Gorefest
Gorefest

Interview

Die Reunions nehmen kein Ende. Beinahe wöchentlich erreicht einen die Meldung, dass sich wieder ein paar der alten Helden zusammengefunden haben, um glorreiche Zeiten auferstehen zu lassen. Meist gelingt dies jedoch nur bedingt. Im Falle des niederländischen Death Metal-Flaggschiffes GOREFEST war im Vorfeld bestimmt nicht nur meiner einer skeptisch, inwieweit die Oranjes mit ihrem neuen Werk "La Muerte" wieder an selige "False"- oder "Erase"-Zeiten anknüpfen können. Doch alle Skepsis war fehl am Platze, denn die neue Platte ist ein wahrer Todesmetall-Brecher geworden, der jedoch zu keiner Zeit die "Soul Survivor"- oder "Chapter 13"-Phase verleugnet. Gitarrist und Bandgründer Frank Harthoorn stand Rede und Antwort.

GorefestJungs, da habt ihr aber einen satten Brocken Death Metal vom Stapel gelassen. Das hatte vorher bestimmt niemand in dieser Form erwartet.

Ja, verdammt viele Leute waren sehr überrascht. Jeder hatte „Soul Survivor Part 2“ erwartet.

Nicht nur mir dürfte der Opener „To The Masses“ einen ungläubigen Gesichtsausdruck besorgt haben: „Hölle, das sind Blast Beats!“

Hehe, auf jeden Fall! Aber uns ging es ähnlich, glaub mir!

Standardfrage, aber ich muss sie stellen: Was ist es für ein Gefühl, wieder zurück zu sein?

Unglaublich! Großartig! Wir hatten seit sechs Jahren nichts mehr gemacht. Deswegen ist das alles hier auch ein wenig strange für uns. Wir waren lange weg vom Fenster und auf einmal spielen wir wieder das Dynamo oder in Wacken. Ich hatte das im Vorhinein nie so erwartet. Ehrlich gesagt, hatte ich befürchtet, dass auf den Festivals kaum einer bei uns vor der Bühne steht. Aber die Leute scheinen uns nicht vergessen zu haben.

Jap, scheint so. Aber um vergessen zu werden, wart ihr schon damals zu einflußreich. Man muss nur mal ein paar Reviews in den einschlägigen Magazinen durchforsten. Euer Name wird oft als Referenz genannt.

Das kann ich nicht beurteilen, da ich den letzten Jahren kaum Metalpresse gelesen habe. Ich habe viel getrunken, um zu vergessen, dass wir uns aufgelöst haben. Ich konnte mit diesem Entschluß damals nicht leben. Aber es war wohl wirklich besser so.

Bestimmt. So frisch wie jetzt klangt ihr schon lange vor dem Split nicht mehr.

Das ist wahr. Aber ich habe nie erwartet, dass wir uns jemals wieder zusammenfinden würden. Keiner von uns hielt das wohl für möglich. Jan-Chris (vocals/bass, Anm. d. Verf.) und Boudewijn (guitars, Anm. d. Verf.) am wenigsten. Für sie war die Sache abgeschlossen. Ed (drums) und ich haben immer Witze darüber gemacht, dass wir wieder zusammenkommen.

Was war letztendlich der Auslöser für die Reunion?

Wir waren nach fast sechs Jahren mal wieder alle zusammen in ein und demselben Raum bei Jan-Chris, um geschäftliche Dinge wegen der Re-Releases unseres Backkataloges zu besprechen. Wir haben uns über die alten Tage unterhalten. Nach ein paar Bierchen kam die Idee auf, doch einfach mal just for fun in den Proberaum zu gehen und ein paar alte Songs zu spielen. Es hat sich vom ersten Moment an wieder super angefühlt, als wir mit „The Glorious Dead“ gestartet sind. Ab diesem Zeitpunkt kam eigentlich alles ins Rollen.

Was habt ihr alle in der Zwischenzeit gemacht?

