal neben Social Media auch im Songwriting sehr gut ist. Trotzdem wirkt das Neuwerk insgesamt uninspirierter. Das spiegelt auch die magere 37-minütige Spieldauer wider.

Ja, BEHEMOTH haben aus extremem Metal ein lukratives Geschäft gemacht. Kann man es ihnen verübeln? Wir träumen doch alle davon, gut von unserer Leidenschaft leben zu können, oder? Und die ist Nergal mitnichten abzusprechen. Daher erwarten wir auch zukünftig keinen kreativen Darmverschluss, aber vor allem Songs, die die eingeschworene Community abholen. Und haben wir nicht alle so einen im engen oder erweiterten Kreis? Freuen wir uns doch mit ihnen, dass die Maschine weiterläuft, statt auf so hohem Niveau herumzunergaln, äh, herumzunörgeln.

6/10

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Review: Hans Völkel
Review: Jannik Kleemann
Review: Johannes Werner
Review: Oliver Schreyer
Fazit

Review: Jannik Kleemann

BEHEMOTH – The Shit Ov God

Ganz ehrlich? Der Albumtitel war berechnend und ist eine Hype- und Gelddruckmaschine. Denn alleine durch den Namen streamen viele Leute den Titelsong vermutlich selbst, wenn sie keine großen BEHEMOTH-Fans sind. Natürlich provoziert man so auch einen Shitstorm (hihi!), aber BEHEMOTH konnten trotz oberflächlich plump anmutender Provokation in der Vergangenheit überzeugen. Ein Songtitel wie „Christians To The Lions“ von 2000 ist schließlich auch keine Poesie.

Lustigerweise ist der Titeltrack abseits von Nergals geröhrtem „I am the shit ov god“ einer der unauffälligsten Songs der Platte: Ein Mid-Tempo-Dark-Metal-Track, wie es sie von BEHEMOTH schon oft und besser gab. Angenehmer fallen die beiden Vorgänger auf, da sie dort das Gaspedal deutlich mehr durchtreten. Mir fehlte auf „Opvs Contra Natvram“ die rohe Aggression, die „I Loved You At Your Darkest“ mit Songs wie „God = Dog“ oder „Wolves Ov Siberia“ mitbrachte.

Die Songs gehen wieder leichter ins Ohr und verbleiben dort auch länger, aber insgesamt ist es ein typisches BEHEMOTH-Album. Der Titel hat mit Sicherheit die bestimmte Wirkung und bringt Nergal mit ein bisschen Pech in Polen die nächste Klage wegen Gotteslästerung ein, aber wer alle modernen Scheiben der Band mochte, stellt sich mit dem Album keine wortwörtliche Kacke ins Regal.

8/10

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Review: Hans Völkel
Review: André Gabriel
Review: Johannes Werner
Review: Oliver Schreyer
Fazit

Review: Johannes Werner

Anno 2025 kann man sich getrost fragen, ob Nergal BEHEMOTH eigentlich noch als Band oder als Lifestyleprodukt sieht. Darauf deuten zumindest seine inzwischen zum Meme gewordene Instagram-Sucht als auch das absurde Aufgebot an verschiedenen Artikeln im hauseigenen Webshop hin. Umso mehr muss sich ein wegweisender Musiker wie Nergal an seinen Songs messen lassen.

Nach dem erschreckend flach-routinierten „Opvs Contra Natvram” löst das furchtbar albern betitelte „The Shit Ov God” noch vor dem ersten Hören Grund zur Skepsis. Gehen dem intelligentesten Blasphemiker der 2000er-Jahre nun die rhetorischen Figuren aus? Aber gut, wir befassen uns hier ja mit Musik – du auch, Nergal?

Zu viel Routine für das 13. Studioalbum?

Objektiv kann man an „The Shit Ov God” nicht viel mäkeln. Im „Demigod”-/„Evangelion”-Stil gehalten, ist das neue Album ähnlich wie sein Vorgänger ein absolut typisches BEHEMOTH-Album. Routiniert und latent leidenschaftslos klingt „The Shit Ov God” ebenfalls, doch im Vergleich zu „Opvs …” immerhin deutlich griffiger. „Sowing Salt”, „Lvciferaeon” oder „To Drown The Svn In Wine” sind ohne Frage anständige Songs. Aber reicht das für das 13. Studioalbum der Polen? Mir persönlich nicht, wenn man bedenkt, wie oft die Band es schon geschafft hat, sich neu zu definieren.

