Wacken Open Air
Festivalbericht vom W:O:A 2011

Konzertbericht

Billing: Wacken Open Air
Konzert vom 2011-08-04 | , Wacken

Am nächsten Morgen werde ich zum Glück nicht von einem grummeligen Gefühl in der Magengegend geweckt, auch nicht von der heißen Sonne, die mich in einem Brutkasten aufwachen lässt. Wobei mir letzteres deutlich lieber gewesen wäre als der Regen, der sich Tropfen für Tropfen durch den Fensterspalt den Weg in das Auto bahnt. Ein neuer, nasser Tag. Keine gute Prognose. Immerhin zähle ich eher zu den Schön-Wetter-Festivalgängern und schwitze lieber bei 35 Grad im Schatten, als dass ich mit triefenden Klamotten durch knietiefe Matsche waten muss. Nun denn, es ändert nichts. Erst einmal duschen, dann stört der Regen auch nicht mehr.

 

Wacken Open Air

Die erste Band, die es an diesem Tag schafft, mich unter dem bereits jetzt dezent chaotischen Pavilions an unseren Zelten weg zu holen, sind KVELERTAK. Die norwegischen Hardcore-Punker haben ihre Fans schon voll im Griff, als ich durch das Hintertürchen in das Wrestlingzelt gelange. Der Regen hat sich mittlerweile verzogen und ist ein paar Sonnenstrahlen gewichen. Diese schaffen es im Nu, aus der Bullhead City Stage ein Tropenhaus zu machen. Während KVELERTAK allesamt ihre absolut energiegeladene Show auf die Bretter bolzen, stelle ich schnell fest, dass die Bühne äußerst ungeeignet für Musikacts ist, wobei KVELERTAK diese Aufgabe hervorragend meistern. Das Problem ist nämlich, dass der Bühne im Bullhead City Zelt, in der Mitte ein Laufsteg entspringt, der zum Wrestlingring führt. So hat man als Fan nie die Möglichkeit, genau vor der Bühne zu stehen. Aber Sänger Erlend Hjelvik, der auf der Bühne eh immer volle Power gibt, nutzt den gesamten Steg aus und stürmt immer wie von der Tarantel gestochen hin und her. Musikalische Brecher mit norwegischen Texten gibt es in Form von ‚Fossegrim‘, ‚Blodtorst‘ und ‚Ulvetid‘. Während es drinnen eifrig weiter brodelt, begebe ich mich allmählich wieder vor die Tore des Zeltes. Dort ist übrigens eine Videoleinwand aufgestellt, auf der das Geschehen im Inneren übertragen wird.

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Auf den Weg zu den Hauptbühnen, zieht es mich an dem Biergarten vorbei. Noch mit dem fetten Gebolze KVELERTAKs im Ohr, mögen die Posaunen in meinem Ohr einfach nicht den richtigen Nerv treffen. Auch wenn noch so viele betrunkene Köpfe ihren Spaß mit der Sache haben, zuckt bei mir lediglich das rechte Augenlid. Ohnehin bin ich viel zu verwirrt, als dass ich etwas mehr von dem Haufen mitbekommen würde. Immerhin schallt von der Black Stage DOROs Gesang an mich heran, die mit SKYLINE, U.D.O. und anderen special Guest auf der Bühne steht. Und täglich grüßt das Murmeltier, oder so ähnlich. War die Eröffnung auf der Black Stage in den, mindestens letzten drei Jahren nicht ganz genau so. Wie auch immer. Selbst wenn der übermäßige Konsum von alkoholischen Getränken mir so manche Lücke in mein Gedächtnis geätzt hat – es muss gut gewesen sein. Also, die Party und der Alkohol. Aber auch DORO kommt super an. Was wäre denn auch ein Wacken Open Air ohne „We are the Metalheads“ und „All we are“?!? Das Echo der Fanchöre ist jedenfalls enorm und schafft es, meine Aufmerksamkeit von der offenbar spaßigen Feuerwehrkapelle weg zu holen.

