Capitollium
Interview mit St. Julius

Interview

Wohl mit mehr Glück als Verstand stieß ich vor einiger Zeit auf „Engraved Fear“, das mittlerweile vierte Album der ukrainischen CAPITOLLIUM. Nicht nur die Band, sondern auch ihr zelebrierter Stil „Liturgy Black Metal“ waren mir bislang kein Begriff, und damit dürfte ich nicht alleine stehen. Glücklicherweise stand mir mit dem vielbeschäftigten Bandhäuptling St. Julius ein sehr auskunftsfreudiger Gesprächspartner zur Verfügung. Wer und was steckt hinter CAPITOLLIUM, was hat es mit „Liturgy Black Metal“ auf sich, und wie sieht es in der ukrainischen Metalszene aus? – Hier werdet ihr es erfahren.

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Die meisten unserer Leser werden euch noch nicht kennen, also lasst uns ganz traditionell beginnen, und stellt euch den deutschen Lesern vor. Wer sind CAPITOLLIUM, wo und wie habt ihr euch als Band formiert und was sind die wichtigsten Ereignisse eurer Bandgeschichte?

Danke erstmal für dein Interesse an CAPITOLLIUM und Hail an alle deutschen Fans! Du hast Recht, wir sind außerhalb der ehemaligen UdSSR nicht sehr gut bekannt. Aber in der Ukraine (wo wir herkommen), Russland und Weißrussland haben wir uns mittlerweile einen Namen gemacht. Seit 2000 spielen wir nun Liturgy Black Metal. Es ist eine Art ziemlich düsteren Black Metals mit der Orgel als dominierendes Instrument. Mittlerweile können wir auf vier Alben zurückblicken, die alle auf CD in Russland veröffentlicht wurden. Anfangs und bis 2005 habe ich ganz allein an der Musik gearbeitet, dann aber begonnen, mit anderen Musikern zusammen zu arbeiten. Ende 2005 suchte ich mir dann Musiker, um auch live aufzutreten. 2006 spielten wir zwei Gigs und nahmen auch einiges Material auf. Momentan haben wir die Drumspuren für das kommende 5. Album fertig.
Zum derzeitigen Line-Up gehören: St. Julius (meine Wenigkeit) am Bass und Mikro, Antichrist (Gitarren), Franzen (Keyboards) und Terrorist (Schlagzeug).

„Engraved Fear“ ist, soweit ich informiert bin, euer drittes Album und wurde im August letzten Jahres veröffentlicht (deshalb gilt bei meinem Review auch die Devise: besser spät als nie ;). Von diesem Zeitabstand betrachtet: Was denkt ihr jetzt über das Album? Ist das Resultat so ausgefallen, wie ihr es erwartet habt, oder gibt es Dinge, die ihr mit der Erfahrung von heute anders gemacht hättet? Am wichtigsten erscheinen mir jedoch die Reaktionen auf das Album, wie wurde es von der Szene (sowohl lokal als auch global) empfangen? Gab es außergewöhnliche Reaktionen darauf?

„Engraved Fear“ ist bereits das vierte Album (das erste war „Undivine Antipathy“, das zweite „Symphony Of Possession“ und das dritte „Seraphim’s Lair“). Ich denke, es ist ein sehr wichtiges Album für CAPITOLLIUM, weil wir darauf unseren einzigartigen Sound und Stil gefestigt haben. Die Musik ist noch dunkler und langsamer geworden, aber auch sehr atmosphärisch. Auch die Produktion ist sehr gut ausgefallen. Die Reaktionen von der Presse und Öffentlichkeit waren überwiegend positiv. Unglücklicherweise hatte unser Label damals mit ziemlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, so dass die CD nicht die gewünschte Promotion erhalten hat. Deshalb kennt man CAPITOLLIUM bisher nur in der ex-UdSSR. Mittlerweile haben wir aber einen Vertrag mit einem kanadischen Label unterzeichnet, und werden „Engraved Fear“ 2008 neu auflegen.

In meinem Review habe ich u.a. geschrieben, dass ihr eine Art symphonischen, angeschwärzten Metal spielt, welches Du ja bereits als Liturgy Black Metal bezeichnet hast. Was steckt hinter diesem Konzept? Dieser Terminus war mir bisher nicht geläufig.

