
Nailed To Obscurity
"Vor 20 Jahren haben wir eigentlich nur Geknüppel gehört."
Interview
Fast sieben lange Jahre dauerte es bei NAILED TO OBSCURITY, bis das erfolgreiche „Black Frost“ mit „Generation Of The Void“ endlich einen würdigen Nachfolger gefunden hat. Wie damals schnappten wir uns auch dieses Mal Gitarrist Jan-Ole Lamberti und Sänger Raimund Ennenga zum entspannten Plausch, um nicht nur zu klären, was in der Zwischenzeit passiert ist, sondern auch, warum die Platte nochmal ein ganzes Stück ruhiger ausgefallen ist, als ihr Vorgänger. (Bandfoto: Mumpi Künster)

Hallo Jan-Ole, hallo Raimund. Danke, dass Ihr Euch noch die Zeit genommen habt, obwohl ich ein wenig spät dran bin. Wie läuft es denn bislang mit dem neuen Album? Wie zufrieden seid Ihr gerade?
Jan-Ole: Eigentlich sind wir ziemlich zufrieden. Wir haben zwar immer ziemlich positiven Zuspruch bekommen, aber ich glaube, jetzt ist es nochmal ein bisschen eindeutiger. Es gab sonst auch mal Ausreißer, bei denen wir dachten, damit sind wir nicht einverstanden (lacht). Dieses Mal ist es aber auffällig positiv und was ich persönlich am coolsten finde ist, dass das Feedback bei den meisten Leuten, mit denen wir geredet haben, was ja zum jetzigen Zeitpunkt überwiegend Journalisten waren, ziemlich genau das herausarbeitet oder erwähnt, was wir uns auch als Ziel gesetzt haben. Mal schauen, wie es bei Dir nachher ist, wenn du dazu noch was sagst. Das fühlt sich an, wie eine Bestätigung, dass genau das, was wir anders machen wollten oder das, was wir besonders herausstellen wollten, auch genauso verstanden wurde. Ein ziemlich cooles Feedback, finde ich persönlich, da das beim Songwriting der Plan war und die Leute es scheinbar genauso verstehen. Ansonsten liegt ja auch viel Zeit zwischen den beiden letzten Alben und es hat sich einiges verändert.
Man sieht das schon an den Verkaufszahlen oder an der Gewichtung zwischen den physischen Varianten und dem Streaming. Streaming sah bislang noch nicht so gut aus, aber auf der anderen Seite merkt man natürlich auch, dass man es als kleinere Band heutzutage noch schwieriger hat, weil es so ein großes Angebot gibt und immer mehr Bands immer mehr herausbringen und immer mehr Videos und Social Media gefühlt die Reichweite eher limitieren, als dass man tatsächlich mehr Leute erreicht. Das merkt man schon, da hat sich zu dem letzten Release auch einiges zum Negativen verändert. Alles in allem ist das Gefühl aber ganz gut und wir haben bald unsere Tour. Das ist ja auch ein neuer Schritt für uns, eine Tour als Headliner zu spielen und nicht, wie in den letzten Jahren, in denen wir zwar sehr große Touren gespielt haben, aber immer als Support. Wir waren gerade in Griechenland und in der Türkei. Dort waren wir vorher noch nie und in der Türkei waren wir zum Beispiel direkt Headliner. Das waren sehr coole Shows, die für uns ein wichtiger Vorgeschmack auf die Tour waren. Ich hoffe die wird ähnlich gut.
Du hast es gerade schon kurz, mit einem Halbsatz angesprochen: Was war da eigentlich los? Wir haben das letzte Mal zu „Black Frost“ gesprochen, das ist jetzt fast sieben Jahre her. Ich vermute, dass es nicht geplant war, dass es so lange dauern wird?
Raimund: Du hast dich nicht gemeldet, Du hast dich nach einem Interview gefragt. Das ist ja wohl die eindeutige Antwort.
