Grave Digger
"The Living Dead" Listening Session

Special

Erst letztes Jahr kamen GRAVE DIGGER mit ihrer hoch bewerteten Scheibe „Healed By Metal“ um die Ecke. Dieses Jahr legen sie dann schon mit „The Living Dead“ nach. So schnell ging es selbst bei GRAVE DIGGER bisher nicht. Ihr Output über die letzten 30+ Jahre war aber schon immer regelmäßig und vor allem solide.

Um die Wasser schon mal ein wenig zu testen und die Promomaschinerie am Flutschen zu halten, macht man vorab ja gerne mal eine Listening Session. So luden auch GRAVE DIGGER einige ausgewählte Pressepartner ins Napalm Records Office nach Berlin ein, um einen exklusiven ersten Eindruck von „The Living Dead“ zu geben.

Gerade Napalm Records lassen sich aktuell gerne besondere Dinge für ihre Listening Sessions einfallen. So ging es neulich bei POWERWOLF überraschend in eine Kirche, deren episches Setting das kommende Album „The Sacrament Of Sin“ natürlich noch mal extra in Szene setzte. Auch bei GRAVE DIGGER sollte es noch eine Überraschung geben, mit der (fast) niemand gerechnet hatte und die allen besonderen Spaß bereiten sollte.

Trotz (oder wegen) WM zu GRAVE DIGGER

Es ist mal wieder Fußball-WM und an diesem Tag spielt auch noch ausgerechnet Deutschland. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner weiß: Die Mannschaft wird gegen Südkorea verlieren. Da aber gerade noch die erste Halbzeit in vollem Gang ist, entkommt man an diesem schwülen Sommernachmittag nur schwerlich dem Fußballwahn. So haben auch sämtliche Bars auf dem Platz vor dem Napalm Office ihre Fernseher nach draußen getragen und das Spiel schallt aus allen Ecken.

Kaum im Office angekommen, dringt auch hier die Geräuschkulisse des Stadions aus dem Konferenzzimmer. Ich bin zwar etwas früh, aber GRAVE DIGGER – vertreten durch Chris Boltendahl und Axel Ritt – sind schon da und schauen natürlich Fußball. Nach und nach trudeln die anderen Pressevertreter und Fanclub-Gewinner ein und man stellt sich vor, sofern man sich noch nicht kennt. So ein wenig wird schon gemunkelt, dass es wohl noch wo anders hingeht, und in der Tat wird kurz darauf angekündigt, dass wir die Location wechseln werden.

Zuerst gibt es aber eine Kostprobe des GRAVE DIGGER-Whiskys „Aureum“. Eine Analyse dessen verkneife ich mir an dieser Stelle, da ich mich mit Whisky so gar nicht auskenne. Dieser Tropfen schmeckt – soweit ich es beurteilen kann – aber wirklich gut.

©Felix Pirk

Dann geht es auch schon los zur mysteriösen nächsten Location. Im Gänsemarsch machen wir uns auf den Weg durch die Berliner Innenstadt. Es fällt auf, dass sich gleich das gesamte Napalm-Promoteam mit anschließt, sodass wir es auf eine Gruppe von ca. 20 Personen bringen. Unterwegs kommt dann das große Rätselraten. Geht es auf die Museumsinsel? Oder vielleicht in den Berliner Dom? Beides liegt auf dem Weg, doch wir lassen es hinter uns.

Schließlich taucht vor uns der Berlin Dungeon auf, das Pendant zum London Dungeon. Just als wir die Straße überqueren, wird ein GRAVE DIGGER-Banner vor die Tür gestellt, womit sich das Raten erledigt hat. Nachdem wir uns im Vorraum versammelt haben, werden wir von einem – wie sollte es auch anders sein – Totengräber in Empfang genommen. Seine wirklich furchterregende Performance, zu der auch das geräuschvolle Hinterherziehen einer Schaufel gehört, soll nicht das Gruseligste bleiben, das uns auf dieser Tour erwartet.

Überraschend interaktiv

Wir treffen enthauptete Ritter, fliehen auf einem Floß über einen unterirdischen Kanal und gelangen schließlich in die pestverseuchten Straßen des 16. Jahrhunderts. Der Pestdoktor ist leider schon tot, aber seine Assistentin ist da, um uns zu heilen. Bei einer Journalistenkollegin wird überraschend Pest diagnostiziert und sie muss auf den Behandlungsstuhl. Was dann mit ihr geschieht, wirkt aber auch eher ungesund.

Ist man hier vielleicht noch schadenfroh, so lernt man doch schnell, dass es einen selbst auch erwischen kann. Im nächsten Raum, der Folterkammer, wartet die Folterin nur darauf, dass der Verdacht eines Verbrechens auf jemanden fällt. Ein Verbrechen kann zum Beispiel sein, aus Bayern zu stammen oder jemanden von dort zu kennen.

Letzteren Verbrechens werde ich dann schließlich von GRAVE DIGGER-Frontmann Chris beschuldigt. Daraufhin muss ich leider in den Käfig. Einem anderen ergeht es aber noch schlechter. Er muss auf den Folterstuhl und an ihm werden in anschaulicher und erniedrigender Weise die Folterwerkzeuge demonstriert.

