Grave Digger
"Wir haben alles gegeben!"

Interview

Am 14. September 2018 erscheint „The Living Dead„, das neue Album von GRAVE DIGGER. Gespaltene Meinungen zur Polka-Single „Zombie Dance“, ein überraschender Wechsel am Schlagzeug und das nahende 40-jährige Band-Jubiläum – genügend Gründe, um mit Bandkopf und Sänger Chris Boltendahl am Telefon zu quatschen. Ein Gespräch über Routine, Veränderungen, eine lange Band-Historie und das Ende des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet. 

„Zombie Dance – Dazu müssen wir irgendwas total verrücktes machen!“

Schönen guten Abend Chris. Danke, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. 

Hi, gerne doch!

Euer neues Album „The Living Dead“ kommt ja am 14. September raus. Was machst du eigentlich typischerweise an so einem Release-Tag?

Ach, ich geh wahrscheinlich morgens Golf spielen (lacht). Also, ich habe eigentlich immer jede Menge zu tun. Vor allem im Moment. Die ganze Woche ist blockiert mit Interviews, da gehe ich morgens zum entspannen gerne auf den Golfplatz. Ansonsten harre ich der Dinge. Das ist natürlich ein schöner Tag, wenn unser kreativer Output auf den Markt kommt, aber wir haben uns jetzt schon so lange damit beschäftigt, dass das für uns selbstverständlich ist.

Ist das die Routine, die man nach 20 Alben verinnerlicht hat?

Ja, klar. Im Endeffekt müssen es ja die Leute entscheiden, ob es ein gutes Album ist. Wir als Musiker sind natürlich hellauf begeistert – wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre – aber das machen die Fans für sich aus, ob es ein gutes Album ist. Darauf ist man natürlich schon gespannt.

Wie geht ihr eigentlich ans Songwriting ran? Sicher nicht wie bei den ersten Alben von GRAVE DIGGER, oder?

Ja, ich sag mal, im Rahmen der neuen Technik, mit dem Internet und so, ist das natürlich alles einfacher geworden. Man muss aber auch aufpassen, dass nicht alles zu unpersönlich wird und man sich nur noch gegenseitig Files zuschickt. Axel und ich haben da inzwischen aber eine gute Routine drin. Wir bereiten ganz viele Sachen zuhause vor, treffen uns dann für einen Tag und widmen uns geballt dem Songwriting. Dann fahren wir wieder nach Hause, arbeiten an den Sachen, die wir gemacht haben, erarbeiten neue Sachen und dann geht es direkt weiter mit der nächsten Songwriting-Session.

Das ist ein Prozess, der dauert immer so zwei bis zweieinhalb Monate. Danach fangen wir dann an, die Songs auszuproduzieren. Das heißt, er in seinem Studio und ich in meinem Studio. Dann sind die Songs eigentlich schon fast plattenreif aufgenommen, aber dann gehen wir natürlich noch ins Studio für die richtigen Aufnahmen.

Und dabei entstehen dann Sachen wie „Zombie Dance“. Der Song hat ja ein paar kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Wie hast du auf die empörten Rückmeldungen reagiert?

Mit einem Schmunzeln (lacht). Im Endeffekt entlarvt dieser Song doch die True-Metal-Szene, dass sie doch nicht so tolerant ist, wie sie immer vorgibt. Aber, ach, wir stehen da komplett über den Dingen. Wir haben uns da teilweise auch drüber kaputtgelacht, wie die Leute auf den Song steilgegangen sind, als er rausgekommen ist.
Am Anfang der Idee stand der Songtitel. Da habe ich mir gedacht: Dazu müssen wir irgendwas total verrücktes machen.

Etwas, was die Leute überhaupt nicht erwarten, sowas wie eine Polka. Und als Video machen wie so etwas wie Michael Jacksons „Thriller“. Da habe ich Axel angerufen und der hat erst einmal gefragt: „Alter, hast du wieder angefangen zu saufen oder so?“. Aber nein, das war halt meine Idee (lacht). Die haben wir dann ausgearbeitet und hatten einen Riesenspaß dabei.

Und wie seit ihr dann mit RUSSKAJA in Kontakt gekommen? Über euer gemeinsames Label Napalm Records?

Nee, das kam gar nicht direkt übers Label. Das kam über den Kollegen im Studio, Jörg Umbreit. Der sagte: „Ey, da fehlt noch ein bisschen was. Guckt doch mal, dass ihr so eine Band findet, die so ein bisschen Polka-Style was mit Metal und Rock macht.“ Da kamen wir natürlich schnell auf RUSSKAJA, die sind ja auch bei Napalm. Die haben wir dann angerufen, sie waren direkt Feuer und Flamme und haben ihren Teil dazu beigesteuert.