Jan-Ole: Das Album war ewig fertig, aber Du hast dich nicht gemeldet. (beide lachen)
Ich bin schuld, das wird die neue Schlagzeile: „Album verzögert sich wegen metal.de-Redakteur mehrere Jahre.“
Raimund: Ich denke, wenn man sich diese große Lücke mal in Summe anschaut, steht natürlich erst einmal der Elefant im Raum: Die Pandemie. Das ist auch tatsächlich so. Wir haben 2019 „Black Frost“ offiziell veröffentlicht und haben dann entsprechend das Album betourt, neben der eigentlichen Tour auch noch Festivalauftritte, Einzelshows, usw. gespielt. Anfang 2020 haben wir nochmal eine größere Tour gespielt, kamen quasi gerade nach Hause und sind in diese neue Situation rein geschlittert. Damit mussten wir uns auch erst mal arrangieren, da wir uns persönlich nicht mehr treffen konnten. Wir haben in den Interviews bis zu „Black Frost“ immer betont, dass das finale Arrangement eigentlich im Proberaum passiert. Wir mussten uns also ein Stück weit neu erfinden und hatten zudem auch sehr ambitionierte Pläne, was die Ausgestaltung der Musik angeht, die dann auch nochmal ein Learning erforderten. Der Prozess gestaltete sich entsprechend insgesamt ausgedehnter mit den Hürden, die durch die Pandemie gegeben waren. Wir hatten schon vor, dass die Songs dynamischer werden, dass wir mehr Clean-Gesang zulassen, wir die Songs auf eine gewisse Art und Weise größer werden lassen, in Sachen Arrangement. Da kann Jan-Ole sicherlich auch eine ganze Menge zu sagen. Es war also der Prozess dahinter der, bedingt durch die Pandemie, ein bisschen gebremst war.
Als die Pandemie vorbei war, haben wir 2022 unser tourstärkstes Jahr überhaupt gespielt. Wir sind siebeneinhalb Wochen durch die USA getourt, waren dann in Summe auch noch einmal siebeneinhalb Wochen in Europa unterwegs, auf zwei Touren verteilt, haben dazwischen noch Einzelshows gespielt. Entsprechend hatten wir fast gar keine Zeit, um uns wirklich auf das Songwriting zu konzentrieren, das Ganze zu fokussieren und haben deswegen nochmal auf das Bremspedal getreten. 2023 haben wir dann gesagt, wir finalisieren dieses Album, haben dabei aber auch nochmal gemerkt, dass das Erreichen dieses Zieles einen weiteren, sehr großen Lernprozess erfordert. Wir haben sehr viel Zeit in das finale Ausgestalten der Songs investiert. So kam es dann am Ende eben dazu, dass wir zwar 2022 schon mal zwei Songs veröffentlicht haben, mit denen wir sozusagen das Produktionssetup getestet haben.
Jan-Ole hat, gemeinsam mit uns, bereits eine sehr stark ausgearbeitete Vorproduktion erarbeitet, bevor wir damit ins Studio gegangen sind – erst einmal instrumental bei V. Santura (TRYPTIKON, ex-DARK FORTRESS, Anmerk. d. Verf.) und dann bei Jacob Hansen in Dänemark, wo wir die Vocals aufgenommen und sowohl Mixing als auch Mastering gemacht haben. So konnten wir zumindest „Liquid Mourning“ und „Clouded Frame“ schon mal droppen. Wir haben dachten eigentlich auch schon, dass die beiden das Vehikel für die Albumkampagne sind, aber es hat sich dann eben, wie gerade schon geschildert, doch noch ein bisschen gezogen. 2023 haben wir das Album mehr oder weniger finalisiert und 2024 ist auch noch eine Menge daran passiert. Jetzt ist eine ganze Menge Zeit verstrichen, aber endlich ist „Generation Of The Void“ draußen. Im Prinzip haben wir das, was wir erreichen wollten, ein Stück weit auch erreicht, wenn man sich das Feedback anhört.
Jan-Ole: Die größte Herausforderung in der Pandemie war eigentlich, dass wir, weil wir es als Band zusammen nicht anders können, im Proberaum sein mussten und dann auf einmal zu Hause oder in einer Studiosituation schreiben mussten. Ich wollte das eigentlich auch immer, habe das teilweise auch zusammen mit Volker (Dieken, Gitarre, Anmerk. d. Verf.) schon gemacht, dabei hatte ich mich aber immer um die Technik gekümmert und Volker ist dazugekommen. Das haben wir immer vorher so gemacht und dann im Proberaum finalisiert. Jetzt war es aber dann so, dass alle irgendwo verstreut waren, wir aber eben nicht zusammensitzen konnten. Es hat auch eine Weile gedauert, bis Volker gesagt hat, dass wir irgendwie auch wieder zu zweit weitermachen können. Also kam es beispielsweise dann so, dass es hieß: „OK, jetzt muss jeder mal Cubase lernen, damit wir Songwriting machen können, denn bisher kann es nur einer“.