„The Shit Ov God” ist ein gefälliges, wirklich gut gemachtes Album, das allerdings überhaupt keine Überraschungsmomente bietet. Dass das kommerziell gesehen funktionieren kann, beweisen Bands wie AMON AMARTH oder KATAKLYSM bereits seit gefühlten Ewigkeiten. Künstlerisch wird das dem Vermächtnis von BEHEMOTH allerdings nicht gerecht.

7/10

Einleitung
Review: Hans Völkel
Review: André Gabriel
Review: Jannik Kleemann
Review: Oliver Schreyer
Fazit

Review: Oliver Schreyer

Die Polen haben sich in ihrer über 30-jährigen Karriere zu einem wahren Behemoth der Death Metal-Szene entwickelt und füllen mit ihren Tourneen mittlerweile riesige Hallen. Das Phänomen Antichrist ist zwar bei weitem nicht so groß wie z.B. einer Band wie SLAYER, aber bei aller Extreme schon beachtlich.

Nach den ersten Black Metal-Veröffentlichungen legten BEHEMOTH mit „Demogod“, „The Apostasy“, „Evangelion“ und zuletzt „The Satanist“ vier unglaublich intensive Alben nach, die die Qualitäten der Band endgültig festigten, aber mit dem letztgenannten Album einfach perfektionistisch am Limit musizierten. Den nachfolgenden Veröffentlichungen fehlt es an Innovation, Pfiff und auch am Mut, sich selbst neu zu erfinden.

„The Shit Ov God“ steht diesen Veröffentlichungen bis auf den dämlichen Plattentitel in nichts nach: Das Album ist gut gespielter und gut produzierter Proto-Death-Metal, wie man ihn von der Band erwartet, und jeder Song reiht sich nahtlos in das Live-Inferno von BEHEMOTH ein. Die Tatsache, dass man mittlerweile vermehrt auf reminiszierende Refrains und betonte Textpassagen setzt, um den Wiedererkennungswert zu erhöhen, anstatt musikalisch für Überraschungen zu sorgen, darf durchaus als Rückschritt gewertet werden.

Mit „The Shadow Elite“ startet das Album gut, aber unspektakulär, der tragende Track wird von mehrstimmigen Vocals unterlegt und bietet einige coole Leads. Das folgende „Sowing Salt“ lebt von seinen Ausbrüchen und wechselt ständig das Tempo. Der Titeltrack des Albums „The Shit Ov God“ ist auf ein extremes Mainstream-Publikum zugeschnitten: Refrain zum Mitsingen, ein Text, der in seiner plumpen Art an seiner Ernsthaftigkeit zweifeln lässt. Musikalisch greift man die Epik der großen Midtempo-Songs auf, macht aber mit dem flachen Rundumschlag viel von der Erhabenheit kaputt. Das Album hält durchgehend das Niveau und hat durchaus seine Momente, verliert aber viel durch platte Phrasendrescherei und lässt die Wut der 2000er vermissen.

„The Shit Ov God“ ist ein solides Album, das einen guten Eindruck hinterlässt. Mehr aber auch nicht. Musikalisch agiert die Band auf höchstem Niveau, macht die letzten Albumveröffentlichungen aber leider nur zu einer notwendigen Pflichtveranstaltung, um mit 2-3 neuen Songs wieder auf Tour zu gehen.

7/10

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Review: Johannes Werner
Fazit

Fazit:

Die beteiligten Autoren zeichnen ein insgesamt positives Bild des Albums, kritisieren aber bei aller musikalischen Professionalität die Kommerzialisierung, die eindeutig auf Kosten der Individualität einhergeht. Im Kontext der Death-Metal-Szene, die mittlerweile viele Wege der Monetarisierung gefunden hat, bleibt hervorzuheben, dass BEHEMOTH durch plakative Kontroversen immer wieder für die von ihnen geforderte Medienpräsenz sorgen. Das musikalische Konstrukt scheint mittlerweile eine untergeordnete Rolle zu spielen, ist aber insgesamt immer noch gut genug, um grundsätzlich zu überzeugen, was auch der Soundcheck in diesem Monat bestätigt.

Im Durchschnitt aller Reviews liegen wir bei einer klaren 7/10 mit einem Ausreißer nach oben und einem nach unten, was „The Shit Ov God“ bei aller Kritik aber nicht die Daseinsberechtigung abspricht. (OS)

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09.05.2025
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