©Felix Pirk

Die Rückkehr des GRAVE DIGGER

Im Folgenden werden einige von uns vor Gericht gestellt, wir wandern verwirrt durch ein Spiegelkabinett und erhalten eine weitere, markdurchdringende Ansprache unseres Totengräbers. In einem kalten, dunklen Raum sitzen wir dabei auf Steinsärgen, während unser Führer durch die Unterwelt eine eigens geschriebene Rede über GRAVE DIGGER und den Metal hält. „I am a grave digger, they are grave diggers“, sagt er, bevor er mit einer den höhlenartigen Raum umfassenden Geste verkündet, „this is my garden“.

Bevor wir wieder aus dem Kerker entlassen werden, müssen wir aber noch beim Schlächter von Berlin vorbei. Auf der wahren Geschichte des Serienmörders (und Kannibalen?) Carl Großmann basierend, ist dieser Part für einige der unheimlichste. Eine Polizeirazzia führt uns schließlich auf die Polizeistation, von wo aus wir nach einem Free Fall (den aber leider nur wenige mitmachen) wieder in die Freiheit gelangen.

Draußen angekommen erwartet uns nun der eigentliche Hauptteil des Abends. Dort, wo wir gerade noch in den Dungeon herabgestiegen sind, sind nun Lautsprecher und ein kleines Auditorium aufgebaut. Versorgt mit Getränken nehmen wir unsere Plätze ein, um uns endlich „The Living Dead“ zu Gemüte zu führen. Die Jungs von GRAVE DIGGER lassen das Album für sich sprechen und beobachten neugierig unsere Reaktionen.

Grave Digger – The Living Dead Cover

Los geht es mit „Fear Of The Living Dead“. Diesen Song kann man wohl als Titeltrack bezeichnen. Er stellt auch die erste Single des Albums und hat ein schniekes Lyric Video erhalten. Thrashig zu Beginn, mit einem Refrain, der sich schon ein wenig hymnisch zeigt, ist „Fear Of The Living Dead“ ein guter Einstieg für das Album, denn von diesen Merkmalen wird man noch mehr zu hören bekommen. Das darauffolgende „Blade Of The Immortal“ ist dagegen ein wenig schwächer.

„When Death Passes By“ setzt dagegen auf „auf die Fresse“. Er ist der mit Abstand schnellste Song des Albums und spielt auch was die Härte betrifft ganz oben mit. Das Kontrastprogramm dazu folgt aber sogleich. „Shadow Of The Warrior“ beginnt nämlich überraschend balladesk. Später wird es zwar auch hier wieder thrashig, gerade im Vergleich zu seinem Vorgänger unterstreicht das Stück aber eine sehr weiche Seite von GRAVE DIGGER.

Der hymnischste Song, der sich textliche sehr true und deshalb zugegebenermaßen auch ein wenig kitschig zeigt, ist „The Power Of Metal“. Hier sieht man natürlich schon am Titel, was Sache ist. Das darauffolgende „Hymn Of The Damned“ eröffnet die zweite Hälfte des Albums und stellt sich außerdem als bester Song auf „The Living Dead“ heraus. Schon der Aufbau zu Anfang macht neugierig. Belohnt wird man dann durch einen Abwechslungsreichtum, der eingängige Riffs und ein mitreißendes Solo in den Vordergrund stellt.

GRAVE DIGGER bieten Überraschendes

Jetzt runterzubremsen, wäre fatal. GRAVE DIGGER wissen es aber besser und bringen mit „What War Left Behind“ ein Stück, das ordentlich loshämmert. Im Anschluss folgt die erste Überraschung. „Fist In Your Face“ klingt wie härterer Southern Rock, der einem einen Barfight in einer Raststättenspelunke in der texanischen Wüste vor das innere Auge zaubert. Trotz allem funktioniert der Song sehr gut im Albumkontext.

„Insane Pain“ überrascht zu Beginn mit Keyboardparts, die man so nicht erwartet hätte. Insgesamt ist das Stück eher ganz nett, mit einem etwas repetitiven Refrain, der „Insane Pain“ in „Ace Of Spades“-Manier zum Mantra macht. Sämtliche Köpfe gehen aber schlagartig bei „Zombie Dance“ nach oben. Das ist nämlich ein Polka-Stück. Ja, richtig gelesen. Axel, der in der Ecke steht und die Reaktionen der Journalisten beobachtet, genießt diese sichtlich.

Wie ist „The Living Dead“ denn nun?

Wo die erste Hälfte noch ein wenig vorhersehbar ist, verstecken sich auf der zweiten Hälfte wie gesagt ein paar echte Überraschungen. Ein bisschen verspielter, als man vielleicht erwartet hätte, ist dieses GRAVE DIGGER-Album also allemal. Richtige Thrash-Bretter gibt es aber natürlich auch. Beides dürfte vor allem live Spaß machen, denn da sollten so einige Stücke auf diesem Album sehr gut funktionieren.

Nach der Albumvorführung versammeln wir uns alle bei Snacks und Getränken, um das Gehörte zu verarbeiten und zu diskutieren. Chris und Axel holen schon mal fleißig Feedback ein und stellen sich allen Fragen der Meute. Anschließend lassen wir den Abend noch gemütlich in einer Hinterhofbar ausklingen.

25.07.2018

headbanging herbivore with a camera

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