Konnten ihr euch denn vorher schon einmal beschnuppern? Letztes Jahr auf Wacken zum Beispiel, wo ihr ja auch gespielt habt?

Nee, bisher hatten wir gar keine Schnittstelle. Nicht, bis wir wussten, dass wir einen Song schreiben wie „Zombie Dance“. Ich hatte mir aber mal ein paar Videos von denen angeguckt, zu „Energia“ und so. Ich finde das schon sehr cool was die machen. Ist natürlich kein richtiger Metal oder sowas, aber ist halt auch gute Partymusik und da steh ich wohl drauf.

Der Dreh sieht ja auch ziemlich nach Party aus. Hast du eine besondere Anekdote, die du mit uns teilen möchtest?

Ach, eigentlich war der Dreh durchgehend lustig. Wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt, läuft sowas gut. Wir hatten einfach einen Riesenspaß, dieses Drehbuch umzusetzen. Du siehst mich ja auch als Nachrichtensprecher und alleine dieser Teildreh war schon Gold wert. Eigentlich wollten wir diesen Teil anfangs gar nicht drehen, weil uns so ein bisschen die Zeit davonlief. Aber ich habe mich dann durchgesetzt und zum Regisseur gesagt, dass die Idee so geil ist, dass wir das unbedingt umsetzen müssen. Wir haben es dann parallel gedreht und ich glaube es hat sich echt gelohnt.

Für euer nächstes Video zum Song „When Death Passes By“ habt ihr ja die Fans aufgerufen, sich zu beteiligen, indem sie Videos von sich im Zombie-Outfit einsenden. Hattest du schon Gelegenheit, einen Blick auf die Einsendungen zu werfen?

Ich würde mal sagen, dass dieser Aufruf etwas zu hochschwellig war, sag ich mal. Wenn man Fotos einschicken soll, das funktioniert noch. Aber ich glaube, wenn man Leute auffordert ein Foto in so und so viel Pixel zu drehen, dann noch als Zombie verkleidet, das war wahrscheinlich schon zu anspruchsvoll. Wir haben jedenfalls leider fast gar nichts zurückbekommen, was man als Video hätte verwenden können. Deswegen haben wir uns jetzt für einen anderen Song entschieden, der einfach als Lyric-Video kommt.

Und welcher Song ist das?

„The Power of Metal“, also schon eher die klassische Schiene (lacht).

Auf Seite 2: Mehr zum Wechsel am Schlagzeug und Pläne fürs Jubiläum!

Grave Digger auf dem Rockharz 2017

 

40 Jahre GRAVE DIGGER – „Natürlich sind da viele Erinnerungen, aber ich lebe nicht in der Vergangenheit.“

Mal zu einem ganz anderen Thema: Bei euch hat es ja einen Wechsel am Schlagzeug gegeben. Was kannst du uns zu Marcus Kniep sagen, dem neuen Mann an den Drums, der Stefan Arnold ersetzt?

Marcus ist ja eigentlich schon seit 2008 in der Band und hat damals als Drum-Techniker angefangen. Als dann H.P. (Katzenburg, Keyboards 1997-2014 – Anm. d. Verf.) ausgestiegen ist, hat er halt den Job als Keyboarder und Sensenmann übernommen. Und als dann jetzt Stefan aus der Band raus ist – also, ich hatte erst einen anderen Schlagzeuger im Kopf, den ich fragen wollte. Dann wurde mir aber klar, dass wir mit Marcus ja schon einen super Drummer in der Band haben. Wir haben ihn dann gefragt und er war sofort Feuer und Flamme. Für uns ändert sich ja nicht viel, außer, dass er auf der Bühne keine Maske mehr auf hat (lacht).

Welchen Namen hattest du zuerst im Kopf, wenn ich fragen darf?

Ach nee, das halte ich lieber intern (lacht). Aber um kurz was zu Stefan zu sagen: Es hat halt am Ende nicht mehr gepasst. Stefan hat gesagt, dass er sehr verwundert war und wahrscheinlich hat er auch gar nicht damit gerechnet. Aber der Zeitpunkt war gekommen, ich habe diesen Schritt einfach vollzogen und die Band fühlt sich gut dabei.
Wir wünschen Stefan natürlich alles Gute. Es waren ja 23 gemeinsame Jahre und ich hege keinen Groll gegen ihn oder empfinde total den Stress, wenn ich seinen Namen höre. Die Konstellation hat einfach nicht mehr gepasst.

Wie ist das denn generell, wenn man die einzige Konstante im Bandgefüge ist und sich als einziger noch an die Anfangstage erinnert?