Ja, das ist unser ganz eigener Stil. Ich bin mir sicher, dass es keine andere Band gibt, die sich in die gleiche Richtung bewegt. Die Kirchenorgel ist für uns das wichtigste Keyboard-Instrument. Auf „Engraved Fear“ gibt es jede Menge Orgelspuren und Arrangements. Deshalb ist der Sound von CAPITOLLIUM auch so düster und atmosphärisch. CAPITOLLIUM hat eine quasi-katholische Ideologie und alle Songtexte widmen sich den unrühmlichen Zeiten der Inquisition. Wenn du dir die CAPITOLLIUM Fotos anschaust, siehst du mich z.B. als pervertierten Priester in katholischem Gewand. Wir wollen zeigen, was sich wirklich hinter dem Christentum verbirgt.

Ja, die Kirchenorgel… das habe ich bisher noch nie so erlebt. Wo andere Bands ihre Songs mit dutzenden Keyboards und Synth-Gequietsche zukleistern, benutzt ihr „nur“ die Orgel, aber in einer sehr atmosphärischen und kraftvollen Weise. Die Verbindung zwischen dem Kontext des „Kircheninstruments“ und dem Klang selbst verleihen der Musik eine sehr sakrale Note, die in starkem Kontrast zum Schlagzeug und zu den Gitarren steht. Ich kenne jedenfalls keine andere Band, die so klingt wie ihr! Was kannst du uns über das musikalische Konzept von CAPITOLLIUM erzählen, sowohl was Instrumente und Texte betrifft?

Du hast Recht – die Orgel gibt der Musik diesen speziellen Klang, diesen antichristlichen Touch. Ich habe dieses Instrument schon immer geliebt, weil sie den christlichen Schäfchen das Fürchten lehrt! 🙂 Gleichzeitig eröffnet die Orgel dem Musiker eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten, seine Musik zu arrangieren. Spuren können in einem weiten Spektrum kreiert werden; man kann sogar kakophonische Intervalle benutzen und selbst diese klingen dunkel. Die zweite Neuerung bei CAPITOLLIUM (obwohl das natürlich nicht sehr originell ist) ist der weibliche Gesang. Hauptsächlich benutzen wir dafür klassischen Operngesang. Dadurch klingen CAPITOLLIUM um einiges kälter aber auch professioneller.

Der Grund, warum ich die Musik als „angeschwärzt“ bezeichnet habe, liegt darin, dass es sich nicht um 100-prozentigen Black Metal handelt. In vielen Songs gibt es eine Menge anderer Elemente, z.B. aus dem Power Metal, wie in „Subdued Pride“). Viele der Songs siedeln sich im Midtempo-Bereich an, sind also kein rasendes Black Metal Inferno. Woher bezieht ihr eure Inspirationen, was beeinflusst euch beim komponieren?

Die frühen Werke von CAPITOLLIUM (um genau zu sein: „Undivine Antipathy“) waren noch eher vom Typ des Black Metal Infernos. Ultraschnelles Schlagzeug, aggressive Gitarren und ein roher Sound. Später änderten wir unseren Stil. Ich arbeite in anderen Bands, die roher und dem ursprünglichen Black Metal oder Pagan Metal näher sind, deshalb sind CAPITOLLIUM einfach eine weitere Möglichkeit, meine musikalischen Ideen zu verwirklichen. Uns inspirieren die dunklen Zeiten des Mittelalters und die Gegnerschaft zum Christentum.

Einer meiner Favoriten auf „Engraved Fear“ ist der Song „Monarch Of The Red“ – es ist wie eine Miniatur-Oper mit einem sehr schönen Duett zwischen dem grimmigen Gesang von dir und Orchideas wundervoller Stimme. Warum bekommt man sie auf dem Album nicht öfter zu hören (abgesehen von „Fields of Disrespect“)? Wolltest Du ihren Gesang nur für diesen einen Song, weil er zu den anderen nicht gepasst hätte? Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass er das tun würde…

Weißt du, ich hatte wirklich nicht vor, ihre Stimme für jeden Song zu verwenden, denn: Wenn jedermann einen Diamanten besitzen würde, dann wären sie wertlos. Was ich damit sagen will: Wenn dieses Album zuviel von diesem Gesang hätte, würde es zu weich und wie NIGHTWISH klingen, und das wollte ich nun wirklich nicht. Die Zeiten der Inquisition waren alles andere als glücklich und schön, deshalb kann unsere Musik nicht wie MTV auf Schwarz gestylt klingen.