Ich habe neben meinem verstärkten Alkoholgenuß in einer Band namens HOLLOW MEN gespielt, so eine Hüskerdu-Gitarrensache. Ging ein wenig in die Richtung der FOO FIGHTERS. Jan-Chris spielte in einer Electro-Pop-Band namens COLD POP CULTURE. Das hatte absolut nichts mit Metal zu tun. Er hatte trotzdem Spaß.

Dass er nicht viel mit Metal am Hut hatte, sieht man sofort, wenn man seine neue Frisur betrachtet, hehe.

Hehe, wieso werde ich in jedem Interview auf JCs Look angesprochen? Anyway, Boudewijn machte viel mit klassischen Gitarren.

Was habt ihr aus dem Split gelernt?

Wir werden in jedem Falle mehr miteinander reden. Einen Psychologen wie METALLICA werden wir nämlich nicht einstellen, hehe. Sobald es ein Problem gibt, wird es angesprochen und aus der Welt geschafft, damit es nicht Monate lang unter der Oberfläche schwelen kann und somit unserer Freundschaft zu viel Energie entzieht. Technisch haben wir uns natürlich an den Instrumenten auch verbessert, alleine dadurch, dass wir alle in völlig verschiedene Projekte involviert waren.

Gibt es Ziele, die ihr euch jetzt gesteckt habt, die es aber vor sechs Jahren noch gar nicht gab für GOREFEST?

Ich glaube, früher hatten wir mehr Ziele als jetzt. Wir wollen einfach nur noch Spaß haben und lassen die geschäftlichen Dinge andere regeln. Jene haben uns nämlich im Endeffekt auseinandergebracht, denke ich. Wir können uns jetzt ausschließlich auf die Musik konzentrieren. Das war früher nicht so. Weitere, größere Ziele gibt es eigentlich keine, außer natürlich angsteinflößende, harte Musik zu kreieren.

Wie lief das Songwriting? Habt ihr nach dem gleichem Schema wie früher gearbeitet oder gab es Neuerungen?

Nein, die gab es nicht. Unser Songwritingprozess war schon immer sehr organisch. Einer unterbreitete eine Idee, welche dann zusammen im Proberaum ausgearbeitet wurde. Das hat sich nicht verändert. Jeder kam mit Ideen an, Boudewijn, ich, sogar Ed. Das war früher genauso, abgesehen davon, dass wir uns jetzt ein wenig reifer und gesetzter fühlen.

Könnt ihr euch deswegen auch befreit zurücklehnen und sagen: „Hey, wir verspüren keinen Druck mehr!“

Natürlich! Und das ist gut so. Wir haben schließlich schon eine Trennung hinter uns. Deswegen haben wir auch beim Schreiben der neuen Songs keine Anspannung verspürt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nicht mal einen Plattenvertrag in der Tasche. Erst etwa ab der Hälfte des Songwritings wurde uns überhaupt klar, dass unsere Ideen für eine komplette Platte reichen würden. Aber auch da haben wir keinen Druck verspürt. „False“ hatte damals eingeschlagen wie eine Bombe. Deswegen lastete bei „Erase“ ein enormer Druck auf uns. Das kann man hören. Mit Abstand muss ich sagen, dass diese Platte nur halb fertig ist. Einige Songs sind gut, aber der Sound ist Mist und einige Vocalarrangements hätten besser sein können. Aber das kommt nun mal bei raus, wenn man sich von Druck verrückt machen läßt. Deswegen wollten wir es diesmal vermeiden.

War es also ein einfacher und unerwarteter Weg zurück ins Business?

Ja, irgendwie schon fast zu leicht. Man fühlt sich, als würden einem die Sachen einfach hinterhergeschmissen. Vielen wird es bestimmt nicht passen, dass wir ihnen jetzt wieder den Platz auf den großen Bühnen wegnehmen, zumal wir sechs Jahre lang weg vom Fenster waren.

Aber allein der Zuschauerzuspruch in Wacken hat doch gezeigt, dass ihr dort hingehört.

Ja, das war unglaublich und total unerwartet. Als wir auf dem Fields Of Rock in Holland gespielt haben, war unser Gig zeitgleich mit SLAYER angesetzt. Wir haben absolut niemanden vor der Bühne erwartet. Am Ende war es brechend voll.