Wacken Open Air

Für einen Moment begebe ich mich zum Campingplatz, um meinen Wasserhaushalt ein wenig aufzufüllen. Das klappt auch ganz gut, abgesehen davon, dass ich viel länger dort versacke, als es ursprünglich geplant war. Aber ein bisschen stolz bin ich schon, dass ich es tatsächlich wieder pünktlich zu BÜLENT CEYLAN schaffe. Ich habe ihm bereits im letzten Jahr auf dem Summer Breeze gesehen und hatte dort wirklich Spaß in den Backen. Mir fiel auch sofort auf, dass die Bedingungen ähnlich sein würden wie auf dem Summer Breeze: ziemlich voll. Mit einer Mischung aus gespanntem Zuhören und taumligen Bewegungen, die – oh Wunder – nicht durch den Alkohol sondern durch das Lachen ausgelöst wurden, watschel ich zunächst zum Merch-Stand, um dort ein paar Freunde zu treffen. Immerhin macht es nicht nur mehr Spaß, gemeinsam Konzerte zu schauen, zu bangen und zu moshen, sondern es macht auch einfach mehr Spaß, über die Witze von Comedians zu lachen. Leider muss ich, dort angekommen, feststellen, dass man von BÜLENT CEYLAN kaum noch etwas hört und somit seine ganzen Witze in der Weite der Entfernung verpuffen. Hinzu kommt, dass wir nun ganz in der Nähe der W.E.T. Stage stehen, auf der gerade X-TINXION ihr Unwesen treiben.

Unmittelbar nach BÜLENT CEYLAN betreten die Südtiroler von FREI.WILD die Bühne. Dass die Jungs mit ihrem Patriotismus und ihren direkten Texten gut ankommen, ist lange kein Geheimnis mehr. Und genauso ist es auch heute. Obwohl FREI.WILD das dritte Mal in Folge auf dem Wacken Open Air einen Gig spielen, scheint die Luft bei den Festivalbesuchern alles andere als raus zu sein. Egal wo ich meinen Blick hin schweifen lasse, es ist reichlich voll, und auch wenn Philipp „Halt deine Schnauze“ singt, ist es alles andere als ruhig. Ich persönlich bin der Ansicht, dass die Tiroler sehr polarisierend sind: entweder man mag sie, oder man hasst sie. Das dumme ist: Obwohl ich das denke, stehe ich irgendwo genau dazwischen. Privat würde ich mir die Musik garantiert nicht in den CD-Player packen, aber auf Festivals funktioniert sie einfach einwandfrei und verleitet sogar mich zum Mitträllern. Der Vorteil der FREI.WILDschen Songs liegt in den sehr eingängigen Texten mit den einfachen Melodien. Die bleiben jeder Saufnase im Gehirn stecken. Und so feiern massig Wackener zu „Sieger stehen da auf, wo Verlierer liegen bleiben“ und „Südtirol“. Während die große Masse weiterhüpft, tanzt und dem gepflegten Oldschool Pogo nachgeht, mache ich mich etwas verfrüht auf den Weg zur True Metal Stage, auf der später HELLOWEEN auftreten werden, und um mir unterwegs noch etwas zum Essen zu jagen.

Wacken Open Air

Sehr erfolgreich (dem Veggie-Ständen sei Dank) lasse ich mich auf einer kleinen erhöhten Fläche nieder, von wo aus ich die Bühne sogar im sitzen noch im Blick habe, auch wenn sich dieser doch nur auf das Essen richtet. Kaum habe ich es mir gemütlich gemacht, beginnen HELLOWEEN, aber auch nur, um von einem Stromausfall unverzüglich wieder unterbrochen zu werden. Ein Raunen geht hörbar durch die Menge und die großen Massen an Fans. Zum Glück ist der Fehler jedoch schnell behoben und die deutschen Power Metaller können rasch weiter machen. Doch auch als Andi Deris um zweiten Mal „Are You Metal“ anstimmen will, wird ihnen plötzlich der Saft abgedreht. Ein schlechter Start für das erste Highlight auf dem WOA. Für nervöse Hemden wie mich wirkt die zweite Unterbrechung verdammt lange, und das Publikum scheint durchaus dasselbe Problem zu haben wie ich. Endlich gibt es für die richtigen Metalheads vernünftiges Futter, und dann sowas. Hinzu kommt zu allem Überfluss, dass die gesangliche Leistung heute arg auf der Strecke bleibt. Obwohl ich HELLOWEEN nicht zum ersten Mal live auf der Bühne sehe und sonst durchaus meinen Spaß dabei hatte, verliere ich heute rasch das Interesse und schlendere ein wenig durch die Gegend. Während ich mir die umliegenden Stände ein wenig genauer anschaue, gehen mir die permanenten Ansagen und späteren Mitsingspielchen ganz schön auf die Nerven. So sehr Klassiker wie „March Of Time“ und „I Want Out“ auch mitreißen können, schaffen sie es selbst mit diesen heute nur bedingt.