Bei „Fields of Disrespect“ und dem Bonus Track öffnet ihr weitere Türen, indem ihr elektronische Effekte und Beats benutzt. Wird es davon auf kommenden Alben mehr geben, oder magst du es einfach, mit Musik in jeder möglichen Weise zu experimentieren?

Das war einfach nur ein Experiment. Jetzt haben wir Franzen in der Band, der sehr unterschiedliche Stilrichtungen beherrscht, hauptsächlich aber Electro. Das heißt, dass es auf zukünftigen Alben einen Mix aus Orgelspuren und Electroparts geben wird. Aber es wird trotzdem noch der Stil CAPITOLLIUMs bleiben.

Ich habe das Gefühl, dass die Ukraine immer noch wie ein weißer Fleck auf der Black-Metal-Landkarte sind. Ich bezweifle natürlich nicht, dass es eine starke lokale Szene gibt, aber die meisten Bands werden nur Ukrainern oder Insidern bekannt sein. Zu den populärsten Bands zählen, denke ich mal, SEMARGL, NOKTURNAL MORTUM, DRUDKH und HATE FOREST (wobei gerade die letzteren einen äußerst zweifelhaften Ruf „genießen“). Das ist natürlich eine sehr eingeschränkte Perspektive, gewähre uns deshalb bitte einen kleinen Einblick in die ukrainische Szene. Welche Bands kannst du den deutschen Lesern empfehlen?

Meine anderen Bands, zu denen u.a. DRAGOBRATH und LEADHAZE gehören.

Worin siehst Du den Unterschied zwischen osteuropäischem, westlichem und nordeuropäischen Extrem-Metal?

Die Bands in Zentraleuropa haben die Möglichkeit, ihre Alben in guter Qualität aufzunehmen und können sich teurere Instrumente leisten. In der ehemaligen UdSSR haben wir uns innerhalb der letzten Jahre zumindest gute Instrumente anschaffen könenn, und auch die Studios sind nicht so schlecht, aber im Gegensatz zu Europa bewegt sich das ganze Musikbiz hier in unseren Ländern noch vorwiegend auf Amateurniveau.

Vielleicht lese ich ja einfach nur die falschen Mags, aber kann es nicht auch sein, dass osteuropäische Bands nur sehr spärliche Promotion erhalten? Oder werden sie einfach ignoriert? Ich bin mir sicher, dass nicht nur die Ukraine viel mehr anzubieten hat.

Wie ich schon angedeutet hab, können sich die Labels hier keine Promotion im großen Stil leisten, da die meisten Leute das hier als Hobby betreiben. Es gibt mittelgroße Labels, deren Interesse aber oft nur im Verkauf seiner Produktion im eigenen Land liegt, und nicht an weitreichender PR. Momentan ergeben sich für ukrainische Bands bessere Chancen, wenn sie bei einem ausländischen Label unterschreiben. Wir haben hier echt jede Menge professioneller Musiker und talentierter Bands, aber wir brauchen mehr Zeit, damit unsere eigene Musik- und Metalindustrie wachsen kann.

Darf ich fragen, wie alt du bist? Ich frage, weil ich selbst aus einem Land mit einem kommunistischen/sozialistischen Hintergrund komme (sprich: Ex-DDR), und damals wurde es Bands und Künstlern, die nicht ins politische Schema passten, ziemlich schwer gemacht. Es ist sehr interessant zu beobachten, wie sich nun in solchen Ländern die Bands und Szenen (weiter-)entwickeln. Wie siehst du das? Kannst du aus Erfahrung berichten, oder bist du dafür selbst noch zu jung? (z.B. wie ich, hehe. Anm. d. Verf.).