Also war es die absolut richtige Entscheidung, wieder zurückzukommen?

Auf jeden Fall!

Was hat es mit dem Titel „La Muerte“ auf sich?

Wir hatten mehrere Titel zur Auswahl. Einer war z.B. „Chronicles Of Chaos“. Leider waren die coolsten Titel schon von anderen Bands benutzt worden. JC kam irgendwann mit „La Muerte“ und jedem gefiel es.

Aber ist es nicht ein Widerspruch, das Comebackalbum „La Muerte“ zu nennen?

Hehe, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ja, das ist ein riesengroßer Widerspruch! Aber ein cooler! So kann man eine nette Doppelbedeutung hineininterpretieren. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast, hehe! Im Endeffekt passen aber die Texte und die Musik perfekt zu diesem Titel. Sie sind depressiv, dunkel, handeln vom Tod. Einen tieferen Grund für diesen Titel gibt es aber nicht. Er klang einfach cool!

Zumal der Titeltrack das gesamte Album perfekt zusammenfaßt…

Ja, das stimmt. Für dieses Stück hatten wir übrigens bis kurz vor dem Ende keinen Titel. Also haben wir es kurzerhand zum Titeltrack gemacht.

Zum Opener „To The Masses“ gibt es ein Video?

Ja, wir haben es kürzlich in einer alten Fabrikhalle abgedreht. Es ist ein ganz normales Metalvideo. Wir spielen und gut ist, hehe.

Warum macht man heutzutage überhaupt noch einen Clip, wenn kein Sender mehr Metal im Programm hat?

Genau das habe ich auch gedacht. Wozu brauchen wir ein Video, wenn niemand es spielt und es somit auch keiner sieht. In Holland und Deutschland sind kürzlich alle härteren Fromate aus dem Programm geflogen. Ich hatte also wirklich keine Begründung, warum wir ein Video machen sollten. Wahrscheinlich, um es für die Fans irgendwann mal auf eine DVD zu packen.

Als ich auf blabbermouth die allererste freigegebene Tracklist gelesen habe, war ein Song namens „The Fifth Crusade“ an Bord. Auf der Platte fehlt er. Warum?

Hehe, das ist eine witzige Geschichte. Wir haben uns die Titel für die Songs überlegt und für einen Song gleich zwei Ideen gehabt. „The Fifth Crusade“ und ich glaube „Till Fingers Bleed“ sind eigentlich ein und derselbe Song. Wir haben aber erst zu spät gemerkt, dass wir beide Titel in einer Newsmail veröffentlicht haben.

Gemischt wurde die Scheibe von Tue Madsen…

Ja, wir sind sehr zufrieden mit dem Job, den er erledigt hat.

Ein wenig hatte mich diese Wahl aber doch verwundert, da er momentan eher für seine Metalcore-Produktionen bekannt ist.

Uns hat seine Arbeit mit BORN FROM PAIN und ABORTED umgehauen. Die HATESPHERE-Scheibe klingt ebenfalls hammermäßig. Beinhart und trotzdem glasklar. Früher hatten wir alle, angefangen bei uns über CARCASS bis hin zu BOLT THROWER, Probleme mit dem Downtuning der Gitarren. Der Mix zwischen den Gitarren und den Drums ist immer geclasht, weil er untrennbar zusammenhing. Tue hat einen Weg gefunden, beides voneinander zu trennen und trotzdem die Heaviness nicht zu verlieren. Das hat uns unglaublich imponiert. Zum Glück hatte er Zeit, um mit uns zu arbeiten. Sonst wäre mir niemand eingefallen, der dieses Ergebnis hätte erzielen können. Andy Sneap vielleicht. Aber der hätte keine Zeit und wir nicht das Geld dazu gehabt. Hmm…und Jacob Hansen vielleicht.

Vielleicht könnt ihr auf diese Weise eine völlig fremde Zielgruppe ansprechen. Wenn die Metalcore-Kiddies sehen, dass eure Scheibe von Tue Madsen gemischt worden ist, hören sie vielleicht eher mal rein.