Am Ende ist zwar dann doch viel in diesem Raum entstanden, bei mir. Trotzdem hatte das eine positive Seite, dass wir teilweise so arbeiten konnten und ich glaube, das hatte auch einen sehr großen Einfluss darauf, wie das Album jetzt klingt. Vor allem, da wir viel mehr Zeit für den Gesang hatten. Auch das war ein Punkt, den wir erst neu lernen mussten, denn so ins Detail sind wir bei der Gesangsproduktion noch nie gegangen. Wir hatten zwar immer wieder Klargesang auf unseren vorigen Alben, aber nie so, dass sie so ein großer Teil der Komposition waren. Das hat auch Zeit gekostet. Aber es gibt natürlich auch ganz andere Faktoren, die jetzt noch gar nicht genannt wurden. Beispielsweise, dass wir alle berufstätig sind und die Zeit erst mal finden müssen. Wir waren ja auch bei den Alben davor nicht wirklich schnell, es lag immer viel Zeit zwischen den Alben. Wir würden das auch gerne schneller machen, aber dann würde, glaube ich, die Qualität darunter leiden, wenn wir es erzwingen. Andererseits würden wir sehr viel schneller sein, wenn wir uns mal ein halbes Jahr hinsetzen könnten und das unsere einzige Arbeit wäre.
Man darf aber auch einen anderen Punkt nicht ganz vergessen, den wir noch in keinem Interview genannt haben: Wir haben uns viel vorgenommen mit dem Album und ein recht aufwändiges Setup. Wie Raimund gerade schon sagte: Recording bei V. Santura, weitere Aufnahmen und Mix bei Jacob Hansen, einige Sachen haben wir hier wiederum bei mir aufgenommen. Die kamen nachträglich noch dazu, weil wir dachten: „Da fehlt noch was, ein paar Soli, ein paar Synthesizer, usw.“. Das war natürlich alles viel teurer, wir mussten schauen, dass wir Termine bekommen, bei den verschiedenen Studios, was auch nicht einfach war. Während Corona nicht, aber erst recht nicht danach, als alle auf einmal wieder wollten. Wir hätten bestimmt zwei Jahre eher fertig sein können, aber auf der anderen Seite bin ich zufrieden, dass es am Ende so gekommen ist, denn in der Zeit ist an den Songs auch wieder ein bisschen was passiert. Es ist also echt super viel zusammengekommen, was letztlich zu der Verzögerung geführt hat.
Raimund: Ich finde auch, wenn man ein bisschen weggeht von den ganzen technischen Aspekten, dass es so eine Art Corona-Hangover gab. Emotional zu reflektieren, was da eigentlich gerade passiert ist, in Bezug auf die Isolation und direkt danach in 2022 plötzlich in eine Kriegssituation in Europa zu rutschen. Letzteres passierte während wir in den USA waren, was für uns auch völlig absurd war. Bevor ich dabei war, waren die Jungs zwar auch schon mal in Mexiko, aber prinzipiell waren wir das erste Mal interkontinental unterwegs, wir sind sozusagen einmal nicht in Europa und ausgerechnet dann passiert so etwas. Das hat viel mit uns gemacht und wir haben es erst 2023 so richtig verarbeitet. 2022 hatten wir so viel Ablenkung durch das Live-Spielen, das hat einen hier und da vielleicht auch mal ein bisschen gelähmt und dazu geführt, dass es vielleicht die ein oder andere Woche länger gedauert hat, bis man wieder den Kopf frei bekommen hat, um kreativ zu sein.