Ich bin 26 Jahre alt und spiele seit 1998 Black Metal. Seit 1991 existiert hier sowas wie eine Scheindemokratie. Metal kann hier in der Ukraine auf keinerlei Unterstützung hoffen. Das Gute aber ist, dass man hier jede Art von Metal spielen und performen kann – selbst, wenn es sich dabei um NS Kram handelt. Von Gesetzesseite oder Öffentlichkeit gibt es da keine Probleme. (Ob das nun in Bezug auf NS auch so gut ist, wage ich zu bezweifeln. Anm. d. Verf.)

Wo wir gerade bei Geschichte sind, wie sieht es da mit deiner eigenen musikalischen Entwicklung aus? Wann bist du mit dem Metal in Berührung gekommen und welche Bands übten maßgeblichen Einfluß auf dich aus? Hast Du Vorbilder oder Idole?

Ich hab angefangen, Metal zu hören, als ich 16 war. Es war Heavy Metal – IRON MAIDEN, WASP, MANOWAR, KING DIAMOND und so weiter. Sehr schnell jedoch bin ich auf Death Metal umgestiegen (wie die meisten hier auch). Als ich dann aber zum ersten Mal Black Metal gehört habe, war es um mich geschehen, und ich wurde ein Liebhaber dieser Richtung, für immer. Ich höre mir zwar sehr viel unterschiedlichen Kram an, aber Black Metal spielt in meinem Leben die größte Rolle. Ich spiele in fünf verschiedenen Black Metal Bands und habe 10 CD Alben auf neun Labels veröffentlicht.

Auf eurer Website findet man nicht viel zu Liveauftritten. Ist das etwas, was du gern ändern würdest, oder betrachtest du CAPITOLLIUM eher als Studioband? Gibt es vielleicht eine kleine Chance, euch mal auf deutschen Bühnen begrüssen zu können?

Zum momentanen Zeitpunkt ist CAPITOLLIUM ein Studioprojekt. Wir wollen nach der Veröffentlichung des neuen Albums Liveshows spielen, aber bis jetzt ist das alles nur Zukunftsmusik. Mit meiner Band RUINA werde ich, wenn alles gut geht, irgendwann mal nach Deutschland kommen.

„Engraved Fear“ hat nun schon einige Zeit hinter sich gelassen. Seid ihr bereits beim Komponieren von neuem Material? Was können die Fans diesmal erwarten?

Die Drumspuren sind bereits schon eingespielt. Unser Schlagzeuger Terrorist ist ein sehr professioneller Musiker, der es echt drauf hat! Manche Leute bezeichnen ihn auch als Hellhammer der Ukraine 🙂 Unser Sologitarrist Antichrist ist ebenfalls sehr talentiert, was man auf dem neuen Album zu hören bekommen wird. Es wird wieder ein typisches CAPITOLLIUM, Liturgy Black Metal Album werden. Wir hoffen, dass es dann mit der europaweiten Promotion klappt.

„Engraved Fear“ kam über More Hate Productions raus. Bist du zufrieden mit ihrer Arbeit oder hast du schon mal über einen Wechsel zu einem anderen Label nachgedacht? Gab es von anderen Labels bereits Angebote an euch? Mir fallen da grad SEMARGL ein, die ihre Alben über das US-Label Deathgasm Records (wieder-)veröffentlichen, was natürlich auch ein Weg ist, seine Musik der Welt nahe zu bringen. Wie sieht für dich der ideale Weg aus, eure Musik und Botschaft zu verbreiten?

Wir werden auf jeden Fall das Label wechseln, vielleicht gehen wir zu einem kanadischen Label, um das neue Album rauszubringen. Wenn wir mit den Aufnahmen und der ganzen Produktion fertig sind, werden wir uns auf die Suche machen.

Ok, ich glaube, dass reicht nun wirklich für heute. Ich kann unseren Lesern nur empfehlen, unbedingt mal in „Engraved Fear“ reinzuhören. Wir sprechen uns hoffentlich wieder, sobald das neue Werk in Sack und Tüten ist. Hast Du noch irgendwelche letzten Worte an die Leser?

Danke für deine Unterstützung! Hört METAL und spuckt den Christen ins Gesicht!

22.04.2007

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