Hmm…dieser Metalcore scheint eine ziemlich große Sache zu sein im Moment. Ich habe mich damit nicht wirklich befaßt.

Das erstaunlichste ist, dass im Metalcore eigentlich fast alle CDs gleich klingen, aber keine wirklich schlecht ist. Vor allem der Gesang ist meist schwer auseinander zu halten.

Wahrscheinlich ist der Gesang auch der Grund, warum ich mich mit dieser Szene noch nicht befaßt habe. Er nervt mich nach einer gewissen Zeit. TRIVIUM z.B. sind verdammt gute Musiker und ihre Songs sind wirklich Metal, aber den Gesang kann ich mir auf Dauer nicht geben.

Zurück zum Thema: Seid ihr nicht ein perfektes Beispiel dafür, wie sich alles im Kreis bewegt? GORFEST sind tot, der Death Metal erhält kaum Beachtung, GOREFEST kommen zurück, der Death Metal erlebt eine Renaissance.

Hehe, irgendwie schon. Aber für mich gehört der Death Metal in den Underground, weil es Underground-Musik ist.

Wie erklärst du dir dann Charterfolge von Bands wie AMON AMARTH oder ARCH ENEMY?

Ich weiß es nicht. Vielleicht liegt es an der gewachsenen und verbesserten Aufnahmetechnik. Eine Band wie ARCH ENEMY hätte mit den Produktionsstandards von vor zehn Jahren geklungen wie CARCASS. Heute klingen sie wie eine äußerst versierte Metal-Band und sind somit massenkompatibler. Man kann leichter einen Zugang zur Musik finden. Aber um harte Gitarrenmusik muss man sich keine Sorgen machen. Aussterben wird sie nie.

Das wollen wir hoffen. Wie lange habt ihr gebraucht, um die „Goreography“-Box zusammen zu stellen?

JC und ich haben alle alten Demos aufgehoben. Deswegen war es recht einfach, die musikalische Seite zusammenzustellen. Mit den Fotos war es eine andere Geschichte. Wir selbst hatten vielleicht fünf Fotos, weswegen wir alle Schuhkisten, die bei jedem noch auf dem Speicher rumgeflogen sind, zu Nuclear Blast gesendet haben, damit sie dort die brauchbarsten Schnappschüsse verwenden konnten.

Das Timing für diese Re-Releases hätte perfekter nicht sein können.

Ja, ich habe die Idee, eine GOREFEST-Box zu releasen, von Vornherein für super gehalten. Zumal sich so alle, die jetzt erst mit der neuen Scheibe auf uns aufmerksam geworden sind, direkt auch unsere Vergangenheit näher bringen können.

Was gibt es über die nahe Zukunft zu bereichten?

Jetzt warten wir erstmal die Reaktionen auf unser neues Album ab. Die ersten sind sehr positiv, worüber wir uns natürlich sehr freuen. Wir sind verdammt stolz auf die Scheibe. Im Februar 2006 soll es dann auf Tour gehen. Wir wissen aber noch nicht, ob als Support oder als Headliner. Support wäre mir fast lieber, weil man dann nach seinem Gig noch ein wenig mit den anderen trinken kann, hehe. Vielleicht ist es für eine Headliner-Tour noch zu früh. Aber auf diesem Gebiet ist noch gar nichts bestätigt.

Letzte Frage: Was bedeutet dir der Metal?

Ich habe mit 13 angefangen, Metal zu hören. Das war 1978/1979, als gerade KISS und AC/DC aktuell waren. Kurz danach kamen IRON MAIDEN. Das hat mein Leben komplett verändert und ist seitdem in meinem Blut. Und wenn man schon so lange diese Musik hört, wird sie einem auch immer im Blut bleiben. Bei HOLLOW MEN habe ich z.B. immer unabsichtlich Metal-Riffs in die Songs einfließen lassen. Als sie mir dann aufgefallen sind, habe ich sie wieder gekickt, weil es einfach nicht zu uns gepaßt hat. Ich werde den Metal auf ewig im Herzen tragen.

13.11.2005

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