(Überlegt kurz) Die Band, diese Zeit, ist natürlich ein wichtiger Teil meines Lebens. In zwei Jahren feiern wir 40 Jahre GRAVE DIGGER. Dann werde ich 58, habe mit 18 die Band gegründet. Natürlich sind da viele Erinnerungen, schöne und finstere Sachen, an die man sich zurückerinnert. Aber dazu muss ich sagen, ich lebe eigentlich gar nicht so sehr in der Vergangenheit.

Gedanklich bin ich eigentlich schon beim nächsten Album. Klar, jetzt mache ich noch die Interviews und so. Kreativ habe ich „The Living Dead“ aber im Juni abgeschlossen. Seitdem beschäftige ich mich eigentlich mit den Ideen zum neuen Album. Da knüpfe ich jetzt schon dahingehend die ersten Banden, das Karma ist manifestiert, mit Axel ist alles besprochen. Wir warten jetzt eigentlich nur noch auf den richtigen Zeitpunkt und legen dann los mit dem Album, das 2020 erscheint.

Plant ihr eigentlich auch ein neues Live-Album. Das letzte ist ja doch ein paar Jahre her

Also da müsste ich jetzt lügen, aber es ist nicht konkretes in der Planung, auf keinen Fall. Was konkret in der Planung ist, sind für 2020 das neue Studio-Album und natürlich diverse Jubiläums-Shows, die wir auf jeden Fall machen wollen. Da haben wir schon eine fette Geschichte vor: Wir werden etwas vervollständigen, was wir schon längere Zeit im Kopf hatten und da haben wir jetzt gesagt, dass das Jubiläum der richtige Anlass ist. Die Idee ist jedenfalls da und die ersten Kontakte werden geknüpft, manifestieren sich. Da sind wir schon gespannt, wie das funktioniert.

Das hört sich interessant an. Kannst du schon mehr dazu sagen?

Ach, da muss man halt schauen, ne? Da kann man jetzt spekulieren, aber zum richtigen Zeitpunkt werden wir schon noch mit den richtigen News rauskommen, sag ich mal.

Eine sentimentale Frage zum Abschluss: Du wohnst ja schon länger nicht mehr im Ruhrgebiet, aber hast du als alter Gladbecker eine Meinung zum diesjährigen Abschied vom Steinkohlebergbau im Revier?

Natürlich, ich bin ja mehr oder weniger damit aufgewachsen, mit dem Kohlebergbau. Ich habe ja eine Ausbildung zum Betriebsschlosser gemacht. Das war jetzt nicht direkt auf dem Pütt, sondern bei der Firma Kraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven. Natürlich habe ich da eine Bindung zum Bergbau. Ich wohne jetzt seit fast 30 Jahren in Köln, aber ich finde es schon schade, denn es gehörte schon irgendwie zum Ruhrgebiet, die Fördertürme und alles.

Ja, aber ich habe da auch so ein lachendes und ein weinendes Auge. Mein Opa, der war Bergmann und ist an einer Staublunge gestorben. Auf der anderen Seite gehört der Bergbau natürlich zu der Region und es ist ein bisschen schade, wenn das jetzt alles verschwindet. Gut, einige Fördertürme werden natürlich Denkmäler sein, aber das ist ja nicht das Gleiche. Ist der Tom Angelripper nicht früher unter Tage gewesen?

Ja, soweit ich weiß schon. Komisch eigentlich, dass so viele Abschiedsveranstaltungen von Kulturverbänden organisiert werden und keiner davon was mit Heavy Metal macht. Eigentlich wäre das bei der Menge an Metal-Bands aus dem Ruhrpott doch naheliegend. 

Ja, ich denke solche Kulturverbände vernetzen solche Ereignisse mit anderen Dingen. In deren Köpfen spielt der Metalhead keine Rolle.

Im Essener Dom gibt es ja eine Abschiedsveranstaltung zu Weihnachten. Aber da passt eine Metal-Band wohl wirklich nicht rein. 

Außer Tom Angelripper tritt unplugged auf (lacht). Vielleicht könnte er da „Ausgebombt“ spielen (lacht nochmal).

Das wäre natürlich toll, aber passieren wird es wahrscheinlich nicht.

Wahrscheinlich nicht.

Chris, vielen Dank für das Gespräch. Willst du noch etwas loswerden?

Ja, wir sind natürlich gespannt, wie das neue Album ankommt und freuen uns über jede Unterstützung. Wir haben alles gegeben und ich hoffe, die GRAVE DIGGER-Fans wissen das zu würdigen.

Grave Digger – The Living Dead
Quelle: Interview mit Chris Boltendahl, 10.09.2018
14.09.2018
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