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Man sollte annehmen, dass 15 Minuten durchaus ausreichend sind, um von der einen Seite des Festivalgeländes auf die andere zu gelangen. Theoretisch ist das auch durchaus machbar. Dabei sollte man jedoch beachten, dass man die überaus zähe Menschenmasse mit einrechnet, die einen permanent Slalom laufen lässt und unentwegt ausbremst. Wenn man dann noch zu spät losläuft, weil man zur Abwechslung einmal mehr zu viel gequatscht hat, wird es verdammt eng, zu der Zeit an dem Ort zu sein, wie es der individuelle Plan vorgesehen hat. Mit einer etwas größeren Entfernung zur Black Stage vernehme ich so das Intro von den heutigen Krachern BLIND GUARDIAN. Mit „Sacred Worlds“ von ihrem aktuellen Album „At The Edge Of Time“ eröffnen die Krefelder ihren Gig. Trotz meiner Entfernung zur Bühne ist mir sehr schnell klar, dass BLIND GUARDIAN einen erstklassigen Auftritt hinlegen werden. Dazu tragen die Fans, die scharenweise eingetrudelt sind, nicht unerheblich bei. Passend zu „Welcome To Dying“ komme ich in dem lauthals mitsingen Pulk an und lasse mich, mit einem Bierchen in der Hand, zunächst glückselig von dem tollen Feeling berieseln. Was bei HELLOWEEN leider verbockt wurde, hauen BLIND GUARDIAN ohne Probleme wieder raus. In Windeseile entwickelt sich aus den 70 000 Fans (abzüglich derer, die es vor Trunkenheit oder dergleichen nicht zur Bühne geschafft haben) der wohl größte Metal-Chor aller Zeiten. Die Stimmung scheint für diesen Moment unschlagbar zu sein. Als dann auch noch „Lord Of The Rings“ durch die gigantischen Boxen schallt, bleibt auch mir die Gänsepelle nicht vom Hals. Aber auch das gute alte „Valhalla“ bietet genau das, was offenbar nicht nur ich mir für einen derartigen Auftritt auf einem Festival wie dem Wacken Open Air einfach nur Wünsche. Nachdem der Song beendet ist, singen alle obligatorisch weiter und setzten dem BLIND GUARDIAN Auftritt ein weiteres I-Tüpfelchen auf.  Mit „Mirror Mirror“ neigt sich der Auftritt letztendlich dem Ende zu.

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Fehlt für heute also in der Tat nur noch einer. Der gute alte OZZY OSBOURNE. Ich muss ja schon zugeben, dass ich derweil ein wenig am Schwächeln bin und mich nur schwer aufraffen kann, den Weg erneut nach vorne vor die Bühne anzutreten. Aber hey! Zum einen spielt da der Veteran schlechthin und zum anderen bin ich zuvor noch nie in den Genuss gekommen, den werten Iron Man live erleben zu dürfen. Ich muss zugeben, dass mich weder die Songs aus seiner Solokarriere, noch die Musik aus BLACK SABBATH Zeiten jemals großartig mitgerissen hätten (ja ich weiß: Schande über mein Haupt!), aber nichtsdestotrotz gibt es einfach Künstler, die man einmal live erlebt haben sollte. Und man muss ganz ehrlich sein, dass niemand weiß, wie lange OZZY noch auf den Brettern dieser Welt herumturnen wird. Na gut, herumturnen ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck für den Auftritt, aber selbst 90 Minuten zu singen ist in seinem Alter bestimmt nicht gerade ein Pappenstiel. OZZY umklammert durchaus intensiv sein Mikro und braucht eine kleine Weile, um mit seiner krächzenden Stimme die passenden Töne zu entlocken. Aber ganz ehrlich: Dafür lieben wir ihn doch. Eines hat sich in meinem Kopf sehr schnell festgesetzt: „ I Can’t fucking hear you!“ sowie „Fuck“ in sämtlichen Variationen. Relativ zu Beginn erhebe sogar ich mein Goldkehlchen. Der absolute BLACK SABBATH Kracher „War Pigs“ hat sich im Laufe der Zeit sogar in meinem Kopf festgebrannt und bereitet mir zu später und müder Stunde noch ordentlich Freude. Vor der ersten Zugabe „Mama, I’am Coming Home“ und dem Abschluss „Paranoid“ mache ich mich ganz gemütlich auf den Weg nach hinten, um dort das ein oder andere Bierchen zu schlürfen und den ersten Tag des WOA 2011 ausklingen zu lassen.

 

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03.08.2011

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