Raimund mit Nailed To Obscurity auf Tour 2024
Jan-Ole hat ja die Gesangsproduktion gerade schon angesprochen. Man merkt aber auch, dass Du Dich mittlerweile im Klargesang sehr viel wohler oder sicherer fühlst. War das auch ein Grund für Euch zu sagen: „Hey, das hat auf dem letzten Album gut funktioniert, dann können wir das jetzt auch nutzen um flexibler im Songwriting zu werden?“
Raimund: Da steckt eigentlich ein großer Prozess dahinter. Während wir mit dem Songwriting für dieses Album angefangen haben und klar war, dass das Ganze jetzt offener ausgestaltet ist, um Clean-Gesang mehr zuzulassen, musste ich natürlich erst einmal schauen: Wer bin ich eigentlich als Sänger? In der Vergangenheit war es so, dass ich, wenn es eine passende Stelle gab, einfach irgendwie gesungen habe ohne, dass das jetzt irgendwie abwertend klingen soll. Ich habe bewusst Gesangsunterricht genommen, um überhaupt herauszufinden, wo ich stimmlich liege und durch die aufwendigere Vorproduktion, haben wir das Ganze auch immer mal wieder konserviert, damit die anderen auch nochmal hören können, wo eigentlich mein Sweet Spot liegt. Die Gesangsmelodien, die haben Jan-Ole, Volker und ich sozusagen auf meine Stimme geschrieben, das hatten wir vorher noch nie so gemacht. Wir haben immer mal geschaut, wenn sich eine Melodie anbot, dass ich sie singe, um dann vielleicht festzustellen, dass sie zwar für den Song funktioniert, aber nicht für meine Stimme. Das gibt mir am Ende auch das Selbstbewusstsein zu wissen, dass ich das, was ich da mache immer abrufen kann, damit es auch live gut funktioniert. Es ist also eine Mischung, aus einem gewissen Selbstbewusstsein und der anders ausgestalteten Produktion. Ich glaube, ich singe heute bedeutend anders, mit einem anderen Selbstbewusstsein und mit einem anderen Gefühl dabei, weil ich immer mehr den Sänger-Raimund in mir finde, wo vorher vielleicht nur der Schreihals war.
Jan-Ole: Man muss aber auch dazu sagen, dass es schon ein lang angelegtes Ziel war, sogar schon seit „King Delusion“, das mehr zu machen. Es hatte noch nicht mal was mit Selbstbewusstsein zu tun, sondern einfach, dass wir uns dem Gesang gar nicht so gewidmet haben, wie man sich ihm hätte widmen sollen. Der Gesang ist eigentlich immer erst im Studio entstanden, weil uns selber das Wissen fehlte und wir gesagt haben „Wir gehen jetzt einfach ins Studio, wir haben so eine grobe Idee, das probieren wir dann.“ Wenn ich einen Teil aufgenommen habe, saß Volker mit Raimund zusammen und wenn Volker aufgenommen hat, war ich da, haben überlegt und dann haben wir das einfach gemacht und den Produzenten gefragt: „Wie siehst du das?“ Wenn er gesagt hat „ja, klingt gut“ haben wir es so gelassen, aber das war es dann eigentlich.
Jetzt haben wir uns mindestens ein Jahr lang jede Woche getroffen, teilweise gab es auch Wochen, in denen wir uns jeden Tag getroffen haben und haben hier, in der Studiosituation, wirklich nur Vocal-Arrangements gemacht. Da kommt, glaube ich, auch das hörbare Selbstbewusstsein her, weil einfach viel mehr Praxis da ist, viel mehr durchdacht wurde und es am Ende kein Zufallsprodukt ist, sondern wirklich komplett von vorne bis hinten durchdacht und auch hinterfragt, ob es so funktioniert.
Wir haben auch die Arrangements angepasst. Es ist also nicht nur so, dass wir Melodien rausgeschmissen haben, von denen wir dachten, dass sie nicht passen, sondern haben beispielsweise im Titeltrack, den Chorus komplett getauscht. Er hatte zuerst eine Gitarrenmelodie, die einfach nicht funktionierte, das klang super langweilig.In dem Fall hatte ich dann festgestellt, dass es gar nicht an der Gesangsmelodie liegt. Die ist eigentlich der coole Part. Schlecht daran war, was wir vorher geschrieben haben, was ein Chorus hätte sein sollen, aber nicht den Effekt hatte, den wir suchten. Die Melodie vom Gesang hatte das aber sehr wohl, also haben wir das instrumentale dahinter weggenommen und hinter der Gesangslinie den Chorus einfach neu geschrieben. Dann hat es auf einmal funktioniert. Solche Sachen haben wir gemacht, das gab es früher einfach nicht. Wir haben uns viel, viel mehr Zeit genommen und auch viel gelernt.
Galerie mit 27 Bildern: Nailed To Obscurity - Draconian 30th Anniversary Tour 2024 Dortmund

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| Band | |
|---|---|
| Stile | Death-Doom Metal, Melodic Death Metal, Rock |
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Mirko Pidde



















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